Gernulf Olzheimer kommentiert (CCX): Wahlkampf

30 08 2013
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Zwei Sippen bevölkerten von alters her das kleine Tal beim Weiher. Die plattnasigen Uga waren von Norden hergezogen, von Süden gekommen waren die Nggr mit ihren Flachschädeln. Wer von beiden das Amt des Häuptlings ausüben durfte, entschieden die Gruppen nach dem Ableben des Amtsvorgängers; nicht selten fand die Gemeinde sich zwecks personeller Erneuerung unmittelbar nach der Frühjahrsjagd zusammen und nahm die beiden Spitzenkandidaten in Augenschein. Dabei sonderten die Kontrahenten allerlei Grunzlaute ab, schüttelten ihr verbliebenes Haar, fletschten die Gebissreste und gingen unter Anfeuerungsrufen der Anwohner mählich dazu über, sich biologisch abbaubare Objekte über die Rübe zu ziehen. Auch wenn beide die Prozedur lebend überstanden, obwohl es vor der Erfindung der Koalition noch keinen Bedarf dafür gab, so unterlag doch einer von ihnen. Der andere aber wurde der Anführer. Viel hat sich seitdem nicht ereignet. Im Großen und Ganzen ist der Wahlkampf immer noch das, was er immer gewesen war.

In einer halbwegs demokratischen Demokratie, wo jeder Pausenclown sich aufstellen lassen kann, fest darauf vertrauend, dass genügend Torfschädel ihn freiwillig wählen, gehen die Bekloppten mit Methode an die Sache. Sie scharen sich in Haufen, alle anderen hassend, weil sie die anderen sind, und die eigenen hassend, weil es nicht die anderen sind, und sie nennen die Haufen nach Verbalgerümpel aus der Klischeekiste: Partei des geringsten Widerstands und Das kleinere Übel und Revolution bis einschließlich Freitag. Dort denken sie sich Forderungen aus, die für die gesellschaftliche Entwicklung unerlässlich sind, Mindestlohn für Kinderarbeit, Freiheit für irgendwas, Wiedervereinigung der Gletscherspalten, Politik ohne elektromagnetische Strahlung – keiner wird die Zusammenhänge mit dem Ressort des Nachbarn auch nur ansatzweise kapieren, aber dafür sind es Realpolitiker. Und dergestalt treten sie hin für das Volk, so da wartet, und predigen. Für die Abschaffung der Tierzucht im kleinen Tal beim Weiher, gegen die Abschaffung der Tierzucht im kleinen Tal beim Weiher. Halbwegs geschickte Politiker fordern in einer Podiumsrede beides. Begnadete Kanzlerkandidaten kauen für beides denselben Satz Argumente hoch.

Alle Dörfer, die unterwegs zu schön werden, tapeziert die Politeska mit Hackfressen in Farbe zu, Helden ohne Geschäftsbereich mit entsprechendem Spruch, Für mehr Dings, Schland braucht Querkämmer oder Hirn weg für Volk & Vaterland, damit noch der letzte Mehlkäfer leise ahnt, dass es diesem Land bald viel besser gehen könnte, unter der Voraussetzung, dass die oben angepappten Schwachmaten simultan und geschlossen die Biege machen. Nichts dergleichen wird geschehen, sie üben eine psychohygienische Funktion aus: solange die Schranzen oben auf ihren Pappplakaten baumeln, muss man sie nicht an der Laterne aufziehen.

Ein besonderes Verhältnis haben Volk und Vertreter indes zur Wahrheit. Sie findet im Vorlauf zur Urne praktisch nicht statt, dennoch sind beide Seiten in einem geheimen Konsens gefangen, diesen Umstand einstweilen als normal zu betrachten. Da schwafelt der Kandidat der roten Partei vom Neubau einer unterirdischen Kathedrale und der blaue von goldenen Wasserhähnen für den ganzen Landstrich, während beide wissen, dass das Volk weiß, dass sie wissen, dass seit einer gründlich verklumpten Spekulation mit öffentlicher Kohle die Kassen leer sind. Die blaue Partei unterdessen schwiemelt sich Gesetzesänderungen zum bestimmungsgemäßen Aufblasen von Ballons unter besonderer Berücksichtigung des Nationalgedankens zurecht, was laut geltender Rechtsordnung schon immer der Kommune oblag und nirgends anders war, ist und mutmaßlich sein wird, weder in Europa noch in Bayern. Sie spielen ein putziges Kasperletheater im denkfreien Raum, realitätsallergische Schwurbelgurkentruppen und zur Verwendung in der freien Wirtschaft nicht geeignete Hilfshonks, und sie sind sich einig darin, dass es so sein muss. Ansonsten würde der erste Bürger, der seinen parlamentarischen Proleten beim Zelten auf dem intellektuellen Standstreifen zusieht, die Mistgabel einsetzen. Sie tun es nicht.

Sie tun es erst nach der Wahl, weil sie dann die rituellen Zusammenhänge von Bescheißen und Beschissenwerden wieder so gründlich verdrängt haben, dass sie auf Grundmuster II umschalten: Politiker sind die korrupten Knalldeppen, schmierige Laiendarsteller ohne Drehbuch in einer drittklassigen Seifenoper, die an sich, selbst zuletzt, denken. Sie sind die wahre Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft, für Verfassung und Demokratie, für Recht, Staat und Rechtsstaat und ähnlich beliebt wie die Rentnerin mit der Tüte voll Kleingeld, hinter der eine Kassenschlange aus dem Boden wuchert. Es fragt sich nur, wer diese Idioten gewählt hat.