Konsumlust

14 08 2013

„Entschuldigung, das ist doch Unsinn!“ „Finden Sie? Dabei vertreten Sie doch sonst auch immer genau das, was die Regierung sagt?“ „Aber Ihre Schlussfolgerungen sind vollkommen falsch.“ „Und das sagen gerade Sie?“

„Ich bleibe dabei. Deutschland geht es so gut wie nie zuvor.“ „Woran machen Sie das fest? Etwa an der gesteigerten Konsumlust der Bundesbürger?“ „Sie brauchen das gar nicht mit so einem ironischen Unterton zu sagen.“ „Käme mir nie in den Sinn.“ „Wir haben genug Arbeit. Es müsste sie bloß mal einer machen wollen.“ „Das ist sicher der Grund, warum für die Beseitigung der Flutschäden Ein-Euro-Jobber herangezogen werden.“ „Natürlich, das ist ja auch Arbeit, die zusätzlich entsteht.“ „Ah, richtig. Weil sie ohne die Flut nicht anfallen würde. Verstehe.“ „Sollen wir denn zusehen, wie die von der Flut beschädigten Gebiete unbewohnbar werden?“ „Die waren vor der Verwüstung durch die Neubauten auch unbewohnt, und die Folgen sehen wir jetzt.“ „Das beantwortet meine Frage nicht.“ „Und warum schaffen wir keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze?“ „Die Leute wollen ja gar nicht arbeiten.“ „Also bekommen sie für die Arbeit, die sie trotzdem leisten, zum Ausgleich auch keinen Lohn?“ „Das ist doch gar nicht miteinander zu vergleichen!“

„Und wenn es so viel Arbeit gibt, warum gibt es dann immer noch so viele Arbeitslose?“ „Weil die Arbeit niemand machen will.“ „Ich dachte immer, weil die Arbeit keiner bezahlen will.“ „Falsch. Wer in diesem Land Arbeit finden will, findet auch Arbeit.“ „Weshalb wir auch derart viele Bürger mit Nebenjobs haben.“ „Richtig.“ „Und Sie denken, das sei ein Zeichen von Konsumlust.“ „Vollkommen korrekt.“ „Die Menschen wollen sich wieder etwas gönnen und menschenwürdig leben.“ „So weit würde ich noch nicht gehen, aber…“ „Sie meinen, die Bürger arbeiten für den Konsum.“ „Warum denn nicht? Wir leben schließlich in einer kapitalismuskonformen Demokratie, da wird das doch wohl erlaubt sein.“ „Und sie können sich das von ihren regulären Gehältern nicht leisten?“ „Das gibt der Markt eben nicht her.“ „Und sie brauchen dazu Zweitjobs?“ „Warum beschweren Sie sich? Es gibt doch genug Arbeit, wie Sie sehen.“ Dann arbeiten diese Menschen ja freiwillig?“ „Warum denn nicht?“ „Sie haben doch eben bestritten, dass Menschen freiwillig arbeiten?“ „Aber diese Menschen arbeiten ja, weil sie konsumieren können.“ „Und wenn man arbeitslosen Menschen eine Arbeit verschafft und sie dafür anständig bezahlt?“ „Wozu das denn? Die sind doch imstande und geben das ganze Geld sofort wieder aus!“

„Das finde ich jetzt ja schon sehr mutig von Ihnen, sich so entschieden für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark zu machen.“ „Wie bitte?“ „Sie haben doch eben gerade gesagt, dass Sie die Voraussetzungen dafür sehen.“ „Wer hat das wann gesagt?“ „Es findet doch jeder Arbeit, oder?“ „Wenn man will, ja.“ „Und wenn nun die einen den anderen die Arbeit wegnehmen?“ „Wer nimmt denn wem was weg?“ „Man könnte doch die Arbeit, die die einen zusätzlich machen, denen geben, die keine haben.“ „Aber die Leute wollen doch gar nicht arbeiten.“ „Eben haben Sie noch das Gegenteil behauptet.“ „Weil die ja keine Arbeit haben, die bezahlt wird.“ „Es gibt doch genug Arbeit, die keiner macht, weil sie keiner bezahlt?“ „Man kann doch nicht alles bezahlen, so viel Geld haben wir doch nicht.“ „Sie erwarten aber, dass die Arbeit getan wird, wenn man sie bezahlt?“ „Natürlich.“ „Und weil die Leute so furchtbar gerne Geld haben, arbeiten sie auch noch zusätzlich?“ „Sicher, das würde doch jeder.“ „Also sind die einen zufrieden, weil sie mehr arbeiten können und etwas dafür bekommen, und die anderen sind unzufrieden, weil sie arbeiten müssen, aber nichts dafür bekommen?“ „Moment, das habe ich gar nicht…“ „Sie meinen, dass jeder gerne konsumiert und dafür freiwillig mehr arbeitet?“ „Weil die Leute eben arbeiten wollen – das war jetzt eine Fangfrage, oder?“ „Und Sie sind der Meinung, dass man auch Leute arbeiten lassen sollte, wenn es nicht bezahlt wird?“ „Aber die wollen doch gar nicht…“ „Dann arbeiten die einen freiwillig, aber die einen werden nicht dafür bezahlt.“ „Worauf wollen Sie jetzt hinaus?“ „Dass Arbeit und Geld nichts miteinander zu tun haben.“

„Also ich verstehe das immer noch nicht.“ „Wir haben eine Gruppe, die zu viel arbeitet, und eine, der die Arbeit fehlt.“ „Und was soll man dagegen machen? den einen die Arbeit wegnehmen und den anderen geben?“ „Warum nicht?“ „Das kann doch keiner bezahlen!“ „Das bezahlt doch schon jemand. Sie.“ „Ich?“ „Glauben Sie denn, der eine Euro für die Fluthelfer wird vom Papst gespendet?“ „Dann bezahle ich jetzt schon die, die gar nicht arbeiten?“ „Sie bezahlen sogar die, die arbeiten und davon gar nicht leben können.“ „Und was machen die alle mit dem Geld?“ „Konsumieren.“ „Ist das denn schlimm?“ „Wäre ich Sie, würde ich sagen: nein.“ „Und dann haben alle Arbeit?“ „Wen interessiert das? Die wollen doch alle gar nicht arbeiten.“ „Aber Sie haben doch gerade das Gegenteil… oh, Moment mal…“