Neuschrott

26 11 2013

„Hallo? Partei des geringsten Widerstandes, was darf ich für Sie… Nein, Sie haben sich nicht verwählt. Nein, das ist wirklich die… – Ja nun, die Umbenennung hätte keinen Sinn gemacht. Die FDP nennt sich ja auch immer noch liberal.

Unser Problem ist ja… also eher mein Problem, aber das ist das mit dem Wir. Das kommt ja jetzt noch mal knüppeldicke mit dem Koalitionsvertrag. Da entscheidet auch das Wir. Eine schlimmere Drohung wäre mir auch nicht eingefallen. Aber als Partei müssen wir uns jetzt einfach mal verändern. Den Inhalt, die Ausrichtung, die Ideologie, Moral und Wertesystem, den Namen – wir haben uns dann letztendlich für den Namen entschieden. SPD, das kannte halt jeder. Da musste mal was Neues her, und Twix gab’s halt schon.

Das ist halt auch schmerzhaft, so ein Erneuerungsprozess. Früher war das ja klar, wir sind die Partei von diesem Brandt, oder wie der hieß. Das war der mit der Bandscheibengeschichte, in Warschau, kurz vor der Wende oder so. Das prägt, wenn man diese Sprüche dauernd hört. Man kommt sich regelrecht deprimiert vor, wenn man hört, was der trotzdem alles bekommen hat. Nobelpreis und so. Schon heftig. Aber dann kam ja auch Schröder. Da fühlt man sich ja nicht mehr so deprimiert, da ist man geradezu… –

Partei des geringsten Widerstandes, was darf ich für Sie tun? Ach so, nein. Wir sind nicht die AfD. Flügel? die haben jetzt auch Flügel? Bisschen volatil waren sie ja schon immer. Notfalls holen wir die alle mit dem Hubschrauber raus, oder waren von denen etwa Höhenflüge zu erwarten? Rufen Sie doch mal da an, wo der Landesverband seine latente Schizophrenie gerade durch Teilung überwindet.

Das Problem ist nicht, dass wir keine Antworten hätten. Das Problem ist, dass wir noch nicht gefragt wurden, ob die Fragen auch irgendwie passen. Wir müssen uns jetzt ja quasi total neu erfinden, und dabei müssen wir natürlich auch das komplett neue Image benutzen, das wir uns nach der Wahl zugelegt haben. Spezialanfertigung natürlich. Extra dehnbar.

Partei des geringsten Widerstandes? Ja, wir haben den Mindestlohn für Sie ausgehandelt. Das heißt zwar nur, dass Sie irgendwann, vielleicht sogar innerhalb der kommenden vier Jahre, etwas mehr Geld bekommen, aber dann ist auch gut. Mit etwas Glück haben Sie dann fast so viel, dass Ihr JobCenter keinen Pfennig dazubezahlen muss. Brutto natürlich. Damit sind Sie dann der Vollbeschäftigung zumindest finanziell ein bisschen näher gekommen. Aber dafür ist die – ist die Partei des geringsten Widerstandes ja jetzt auch ein symbolträchtiger Gegner gegen den EU-weiten Finanzterrorismus. Unser Kalkül geht so: sehr viele Deutsche sind ja Erstwähler, und eine beträchtliche Anzahl von Wählern verschwindet in europarechtlichen Grauzonen. Da ist es doch gut, wenn eine Partei immer ganz entschieden dagegen ist. Ganz entschieden. Sonst gibt es halt keine Verhandlungsmasse mehr.

Wir haben uns dagegen entschieden, mit Angst Wahlkampf zu machen. Das passt nicht zu uns. Als optimistische Partei für die Zukunft des Landes müssen wir endlich auch mal positiv auf die Wähler zugehen. Ist Ihnen bereits aufgefallen? Ja, eine geniale Idee. Die komplette Broschüre ohne den Parteivorstand. Eine Seite ohne Gabriel, eine Seite ohne Nahles, eine Seite ohne Steinmeier, und der Rest vollständig ohne Steinmeier. Herausragende Kommunikationsstrategie. Sie sehen, wir haben eine äußerst gelungene und aktive Art gefunden, unserer Geschichte aus dem Weg zu gehen. Das setzt Maßstäbe.

Partei des geringsten Widerstandes, wie kann ich Ihnen… Manchmal werden Sie ja glatt für einen Linken gehalten. Sozialismus und so. Wir müssen uns da noch stärker abgrenzen und die politische Differenzierung herausarbeiten. Sonst kann es uns möglicherweise passieren, dass eine Koalition mit den Linken nicht funktioniert, weil der Wähler sich denkt: was wähle ich die, dann doch lieber gleich das Original. So bekommt dies Land ja nie eine gerechte Politik mit Mindestlohn und Frauenquote.

Sie müssen das dialektisch betrachten. Dass wir bis jetzt die CDU unterstützt haben bei der Europa- und der Euro-Politik und beim Abbau der Bürgerrechte zugunsten des wachstumsorientierten Freihandelsabkommens, das ist ein geschickter Schachzug gewesen. Wenn wir der CDU bis jetzt ihre vermeintliche Mehrheit gestützt haben, das ist ein ganz starkes Druckmittel. Sonst müssten die nämlich längst als Minderheit regieren, und wir würden dann eine hervorragend funktionierende Opposition im Bundestag orientieren, die aus staatspolitischer Verantwortung eine Regierung ganz und gar – mit der Mehrheit? Ich sagte doch, wir haben den Prozess der Abgrenzung erfolgreich in Gang gesetzt. Sollte es eine linke Mehrheit geben, dann kann keiner behaupten, wir seien daran schuld.

Hallo? Partei des geringsten Widerstandes, Sie wünschen? Eine wertorientierte Politik für Deutschland? Ja, das klingt gut. Könnten Sie eventuell später noch mal anrufen? in acht bis zwölf Jahren?“