Aus der Luft gegriffen

4 07 2013

„Kein Problem, Herr Minister. Wir sind da ganz diskret. Da halten wir uns streng an die Hausordnung. Auch wenn die Bude schon in Flammen steht. Unsere transatlantischen Freunde dritter Klasse sollen keinen Grund zur Beanstandung finden.

Wundervolles Schussfeld, Herr Minister. Dieser Hauptstadtflughafen ist wirklich ein Geschenk. Und glücklicherweise nicht zu früh fertig geworden. Da ist viel Platz für die Air Force One. Großartiges Schussfeld, wenn’s hart wird, knackt die GSG 9 das Teil mit dem Dosenöffner. Die kommen hier nicht weg. Keinen Meter weit.

Wir haben ihnen erstmal gar nicht gesagt, warum wir sie festsetzen. Die steht eben einfach so da jetzt, die Präsidentenmaschine. Aus der Luft gegriffen. Kann man nichts machen. Außenpolitisch ist da nichts zu befürchten, Herr Minister. Sollte es zu außenpolitischen Verwicklungen kommen, schicken wir einfach Westerwelle. Der kapiert eh nichts, und wenn die Amis gegen die Wand reden, hat sich die Sache früher oder später erledigt. Außenpolitisch zumindest.

Sie sollten in Ihrem Statement natürlich als erstes erwähnen, dass die Bundesrepublik hier aus freien Stücken agiert und dass es keinen politischen Druck von Seiten der Europäischen Union gab. Im Gegensatz zu den USA sind wir nicht erpressbar. Aber klar, Herr Minister. Wenn es etwas gäbe, mit dem man uns erpressen könnte, glauben Sie, der Vogel stände immer noch da draußen auf dem Rollfeld?

Terror, Herr Minister. Wie bei denen. Wenn man nicht mehr weiter weiß: Terror. Alles Feind. Und gar nicht großartig nachdenken, einfach alles für Terror erklären, was einem vor die Flinte kommt. Das können Sie doch, Herr Minister. Was hätten Sie je anders gemacht. Eben, Herr Minister. Nicht um solche Kinkerlitzchen wie Rechtsstaat kümmern oder Grundgesetz. Wir erzählen ihm, dass wir nach Geheimdienstinformationen einen international operierenden Kriegsverbrecher suchen, der sich an Bord der Maschine aufhalten soll. Nach Informationen eines richtigen Geheimdienstes, Herr Minister. Nicht solche Luschen wie die NSA. Das ziehen wir durch, Herr Minister. Was die können, das können wir schon lange.

Unsere Anti-Terror-Maßnahmen sind aber auch ganz hübsch, Herr Minister. Und praktisch. Schauen Sie mal, das Luftsicherheitsgesetz – da haben wir den finalen Rettungstotschlag. Eigentlich. Aber da wir das ja nicht dürfen, Herr Minister, machen wir es eben trotzdem. Oder wir kündigen es nur an. Vorerst. Wollen wir mal sehen, wie die reagieren, wenn wir den Spieß umkehren.

Verwaltungstechnisch dürfte das kein Problem sein, Herr Minister. Für den Abschuss einer Maschine ist ja der Kollege de Mazière zuständig, der hat momentan genug Scheiße am Schuh, und ich sage Ihnen, der drückt auf jeden Knopf, den Sie ihm hinhalten. Auf jeden. Der ist so genervt von dem ganzen Theater mit den Drohnen, der würde wahrscheinlich sogar die Kanzlerin in ihrem eigenen – nein, würde er nicht. Haben Sie ganz recht, Herr Minister. So viel Arsch hat der nicht in seiner dünnen Hose.

Vermutlich ist der Mann sowieso froh, wenn er hinterher einen Rücktrittsgrund hat. Den entsorgen wir noch mal ganz flott vor der Wahl, und dann schreibt er ein Buch, hält Vorträge, sitzt im Aufsichtsrat einer Rüstungsfabrik und wird Kampfpanzerlobbyist. Muss ja nicht jede Karriere unter Merkel in die Grütze gehen, oder?

Wir hatten gedacht, wir schicken ihm die sächsische Polizei rein. Richtig, Herr Minister, die sind schmerzfrei, was das Strafprozessrecht angeht. Und machen Sie sich keine Sorgen, was die Beweise angeht. Die bringen sie gleich mit. Von denen könnte Colin Powell jede Menge lernen. Wenn die Situation kippt? Hm. Nein, Cindy aus Marzahn ist keine gute Idee. Wir schicken ihm Gauck rein. Mit der Nervensäge wird er nicht fertig. Jede Wette.

Gerichtsverfahren? Internationaler Haftbefehl? Herr Minister, haben Sie unsere Taktik überhaupt begriffen? Hier geht es nicht um de Einhaltung von Konventionen, hier geht es darum, als erstes zuzuschlagen. Und dem Gegner zu zeigen, dass wir uns einen feuchten Dreck um die Regeln kümmern, wenn er das auch nicht tut. Verstehen Sie, Herr Minister? Osama, Obama, wo ist der Unterschied?

Sie haben uns zu verstehen gegeben, dass Europa für sie der Hinterhof ist, in dem sie ihre dreckigen Deals abziehen können. Es mag der Hinterhof sein, aber die Herren sind immer noch wir. Nein, Herr Minister, das glaube ich nicht. Sie werden bei uns keine Massenvernichtungswaffen finden. Höchstens die, die sie selbst aufgestellt haben.

Es sollte uns nicht stören, dass sich die Vereinigten Staaten damit isolieren. Was sollen sie machen? Den Teutoburger Wald mit Agent Orange abholzen, weil sich da die Bundeswehr versteckt? Die Nordseeküste verminen, damit keiner mehr zu den Bohrinseln rudern kann? Luftschläge ankündigen für den Fall, dass von deutschem Boden aus Raketen aufsteigen? Blödsinn. Und wenn es wirklich internationale Verwicklungen geben sollte, warum wir ausgerechnet in der Air Force One suchen, Herr Minister, erwähnen Sie einfach Guantanamo.“