Der große Bluff

15 07 2013

„Hat er gesagt, was er weiß? Hat er nicht? Was weiß er denn dann? Wenn er nicht gesagt hat, was er weiß, dann kann er doch nichts wissen, oder? Oder wissen wir das nicht? Jetzt regen Sie mich nicht auf, das hier ist kompliziert genug. Jedenfalls werden wir so mit Snowden nicht fertig.

Albtraum, hat er gesagt? Das kann ich mir nicht vorstellen. Albtraum? und er kann uns in einer Minute mehr Schaden zufügen als jeder zuvor? Was haben wir denn seit Vietnam gemacht, was ich hier im Weißen Haus nicht mitgekriegt hätte? Das ist doch bestimmt wieder so ein Bluff. Bestimmt, der kann ja gar nichts wissen. Dazu zahlen wir den Leuten einfach zu viel, als dass sie einfach so Geheimnisse weiterverkaufen würden. Aber sicher ist sicher. Ich habe gleich ein Memo rausgeschickt, sie sollen alle ihre Dokumente prüfen. Vielleicht hat jemand Daten geklaut und wir haben es nicht gemerkt.

Normalerweise würde ich jetzt bei der Navy anrufen, ob die noch einen Flugzeugträger übrig haben und ein paar Mann, die sich als Taliban verkleiden. Doch, Taliban. Russische Uniformen hätten wir noch da, aber die Bilderberger hatten mit Putin ausgehandelt, dass er erst die unterirdischen Gaskammern für seine Dissidenten zu Ende bauen darf, bevor wir einen gemeinsam Terroranschlag planen. Wir müssen uns da schon an internationale Abmachungen halten, das erwartet man von Freunden.

Haben Sie eigentlich noch den gelben Ordner? Na, diesen gelben Ordner – der steht doch bei Ihnen im Büro. Linker Schrank. Obere Reihe. So ein gelber Ordner eben. Da waren die alten AOL-Passwörter drin und die NFL-Ergebnisse von 2014. Da müsste so ein graues, nein: mittlerweile dürfte es braun sein. Wir hatten uns doch 1989 eine Quittung geben lassen für die Hängolin-Vorräte aus der DDR. Ist die noch da? Dann kann es das also auch nicht gewesen sein. À propos Quittung, die für den Friedensnobelpreis war abhanden gekommen, habe ich gehört? Ein Kontoauszug. Wir haben den Eindruck, dass das Ding ein bisschen häufig zu Privatfeiern mitgenommen wird. Könnte das eventuell sein? Dann haben Sie ein Auge auf das Ding. Das ist unsere Versicherung, falls sie uns den Preis irgendwann wieder aberkennen sollten.

Es kann doch auch eine Verschwörungstheorie sein, oder? In Wahrheit weiß er überhaupt nichts, aber wir wissen nicht, dass er nichts weiß. Das ist eine Verschwörungstheorie. Das muss eine sein. Der kann uns ja gar nichts nachweisen. Die Chemtrails sind eine russische Erfindung, habe ich gelesen, oder war das doch HAARP? Das Komplizierte an unserem Job sind nicht die ganzen Geheimnisse, sondern den Überblick zu behalten, wer was wissen darf.

Das Problem ist, dass Snowden eine hohe Sicherheitsfreigabe hatte. Jedenfalls viel höher als der Präsident. Stellen Sie sich doch bloß mal die Verwicklungen vor. Obama geht vor die Presse und sagt denen, es gäbe überhaupt keine Ufos, und sie seien nie in der Area 51 gelandet, und es gäbe die Area 51 gar nicht, und Elvis sei auch schon tot. Der sagt das einfach so frei von der Leber weg, weil er es eben nicht weiß. Das sind doch die wahren ethischen Konflikte! Wir müssen das hier irgendwie auf die Reihe kriegen, dass das einigermaßen geordnet zugeht. Jedenfalls lassen wir uns von dem Bürschchen nicht erpressen. Dann soll er doch ruhig erzählen, dass wir AIDS nur erfunden haben, um Afrika leer zu kriegen für unser Solarenergie-Projekt. Okay, bei Deepwater Horizon mussten wir ein bisschen mehr in die Luft jagen, um die Kritiker mundtot zu machen, aber haben wir da die Dreckarbeit gemacht? Na!?

Außerdem ist es doch völlig irrelevant, ob wir tatsächlich auf dem Mond waren. Wer will denn da jetzt hinfliegen und nachgucken, ob die Spuren noch im Boden sind? Die Fahne kann ja auch längst weg sein, wissen Sie, so ein Mond dreht sich ja auch, und dann fällt das Ding halt mal um, und da ist kein Atmosphäre, und dann wird das in den Weltraum – was rede ich denn da, das ist doch alles Quatsch! Außerdem wissen doch die Chinesen auch, dass wir wissen, dass sie manche Dinge haben, die wir besser nicht von ihnen wissen sollten.

Immerhin hatten wir damals nur das zweitbeste Angebot, Wojtyła umzunieten. Dieser Türke war billiger. Ja meine Güte, was sollten wir denn da tun! Dieser Schweinepriester macht uns den ganzen Ostblock kaputt mit seiner Befreiungstheologie, und wie sollen wir Wirtschaftskriege rechtfertigen, wenn wir nicht den Kommunismus als Buhmann im Schrank haben! Der Islam war ja zu der Zeit noch gar nicht erfunden, also bis auf den Irak, aber damals war Saddam auch noch einer von den Guten, und Osama war mit seiner Ausbildung noch nicht fertig. Aber wir haben die immer bar bezahlt. Die können uns gar nichts.

Also aufpassen jetzt. Keine schriftlichen Belege, nichts mehr aus der Hand geben ohne die höchste Sicherheitsstufe, Ausweise kontrollieren, und dann halten Sie um Himmelswillen endlich den Ball flach. Hören Sie endlich auf mich, ich mache das auch nicht erst seit gestern. Sie laden ab sofort keine ausländischen Minister mehr ein. Ihre Eigenmächtigkeit bringt uns alle noch in den Knast, verstanden? Keine Extratouren mehr. Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Ich hatte es Ihnen gleich gesagt, schon am 10. September: ein Flugzeug reicht völlig!“