Wechselstimmung

17 06 2013

„Sarrazin.“ „Ich bewundere ja wirklich Ihren Mut.“ „Was sollen wir denn sonst noch machen? Ohne Rambazamba kann sich Steinbrück doch einsalzen lassen.“

„Mit dem Theater wird er allerdings erst recht auf dem Kehricht der Sozialdemokratie entsorgt.“ „Na, nun mal nicht so verzagt. Wir sind auf einem guten Weg.“ „Das bestreitet keiner, es ist nur nicht klar, wohin der führt.“ „Das wird sich hinterher zeigen. Wir machen einen absolut authentischen Wahlkampf, da können wir nicht auf alles Rücksicht nehmen.“ „Also auf die Wähler?“ „Auch, aber in erster Linie auf die SPD. Weil wenn wir auf die SPD keine Rücksicht mehr nehmen, dann müssen wir die Wähler erst gar nicht mehr in Erwägung ziehen. Dufte, oder?“

„Muss denn Steinbrück jetzt auch unbedingt gegen Gabriel treten?“ „Er macht das sicher nur, weil er gerade keine Beinfreiheit hat.“ „Verstehe ich nicht.“ „Er will, dass Gabriel alles mitmacht, was er ihm befiehlt.“ „Und wenn Gabriel das macht?“ „Dann will er es trotzdem. Einer muss dem Parteivorsitzenden doch zeigen, wer hier das Sagen hat.“ „Der Mann ist nicht mehr ganz bei Trost.“ „Ach was, er rechnet nur ganz fest mit einem Sieg. Oder meinen Sie, wenn er sich nicht schon als Kanzler sähe, dann würde er sich noch mit den Einzelinteressen der Parteien abgeben?“ „Ich begreife, das wird er von Merkel gelernt haben.“

„Jetzt seien Sie mal nicht so päpstlich, immerhin tut Steinbrück doch auch etwas für die Quote.“ „Für die Frauen?“ „Nicht nur. Vor allem für die Seniorenquote. Damit mal klar ist, dass man in Deutschland auch im fortgeschrittenen Alter einen Job bekommt und sich aktiv für die Gesellschaft einsetzen kann.“ „Sie reden von Brigitte Zypries?“ „Was ist daran verkehrt?“ „Nichts, aber warum muss Steinbrück dann so herumätzen, dass keine Regierung gebildet wird, ohne vorher Schäuble wiederzubeleben?“ „Und sehen Sie, genau das kann die SPD nämlich besser als diese Regierung: mit Zypries haben wir gleich zwei Quoten abgehakt.“ „Was genau sollte dann diese Design-Professorin im Kompetenzteam?“ „Das liegt doch auf der Hand. Das ist eine Professorin, und die kennt sich mit Design aus.“ „Ach was.“ „Nein, wirklich!“ „Und das ist jetzt auch etwas für die Quote?“ „Nein, Netzpolitik ist für die ganze Bevölkerung. Also für die jüngeren Wählerschichten. Die unter 70.“ „Da braucht man dann eine Designerin.“ „Super Idee, oder? Das kommt bestimmt voll supi an bei dieser Netzgemeinde.“ „Megaflausch.“ „Sie sagen es. Da hat er endlich mal politisches Gespür bewiesen. Weil ja dies Internet, das ist ja quasi total voll mit Design. Mit diesem Webdesign. Und da haben wir jetzt diese Professorin, und die kann uns das alles voll klasse erklären.“ „Abgesehen von Ihrer albernen Ausdrucksweise…“ „Ha, da muss ich aber mal hart lollen!“ „… wüsste ich dann gerne, wie man als Designprofessorin die staatsrechtlichen Implikationen von Netzneutralität beurteilt. Oder die wettbewerbsrechtlichen Aspekte, de gerade den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen.“ „Haben Sie eigentlich schon diese Katzenbilder da gesehen?“

„Weshalb hat denn Steinbrück dieses Mietmaul engagiert?“ „Na, da stand er wohl gerade an der Bar und hat sich gedacht, so’n Kleinen kannste noch nehmen.“ „Überragend witzig.“ „Finden Sie?“ „Ich lache, wenn ich Zeit habe. Wie kommt Steinbrück dazu, jemanden als Sprecher zu verpflichten, der öffentlich rassistische Hetze betreibt?“ „Die paar Griechen.“ „Und sämtliche Arbeitslosen als faules, geldgieriges Gesindel hinstellt.“ „Das ist immerhin offizielle Parteilinie.“ „Und dann noch Sarrazin verteidigt, weil er die Meinungsfreiheit in Gefahr sieht?“ „Jetzt regen Sie sich doch nicht so künstlich auf. Ein rechtspopulistisches Arschloch macht im Auftrag eines rechtspopulistischen Arschlochs Werbung für ein rechtspopulistisches Arschloch. Man muss auch neue Wählerschichten stabilisieren können, wenn man sein Profil verändert.“ „Mir fiele da auch einiges ein, um Steinbrücks Profil zu verändern. Nicht schmerzfrei, aber nachhaltig.“

„Auf jeden Fall ist mächtig Wechselstimmung im Land.“ „Richtig, das merkt man überall. Vor allem bei den Wahlprognosen.“ „Unken Sie nur herum, wir sind da ganz zuversichtlich, dass es doch noch klappt.“ „Wenn Sie schon den Wechsel wollen, warum tauschen Sie nicht noch eben schnell ein paar Leute in Ihrem Kompetenzteam aus?“ „Gegen wen denn? Wir haben doch schon die Besten.“ „Tut mir leid, dass die Personaldecke derart dünn ist, konnte ich natürlich nicht wissen.“ „Und überhaupt, was mosern Sie ständig?“ „Weil dieses Personal keinerlei inhaltlich Botschaft auf Lager hat.“ „Und damit passt das Team natürlich hervorragend zur Sozialdemokratie. Eine gute Kontinuität.“ „Das nennen Sie Wechselstimmung?“ „Vielleicht hätte man diese Design-Professorin ja mit einem richtigen Ressort ausstatten können.“ „Also Bildung und Forschung?“ „Nein, ich meine eher Gedöns und Senioren. Sie dürfen nicht vergessen, sie ist eine Frau, und an den Frauen schätzen wir vor allem die integrative Kraft. Und so.“ „Im Grunde genommen finde ich das ganz gut. Doch, ich wäre auch für den Wechsel.“ „Sehen Sie? Das ist ansteckend.“ „Und ich habe da auch schon eine Idee.“ „Wirklich? Dann lassen Sie mal hören, wo Sie ansetzen wollen.“ „Beim Kanzlerkandidaten.“