Gernulf Olzheimer kommentiert (CC): Verbraucherschutz

14 06 2013
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Kaum waren Ngg und seine Kameraden von der Jagd zurück, als sie sich schon zu streiten begannen. Wer von ihnen würde die Schwarte des Bären bekommen, wer das Fell? Es bildeten sich Parteien, der eine wollte dies, der andere das, manche beides, und dann gab es noch Ngg. Dass zu viel Bär auf die Pumpe geht, ließ er die Kumpels wissen, und er warnte auch vor den Parasiten im Flausch des Brummtiers. Die anderen waren ungehalten, gleichwohl sie einen intellektuellen Gewinn aus dem Vortrag gezogen hatten. Nur wurde der Alte etwas penetrant, und keiner hatte ahnen können, dass sich hier die erste Geißel der Zivilisation zeigte. Er kam der Verbraucherschutz.

Putzige Farbkleckse prangen auf den Tüten in der Bedürfnisbefriedigungsanstalt: eine Ampel suggeriert der Grützbirne am Lenker, dass eine allwissende Anstalt über seinen Konsum wacht. Nur ganz manchmal gerät er ins Grübeln, warum diese altbösen Kartoffelchips, voll von drehenden Fetten und kiebigem Salz, überhaupt noch frei verkäuflich sein sollen, wenn sie gleich nach Korn und Kippe das Komarisiko Numero 1 sein sollen. Ist der Große Bruder, der die Kleinkinder in fürsorgliche Obhut klemmt?

Wer es darauf anlegt, wird durch den Einsatz ideologisch unverdächtiger Lebensmittel – Butter, Honig, Traubensaft – zum Fettsack, und zwar nicht, weil er sich nicht nach chemisch moduliertem Lightzeugs umsähe oder gleich mit Margarine und Mineralwasser Askese übte, sondern wegen der Menge, die bei jedem Stoff zu viel sein kann, und weil der Depp sich nicht um Ausgleich bemüht hätte. Der Verbraucherschützer setzt als allgemein bekannt voraus, dass eine Portion Milchfett auf dem Steiß landet, es sei denn, man kriegt ihn regelmäßig hoch und trainiert sich die Kalorienfestspiele wieder runter. Warum denkt er dann, dass die typische Kollateralbevölkerung nicht wüsste, was die Fett- und Zuckerbomben der Limonadenbranche und Frittenbuden auslösen? Oder warum fordert er zum Schutz der entmündigten Vollopfer nicht den Warnhinweis Fressen macht fett – fangen Sie am besten gar nicht erst an auf der Tüte mit dem Salzgebäck? Sich ein halbes Pfund Butter in die Figur zu panzern wäre gerade für die Verfechter der infantilen Rot-Gelb-Grün-Aufpapper die endgültige Kapitulation. Kein Zucker, kein Salz, ein reines Naturprodukt, und doch schmiert das Zeug der Embolie zuverlässig die Landebahn.

Denn Verbraucherschutz ist auch nur die bunt angepinselte Mogelpackung, die vor den bunt angepinselten Mogelpackungen der Massenproduktion warnt. Sie ist schlechthin abhängig von der Beklopptheit durchschnittlicher Konsumlemminge. Gäbe es nicht den Drang, im Advent Erdbeeren hinters Zäpfchen zu schwiemeln, der Verbraucherschützer stünde nackt und frierend hinter seinem Transparent, fest entschlossen, die Verführung der Menschheit durch Schnaps in Marmelade anzuprangern. Dass marmeladenfreier Schnaps in allen Variationen wesentlich schädlicher ist, kümmert natürlich den im Brauchtum der Marktwirtschaft wildernden Waffenbruder nur marginal. Die Herde benötigt einen Schafmacher.

Desgleichen zeigt sich der Verbraucherschutz gemeinhin als Realitätsverweigerung mit Anlauf. Wo beispielsweise der Energiebedarf des normalen Kühlschranks für allein lebende Bierverbraucher thematisiert wird, lautet mit traumwandlerischer Sicherheit der erste Rat, das Ding in die Tiefen der Deponie zu versenken und sofort neu zu kaufen – angesichts der Tatsache, dass das Kaltgerät größtenteils meist zu Mietsache gehört und es damit nicht dem Nutzer obliegt, es auszutauschen, wäre für den Verbraucher, dem Stromsparen zur Existenzbewältigung wird, der Erwerb einer neuen Kiste schlicht nicht zu stemmen. Für die gröberen Kaliber dieser breit angelegten Volksverdeppung sucht sich die Branche meist Mietmäuler aus der Politik, deren geistig nicht gesegnete Günstlinge gegen etwas Atzung aus den Zotten der Industrie gerne ihre Heißluftöffnung zum Absondern von Verbalgerümpel zur Verfügung stellen.

Die Talentdetonationen der Zunft ködern den angeblich kritischen Rechner, indem sie sich hinter selbstgehäkelter Statistik einmauern. Ihr Liebling, die Versicherungsbranche, wird von ihnen je um je mit Watte beschmissen, damit der Schaum vor dem Mund den Adressaten erreicht. Hundeversicherung? Mumpitz, so der Verbraucherschützer, kein Hund ist so oft derart krank, dass es sich lohnte. Was aber erstens eine zünftige OP am Heimtier kostet und warum sich die Luftratten der Petzmannschaft nicht zwotens statt der gesetzlichen Krankenversicherung einfach ein Sparschwein aufs Nachtkastl stellen, das wird wieder nicht verraten. Vermutlich muss man in dem Berufsbild öfter mal zum Therapeuten, der die Schrauben nachzieht.

Was aber bleibt, wenn die Lunte abgebrannt ist? Etwas popeliges Geknatter und dünner Mief, weil die eigentlichen Herausforderungen nichts für die Waschlappen sind, die sich im Kriechgang zum Fußfall schleimen. Hätte irgendjemand erwartet, dass sich Verbraucherschützer im Dienst der besten Bundesregierung, die man für Geld kaufen kann, bei den Telefonfirmen beschweren, wenn sie den unwilligen Kunden Marketingbrei in die Ohren kotzen, obwohl der Staatsanwalt dafür eine Runde Hiroshima mit der Drecksbude spielen könnte? oder auch nur das Gewährleistungsrecht anspitzen?

Verbraucherschutz ist wie Musikkritik. Ein Verriss ist möglicherweise fachlich fundiert, aber die Oper kann trotzdem brechend voll sein. Und wem wäre das nicht verdächtig.