Zum guten Schluss nach gutem Brauch

20 12 2013

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wie gut, dass ich gerade nicht Bundeskanzler bin. Einerseits – nein, das muss wirklich nicht sein. Und andererseits, sollte mir vielleicht irgendein Missgeschick passieren, dann erschiene hier eine alte Grußbotschaft, und noch schlimmer wäre es, das fiele niemandem mehr auf.

Wie gut, dass ich gerade nicht Bundespräsident bin. Einerseits sondert der jetzige regelmäßig betuliches Zeugs ab, was ja seine hauptsächliche Aufgabe ist, grüßt dabei nicht unmotiviert von Afrika und seiner Frau oder fuchtelt herum vor der Fichte, hinter die er uns ansonsten führt. Und andererseits hält sich meine Lust in Grenzen, anderen Leuten beim Regieren zuzusehen und ihnen die Hausaufgaben unterschreiben zu müssen. Es gibt Angenehmeres.

Beispielsweise Weihnachten. Auch in diesem Jahr hat uns die Konsumgüterindustrie wieder den Wunsch ans Herz gelegt, fleißig einzukaufen, und so retten wir brav und folgsam Arbeitsplätze, wenngleich größtenteils in China, sofern es sich nicht um Aufsichtsratsvorsitzende und Vorstände handelt. Und Paketpacker im Versandbunker. Und Auslieferungsfahrer. Die können sich zwar keine neuen elektronischen Spielzeuge zum Fest der Liebe leisten, aber das bedeutet ja auch nur, dass die Wirtschaft theoretisch gesehen durchaus noch Wachstumspotenzial hätte. Und darauf kommt es schließlich an.

Im neuen Ministerium für digitalen Straßenbau grübeln vielleicht gerade ein paar Referatsleiter über der Frage, woran man ausländische Rentiere erkennt, weil die ja in absehbarer Zeit mautpflichtig sein werden. Das Problem sind sicher die deutschen Rentiere, denen man zuerst eine Plakette anpappen müsste. Deutsche Rentiere. Ein Fall für den Landwirtschaftsminister, der vermutlich alles registriert und überwacht, was nicht rechtzeitig wegläuft. Oder er kümmert sich gerade um den Krümmungsgrad des EU-Christbaums. Irgendwas muss man tun. Diese vier Jahre können sich sonst ganz schön ziehen.

Ich für meinen Teil bin ja schon zufrieden, wenn die Weihnachtsgans in diesem Jahr nicht aus dem Ofen wiehert. Wobei die Zusammenlegung von Verbraucherschutz- und Justizministerium in diesem Fall sogar einmal sinnvoll wäre. Sollte dies mit demselben Aufwand geschehen wie seinerzeit die Regulierung von Telefonwarteschleifen, wir wären vermutlich innerhalb weniger Monate im Paradies. Oder innerhalb einiger Jahre. Oder später. Oder wahrscheinlich gar nicht, aber der Weg dahin wird ganz nett gewesen sein.

Just habe ich den Versuch unternommen, meine Bekanntschaften mit Ministerposten zu versorgen. Man soll das nicht tun, ich weiß, denn man achtet ja schon wieder viel zu viel auf die angeblich so wichtigen Fachkompetenzen. Als ob ein Arzt einen guten Gesundheitsminister abgäbe. Der letzte Versuch war wohl eher humoristisch gemeint. Das würde Doktor Klengel auch noch hinkriegen, und da er die meisten Leiden mit Aspirin, Sitzbädern und Placebos vertreibt, ist auch die Seite der Kosteneinsparung bei ihm berücksichtigt.

Für den Wirtschaftsminister würde ich ohne Frage Herrn Breschke nominieren. Der Mann ist wirklich produktiv, es kommt zwar nichts Nennenswertes heraus, aber der Mann entfaltet ein fabelhaftes Getöse dabei. Dessen ungeachtet war er vor seiner Pensionierung Finanzbeamter mit Leib und Seele, weiß auch ein gutes Stückchen zu sparen, und doch, die sinn- und ziellose Entfaltung von Aufwand liegt ihm im Blut. Ein Superministerium wäre sicherlich ganz nach seinem Geschmack.

Dass Anne für das Justizwesen geeignet sei, halte ich für ein nicht bestätigtes Gerücht; sie wäre eine herausragende Verteidigungsministerin. Zwar ist sie nicht siebenfache Mutter (nichts läge ihr ferner), aber sie verbringt ihr Tagewerk damit, wüste Drohungen in Heißluft zu verwandeln und ist bei bewaffneten Konflikten sicher einschüchternd genug, dass sich potenzielle Gegner nicht mit einer ganzen Armee ihresgleichen anlegen wollen. Dazu wäre sie die erste kompetente Frau auf diesem Sessel. Es sei denn, Hildegard würde sich dafür interessieren. Dann könnten wir auch gleich auf die Bundeswehr verzichten, sie wütet etwaige Feinde im Alleingang weg. Allerdings würde sie sich berufsbedingt besser als Bildungsministerin machen, und sie wäre vermutlich die erste, die Kinderallergie als anerkannte Berufskrankheit für Pädagogen durchsetzen würde.

(Ich stehe gerade unter Beobachtung für meine frauenfeindlichen Äußerungen, also sage ich nicht, dass ich Sigune, die ihre Blumentöpfe nach Feng Shui ausrichtet und die Topfblumen mit linksdrehend gerührtem Informationswasser aus Vollmondabfüllung gießt, als Gedönsministerin für erste Wahl halte. Zumindest dann, wenn man das Gedönsministerium in der Qualität erhalten will, wie wir es von der letzten Sprechpuppe her gewohnt waren.)

Die Bückler-Brüder besetzt man am besten mit Innen und Außen. Ein cholerischer Erbsenzähler und ein schwatzhafter Tausendsassa. Wenn ich auch mit den Jahren merke, wie sie einander ähneln und der eine mehr und mehr vom anderen hat, dass sie sicher irgendwann die Plätze tauschen könnten. Nur bei Siebels bin ich mir sicher, den haut nichts vom Sockel. Der ist mit allen Wassern gewaschen und weiß zu gut, wie Medien funktionieren, also benutzte er sie auch so, wie er es will, und nicht, wie sie sich das vorgestellt hatten. Es könnte keinen besseren Kanzleramtsminister geben als ihn.

Und dann er, der Einzigartige, der mich seit Jahren begleitet. Dieser Virtuose der verbalen Axt, ein unbestechlicher Kritiker von soziologischer Bildung und rabiater Kraftentfaltung, der auch da verbrannte Erde hinterlässt, wo zuvor nur Beton war. Ich nehme an, Gernulf Olzheimer wäre es vollkommen egal, wer unter ihm den Kanzler spielt.

Dieses Jahr war eins der Verluste. Manche sind von der Bühne abgetreten, manche haben sich zurückgezogen, und eben in diesen Momenten blickt man erschüttert in den Spiegel und fragt sich: Hat man es bisher auch einigermaßen anständig gemacht, und: wird man es auch weiter mit Anstand hinkriegen? In diesem Lärm überhört man leicht, dass die Zeit immer noch nach Satire schreit, und wenn auch einige nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass die Politik längst den grausigen Humor überflüssig gemacht habe, eins muss man doch betrachten. Es wird scharf geschossen, doch das reicht nicht. Es kommt schließlich darauf an, wer auf wen zielt. Und ob der Schuss ins Schwarze trifft.

Wie gut, dass ich nicht Bundeskanzler bin. Ich müsste mich täglich ärgern, dass ich überhaupt nicht wüsste, was die Leute so sprächen, denn ich spräche ja nicht ihre Sprache, und dann wäre ich sicher dienstlich verpflichtet, nachts wachzuliegen, aber wie ich mich kenne, würde ich an Freude, Liebe, Ärger, Lyrik, Makkaroni, Normaltheater, Linden, Himbeerbonbons, Macht der Verhältnisse, Klatschen, Hundegebell und Champagner denken, und damit wäre doch nun wirklich niemandem gedient. Außerdem, wäre ich Bundeskanzler, ich hätte für dieses kleine literarische Kabinett keine Zeit mehr, und das wäre ja doch zu schade.

Ich rechne mit dem Schlimmsten, aber vielleicht wird es wieder nur ein furchtbarer Schlips, eine Flasche Brandbeschleuniger (Terpentin-Aprikosen-Aroma) und diverse Bücher, die man gelesen haben muss, weil man sonst nicht sagen kann, man gehöre zu jenen, die sie auch gelesen hätten. Ich rechne mit furchtbarem Geknalle, dass der Hund der Nachbarn heulend unters Sofa schießt. Irgendwann wäre statistisch wieder eine umkippende Blumenvase dran, aber ich kann mich da auch irren. Vielleicht kann ich sie auf Ostern verschieben. Es wird ein ruhiges Fest, abgesehen von dem visuellen Sondermüll, der durch die Fußgängerzonen der Städte rauscht, sowie den akustischen Traumata, die sich langsam aber sicher einstellen, wenn man sich unvorsichtigerweise in ein Auto setzt, das mit einem Radio ausgestattet ist, das sich zum Empfang von Dudelfunk eignet. Ich lasse mich inzwischen gleich an der Notfallambulanz absetzen und dort von einer beflissenen Schwester die Gehörgänge mit warmem Schmalz ausgießen. Es soll die Lebenserwartung deutlich verlängern.

Um alles das angemessen zu begehen, werde ich auch in diesem Jahr kurz innehalten und mich auf die wesentlichen Dinge besinnen. Am Donnerstag, den 2. Januar 2014, geht es dann weiter. Ich schätze, ich werde auch dann nicht Bundeskanzler sein.

Allen Leserinnen und Lesern, die dies Blog fast oder fast ganz immer und regelmäßiger als unregelmäßig oder doch nur manchmal oder aus Versehen gelesen, kommentiert oder weiterempfohlen haben, danke ich für ihre Treue und Aufmerksamkeit und wünsche, je nach Gusto, ein fröhliches, turbulentes, besinnliches, heiteres, genüssliches, entspanntes, friedvolles und ansonsten schönes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und ein gesundes, glückliches Neues Jahr.

Beste Grüße und Aufwiederlesen

bee





Bullenstaat

19 12 2013

„Sie werden lachen, aber es macht uns allen sehr viel Freude. Eigentlich hat sich nicht viel verändert, der Chef ist wie früher, die Kollegen sind dieselben, der Job ist halt Verwaltung, und eigentlich fällt es gar nicht auf, dass wir alle woanders sind. Bis auf den Briefkopf mit ‚Landwirtschaft‘.

Seitdem der Friedrich nicht mehr Innenminister ist, haben wir endlich wieder richtig Spaß an der Arbeit. Und die letzten Jahre haben sich wirklich gelohnt, Sie werden sehen, wir werden ab jetzt dies Land viel sicherer machen. Sehr viel sicherer. So gut hätten wir früher nie arbeiten können.

Wenn sich früher einer mit Schlapphut in Ihrem Hinterhof herumgedrückt hätte, das wäre Ihnen doch sofort verdächtig vorgekommen, oder? Unser Außendienst heute hat Gummistiefel an und eine Harke dabei, und wir fahren mit dem Trecker, das ist zum Observieren viel unauffälliger als früher. Jedenfalls unauffälliger als die Kollegen vom BKA. Und der Chef hat ja eine sehr hohe Affinität zur Landwirtschaft. Der wird Supergrund und Boden beackern, das wird toll. Der Bock als Gärtner.

Übrigens sollten Sie nicht vergessen, dass wir jetzt auch für Forstwirtschaft zuständig sind. Waren Sie etwa damals im Wald, als die NSA Ihnen erzählt hat, wenn Sie etwas Geheimes zu besprechen hätten, dann sollten Sie sich halt in die Busche schlagen? Lauschiges Plätzchen? Würde ich jetzt nicht mehr empfehlen. Die heutigen Abhöranlagen lassen sich derart prima tarnen, die entdecken Sie nie. Und wir haben jede Menge von den Dingern aufgehängt. Wir hören das Gras wachsen.

Ländliche Entwicklung ist uns sehr wichtig, müssen Sie wissen. Noch immer ist Aufklärung ein rein städtisches Phänomen, und wir sehen einen deutlichen Trend der Terroristen und Gefährder, sich aufs Land zurückzuziehen. Überlegen Sie mal, wenn Sie ein paar Fässer Dünger für einen ordentlichen Sprengsatz lagern wollen, wo lagern Sie den? In der City oder auf dem Land? Eben, und mit unserer urbanen Präsenz haben wir das Land auch wieder attraktiv gemacht für terroristische Investitionen. Wir sehen schon ganze Landstriche in Bayern aufblühen – al-Qaida schleust massenhaft Schläfer ein, die das angenehme Klima des Alpenvorlandes genießen, möglicherweise mehrere Jahre lang, und in der Zeit konsumieren sie deutsche Produkte, zahlen Steuern und fördern die Regionen, und mit etwas Glück stolpert mal der Verfassungsschutz über eine von den Terrorzellen, ganz ausschließen lässt sich das ja nie. Genialer Plan, oder? Unsere Kanzlerin hat eben das richtige Händchen für konsequente Personalpolitik.

Wir haben ja auch fast die ganze Belegschaft mitgenommen, es arbeitet sich so viel entspannter. Die Abteilung für biobasierte Wirtschaft zum Beispiel, das waren früher die aus dem Referat für Angriffe mit B-Kampfstoffen. Ein Teil von denen ist wieder bei der Polizei, fragen Sie mich nicht, warum, aber die meisten forschen über Tomaten als Wurfgeschosse und solche Sachen. Und seitdem der Datenschutz jetzt ausgelagert ist an eine Fachkraft, die die Daten vor den dazugehörigen Bürgern schützt, können wir uns auch wieder mehr auf unsere Kernaufgaben konzentrieren, statt ständig über Landwirtschaft reden zu müssen.

Jedenfalls wird die Arbeit jetzt deutlich beschleunigt, und Rechtssicherheit haben wir auch. Früher mussten wir uns immer irgendwelche fadenscheinigen Lügen ausdenken, damit wir Bundesmittel für die nötigen Schmiergelder an die Rüstungsindustrie nach Bayern schleusen konnten. Dieser monatelange Papierkrieg, wir mussten komplizierte Terrorvideos drehen mit arabischen Sprechern ohne fränkischen Akzent, und dann zu jedem Weihnachtsfest diese künstliche Hysterie, dass man nicht mehr auf den Christkindlesmarkt darf, schrecklich ist das, wirklich schrecklich, aber jetzt sagen wir, wir brauchen Agrarsubventionen, und wo das Geld versickert, das interessiert doch in Berlin keine Sau. Und falls irgendwas sein sollte, wir schicken den Chef hin, der stellt keine Fragen, kriegt keine Antworten, und dann hat die liebe Seele Ruh. Hat bei der NSA geklappt, warum nicht auch beim nächsten Gammelfleischskandal?

Wirklich, es ist wundervoll. Der Chef ist auch viel entspannter. Wir können uns jetzt endlich mal um das Wichtigste in diesem Staat kümmern: den deutschen Bullen. Was glauben Sie, wie sich der Chef darauf gefreut hat. Jeder liegt in seiner Box, ist angekettet, wird hübsch gemästet, weiß nicht, wozu er überhaupt existiert, und alle haben sie einen Chip, von dem keiner weiß, was er macht. Der Mann hat eine Laune – dufte!

Allein für den Fischereiausschuss lohnt sich das ja. Weil da alle die wichtigen Sachen wie NSA oder Softwarepatente verhandelt werden – es geht schließlich um Abfischen, deshalb kümmert sich auch nicht der Umweltrat darum – und da kann sich der Chef prima einbringen und internationale Agrarpolitik machen. Also wer jetzt den Zuschlag für Genmais bekommt, der nicht als Genmais gekennzeichnet sein muss.

Und Neuzüchtungen, großartig! Diese kleinen Cocktailoliven mit den eingebauten Mikrofonen, die müssen wir jetzt nicht mehr einbauen, die wachsen gleich auf dem Baum. Also ich kann mich nicht beklagen, das läuft wirklich gut, sehr gut. Wollen wir mal sehen, vier Jahre, und dann wird ja das Verteidigungsministerium wieder frei.“





Töröö!

18 12 2013

Was man am Fernsehprogramm lernen kann: etwas mit Tieren geht immer. Die Darsteller sind preiswert, nicht gewerkschaftlich organisiert und verlangen keine komplizierten Extras in den Drehpausen. Der Nachteil daran ist, dass sie das Drehbuch nicht lesen. Wie beim Freitagstexter ersichtlich. Der Kollege Dickhäuter hätte nämlich zwei Zentimeter weiter links stehen sollen.

Aber sei’s drum, es gab ja wieder einmal eine Menge hilfreicher Hinweise zur Deutung der Situation. Das Klappsiegertreppchen ist entfaltet – es wird Zeit für einen Freitagstexter-Zubehörhandel – und wir schreiten zur Preisvergabe. Ohren bitte anlegen, sonst kippt der Pokal um.

Gesprächsthema Nummer eins ist derzeit die Hochzeit eines Elefanten, vermutlich mit einer Schildkröte. Keiner will das wissen. Aber wir reden darüber. Wie uns la-mamma eindrücklich ins Gedächtnis ruft. Dafür den tagesaktuellen Platz drei:

als elefantenrunden noch etwas besonderes waren

Weihnachten steht vor der Tür! Jenes Fest, an dem, historisch nicht unbedingt gut abgesichert, an die Türen geklopft und um Herberge gebeten wurde, was heute freilich etwas komplizierter wäre. Wer hat schon einen Stall mit Krippe auf dem Balkon. Zum Zeichen guter Gastlichkeit, die Spätlese trocken beherzt in die Tat umsetzt. Platz zwei!

Berta, tu noch einen Eimer Wasser an die Suppe, es sind Gäste da!

Einen Sonderpreis lobt das Komitee aus für den nicht mehr rechtzeitig eingereichten, aber nichtsdestotrotz bemerkenswerten Beitrag zum Thema Systemgastronomie. Ich spendiere eine Juniortüte für bewitchedmind:

Unter “Jumbo-Menü” hatten sich Georg und Heinz eigentlich etwas anderes vorgestellt.

Nun aber kommen wir in diesen festlichen Tagen zum wichtigsten Punkt: die Tischsitten. Immer wieder verwechseln Steppenbewohner Heu- und Hummergabel. Mit etwas Fingerspitzengefühl lässt sich das doch beheben, wobei: Finger? Platz eins für DocTotte:

„Es ist mir scheißegal, wie eng Sie mit dem Küchenchef verwandt sind, Meyer, in dieser Kantine wird Hochzeitssuppe nicht mit dem Rüssel gegessen!“

Herzlichen Glückwunsch! Die nächste Runde startet am Freitag, den 20. Dezember bei DocTotte. Ob ich Strohhalme mitbringe?





Heiße Weihnachten

18 12 2013

„Ich bin schon sehr gespannt auf Ihren Bericht“, teilte Fritzler mir mit. „Wir treffen uns in der Filiale Wandsheider Chaussee, ja?“ „Meinetwegen“, seufzte ich und legte auf. Dabei wusste er doch zu genau, was ich auf den Tod nicht leiden konnte. Einkaufen in der Weihnachtszeit.

„Damit sind Sie nicht allein“, hatte Minnichkeit von Trends & Friends mir zugesichert. „Wer geht schon in den letzten Wochen vor dem Fest gerne einkaufen? Sie müssen schon eine ganze Menge an Leidensfähigkeit besitzen, nicht alle Tassen im Schrank haben oder – guten Morgen, Frau Schwidarski!“ Mandy zog missbilligend die Augenbrauen hoch. „Sie wollten doch Fritzlers Kaufparadies besuchen, oder?“ Ich nickte. „Dann wird’s aber mal Zeit. Der Laden öffnet in einer halben Stunde, und Sie wollen doch einen Parkplatz bekommen.“

Das Geschäft lag recht weit außerhalb der Zivilisation, war allerdings schon von Weitem sichtbar. Eine geräumige Halle erstreckte sich entlang des Flusstals, viel Platz für das ultimative Shopping-Vergnügen. Mein Magen meldete leisen Widerspruch an. Doch da stand er auch schon in der Tür, breit grinsend und ohne einen Anflug von typisch weihnachtlich ho-ho-hoheitsvollem Gewicht. „Sie sollten sich unsere Preisknaller ansehen“, begrüßte er mich. „Die Herrenmoden sind gleich links, Sie mögen sicher ein Paar Stiefel oder unsere klassischen Sets aus Kammgarn und – ach was, kommen Sie erstmal rein.“

Aktionsware empfing mich an der Eingangstür. Eine karierte Wolljacke war gerade so weit herabgesetzt worden, dass dem durchschnittlichen Besucher die Augen tränten. Bestimmt lauerten die roten Mäntel mit dem unverbrüchlichen Pelzkragen hinter der Rechtskurve, vermutlich gab es hier auch die Instant-Beschallung besinnlicher Feierstunden in Form von Christfestplatten, Sprühschnee und Einwickelpapier für Geschenke, die am Tag der Bescherung gekauft wurden. Fritzler winkte ab. „Sie irren sich gewaltig.“ Ungläubig schaute ich ihn an, doch er ließ sich nicht beirren. „Ich setze auf antizyklisches Shoppen, gerade für die Opfer der Konsumgesellschaft. Kommen Sie herein, hier ist absolut weihnachtsfreie Zone.“

Tatsächlich – nirgends war auch nur die kleinste Spur weihnachtlichen Brauchtums, weihnachtlicher Dekoration oder weihnachtlichen Zubehörs zu finden. Es roch nicht nach Zimt und Marzipan, keine goldenen Kugeln hingen von der Decke, und aus den Lautsprechern näselte ein Tenor, wie lau doch diese Sommernacht gerade sei. „Wir sind das Kontrastprogramm“, sagte Fritzler nicht ohne einen gewissen Stolz. „Hier kann man noch Mensch sein, Sie sehen es ja selbst.“ Mehrere Männer, die ansonsten nur mit Mühe in ein Fachgeschäft für Bademoden gebracht worden wären, betrachteten aufmerksam die aktuelle Schwimmbekleidung in großen Größen. Ein dicklicher Herr mit breitem Scheitel probierte Plastiksandaletten in gewagten Farben, ein anderer, möglicherweise sein Bruder, begutachtete mit fachmännischem Blick Schnorchel, Schwimmflossen und ähnliches Zubehör für den Strandurlaub. Vermutlich sehnten sie sich nach nichts mehr als nach einem Last-Minute-Flug in den Süden. Ein schöner Traum, aber eben ein Traum.

Einen Gang weiter standen die Kugelgrills in Reih und Glied. „Das geht zu dieser Jahreszeit natürlich immer“, bestätigte Fritzler. Ich mutmaßte, dass es sich bei einigen durchaus auch um Kunden auf der Suche nach passenden Festtagsgeschenken handeln könnte. „Gut möglich“, wandte er ein. „Aber wir setzen doch deshalb keinen vor die Tür. Integratives Marketing ist unser Geschäft. Wir geben keinen Kunden auf.“

Einen Gang weiter wurde mir klar, was das bedeutete. Eine bunte Kollektion von Lenkdrachen zog die Käufer an, keiner fühlte sich vernachlässigt. Im Gegenteil, sie widmeten sich aufmerksam ihren Luftfahrtmodellen und waren schier unablenkbar bei der Sache. „Wenn man sie einmal Blut lecken lässt“, erklärte Fritzler, „dann hat man sie als langfristige Kunden gewonnen. Schließlich setzen wir auch keinen Kunden unter Druck. Sie können alle auch bis zum kommenden Herbst warten, die Hauptsache ist, dass sie dann wieder hier sind.“

Glückliche Menschen standen in der Kassenschlange, glückliche Menschen mit prall gefüllten Tüten. Offenbar war dies eine Goldgrube, und es lag nicht nur am antizyklischen Angebot. Dazu wirkten die Kunden mit ihren festlich anmutenden Paketbergen viel zu froh und munter. „Besuchen Sie uns unbedingt auch im Mai“, riet Fritzler. „Sie werden sehen: unsere Glühwein-Wochen sind ein absolutes Muss!“





Bock und Gärtner

17 12 2013

„Und das geht?“ „Natürlich. Sie müssen nur ganz fest daran glauben.“ „Das habe ich schon begriffen, nur: wird das vier Jahre lang halten?“ „Bestimmt. Das haben wir schon mal geschafft, fast tausend Jahre lang.“

„Nein, bleiben Sie jetzt mal ernst. Wenn hier Flüchtlinge aus Afrika kommen, dann werden sie von der Bundeswehr empfangen.“ „Eher von Frontex, aber das ist ja dasselbe. Wegen Lokalkolorit, nicht wahr?“ „Hören Sie, ich…“ „Sollen wir den Damen und Herren Afrikanern noch eine hübsche Militärparade machen, wie?“ „… meine wegen des Asylverfahrens. Das geht doch so nicht.“ „Sie, diese Leute kommen aus Militärdiktaturen. Wenn die vom Stabsfeldwebel in Empfang genommen werden, fühlen sie sich gleich wie zu Hause.“

„Jetzt soll die Bundeswehr den Asylbewerbern beim Ausfüllen der Anträge helfen.“ „Das finde ich gut. Das ist doch ganz im Sinne der Großen Koalition.“ „Wegen der Erleichterung der Bürokratie?“ „Nein, wegen der Zielvereinbarungen mit der Union. Die können doch jetzt sagen, dass sie mit dem Einsatz des Militärs im Innern schon mal angefangen haben.“ „Für Ordnungsaufgaben?“ „Freilich. Wozu gibt es denn den Staatsbürger in Uniform?“ „Zur Verteidigung der Grundordnung, nehme ich an.“ „Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus.“ „Aber das war ernst gemeint!“ „Genau das macht Sie ja zum Staatsfeind.“

„Wenn die Bundeswehr jetzt Asylsuchenden hilft, dann ist das Dienst an der Demokratie?“ „Wir haben schließlich eine wehrhafte Demokratie, vergessen Sie das nicht.“ „Ja, ich weiß. Deshalb haben wir jetzt auch die ehemalige Sozialtrulla zur Verteidigungsministerin gemacht.“ „Ganz richtig. Die konnte an den Arbeitslosen schon mal üben, wie man mit den Negern umgeht.“ „Und die SPD hat bei beidem fröhlich mitgeholfen.“ „Witzbold! Sie haben nicht gewusst, wozu die Agenda 2010 da war?“ „Jedenfalls nicht zur Verteidigung der Demokratie.“ „Doch. Sie haben nur nicht schnell genug gemerkt, wer sie verteidigt, und gegen wen.“

„Jetzt stellen wir uns mal vor, ich sei einer von diesen Asylsuchern…“ „Bitte, wenn’s Ihnen Spaß macht?“ „… und ich komme gerade übers Meer. Ich habe also meine Papiere dabei und komme in die Kaserne und…“ „Das passiert leider immer wieder, aber dafür haben wir ja die Bundeswehr.“ „Damit die Anträge auch ordnungsgemäß aufgenommen werden?“ „Genau. Und dann lernen Sie auch gleich viel schneller, was Sie ohne eine in Deutschland ausgestellte Geburtsurkunde wert sind.“ „Das sind doch Klischees, ich werde mir…“ „Hören Sie mal, die Russlanddeutschen können das doch auch. Oder glauben Sie, wir haben seinerzeit den Iwan für nichts überfallen?“

„Das gaukelt uns doch nur wieder vor, dass wir einen Notfall haben.“ „Haben wir doch auch.“ „Wir haben zu viel Flüchtlinge? Dann überlegen Sie sich doch mal warum!“ „Muss ich gar nicht, wir haben zu viele Flüchtlinge.“ „Im Verhältnis zu den Sachbearbeitern, die man zur Bearbeitung der Asylanträge bräuchte…“ „… haben wir zu viele Flüchtlinge. Das zählt.“ „Und deshalb müssen wir die Leute zum Militär schicken!?“ „Das wird jeder Deutsche sofort begreifen, dass wir uns militärisch gegen diesen Massenansturm wappnen müssen. Sie haben selbst gesagt, wir haben zu viele Flüchtlinge. Da muss Deutschland aktiv werden.“ „Aber wir sorgen doch selbst dafür, dass wir so viele Flüchtlinge haben.“ „Eben. Auch die Bundeswehr ist Arbeitgeber, und wenn wir schon nicht militärisch eingreifen können, dann müssen wir doch wenigstens die zivilen Arbeitsplätze erhalten.“ „Den Bock als Gärtner?“ „Sie begreifen langsam. Haben Sie sich schon mal gefragt, warum wir die Energiewende ins Wirtschaftsministerium gelegt haben?“

„Und wie ist das mit der Beurteilung der Sachverhalte?“ „Verstehe ich nicht.“ „Sie müssen doch für einen Asylantrag wenigstens ein bisschen Ahnung von den Ländern haben.“ „Sie müssen doch als Bundesminister auch keine Ahnung von Ihrem Ressort haben.“ „Und komplexe Rechtszusammenhänge? politische Implikationen, die mit der Asylpolitik einhergehen? Von den Menschenrechten will ich gar nicht erst reden.“ „Eben deshalb lassen wir das ja vom Militär erledigen.“

„Dann ist diese ganze Sache nicht viel mehr als eine Arbeitsbeschaffung?“ „Systemstabilisierung, bitte. Wir wollen doch der Wahrheit die Ehre geben.“ „Meinetwegen, Systemstabilisierung. Aber hätte man nicht den Verwaltungswasserkopf der Bundeswehr auch für zivile Zwecke einsetzen können?“ „Aber nicht doch! Schließlich brauchen wir das Militär also solches.“ „Verstehe, in einer zunehmend militärisch geprägten Gesellschaft kann man die Verwaltungsstrukturen nicht früh genug festlegen.“ „Richtig. Und damit haben Sie auch verstanden, wie wir demnächst die übrigen Probleme in diesem Land lösen werden.“ „Probleme? welche Probleme?“ „Sehen Sie den Arbeitsmarkt und die innere Sicherheit etwas nicht als problematisch an?“

„Eine Schwierigkeit hätte ich damit noch.“ „Mit der Verfassung?“ „Im Gegenteil, mit der SPD.“ „Naja, das verstehe ich. Besonders in Hinblick auf diese Koalition.“ „Bei so vielen außenpolitisch wichtigen Fragen, die gerade von der Kanzlerin mit abgebügelt werden, warum erledigt diesen ganzen Asylkram nicht das Auswärtige Amt?“ „Sie wissen, dass das ein SPD-Ressort ist?“ „Und?“ „Wie war das noch mit dem Gärtner und dem Bock?“





Mutter der Kompanie

16 12 2013

„… als erste Frau das Verteidigungsressort zu leiten. Die Koalitionspartner hätten sich darauf geeinigt, von der Leyen in der…“

„… bereits einen Stahlhelm, den andere noch für eine Frisur gehalten hatten, auf dem…“

„… sich auf das Amt sehr freue. Die Vorstandsfrau der Christdemokraten habe bereits als Kandidatin für den Posten der Bundespräsidentin dasselbe Ziel verfolgt, nämlich viel von der Welt zu sehen und dabei einen bleibenden Eindruck von Deutschland zu…“

„… habe die CDU das Amt durchaus nicht als Notlösung an die ehemalige Sozialministerin gegeben. Diese habe sich bereits in so vielen Fachbereichen als unqualifiziert erwiesen, dass sie auf der Hardthöhe geradezu als ideale…“

„… dem Eindruck entgegengetreten sei, es habe sich um einen Angriff auf von der Leyen gehandelt. Die Entscheidung sei genau ausgewürfelt worden wie die Dauer von Pofallas Karenzzeit und der Neubesetzung der…“

„… für das Amt wie geschaffen. Parteifreunde hätten ihr bescheinigt, sich nicht mit Hindernissen wie der Wirklichkeit oder…“

„… den deutschen Soldaten wieder zu einem Botschafter des christlichen Glaubens zu machen, durchaus im Sinne eine mittelalterlichen…“

„… eventuell aus Gründen des Parteiproporzes in dies Amt geraten sein. Kritikern seien die Verhandlungsführer mit der Aussage begegnet, wenn Andrea Nahles trotz zwanzig Semestern Studium und bisher keiner nachweisbaren Erwerbsarbeit Bundesminister für Arbeit werde, sei das Verteidigungsministerium bei Ursula von der Leyen nicht wesentlich schlechter…“

„… durchgreifende Maßnahmen zu erwarten seien. Zunächst habe die Ministerin vor jeder Schießübung ein gemeinsames Gebet angeordnet, das jedoch auch mit der mangelhaften Ausstattung an Waffen und Munition…“

„… solle der deutsche Soldat nicht mehr rauchen und keinen Alkohol trinken. Die entsprechende Kürzung des Wehrsolds spare, so die Mutter der Kompanie, einen Betrag von…“

„… ob sie für die Führung der Truppe im Ernstfall geeignet sei. Beobachter hätten jedoch betätigt, dass von der Leyen dank ihrer Erfahrungen mit Mann und sieben Kindern eine militärisch zu verwertende Führungsrolle bereits…“

„… dass ein warmes Mittagessen als eher luxuriös gelte, um die Truppe im Kampfeinsatz zu stärken. Daneben wolle von der Leyen auf jeden Fall verhindern, dass ein Bildungspaket die Intelligenz der Söldner auf schädliche Weise…“

„… eine hervorragende PR-Fachfrau an der Spitze des Ministeriums. Dies sei nach eigener Aussage sicher viel wichtiger als militärische…“

„… sich freue, ein so wichtiges Amt mit ihrem persönliche Stil zu erfüllen. Vor allem wolle sie bei internationalen Konflikten eine gründliche Klärung durch Arbeitsgruppen und eine parteiinterne Diskussion aller beteiligten Gremien vor der Entscheidung unter Finanzierungsvorbehalt…“

„… falsch, dass es künftig auf jedem Truppenstützpunkt eine Kita geben solle. Vielmehr plane die Bundesregierung, sämtliche Krippen durch eine Frühförderung in Wehrsport und…“

„… der Gefahr einer technischen Kriegführung begegnen wolle. Von der Leyen habe daher beschlossen, das deutsche Interwebnetz zum Schutz vor Cyberangriffen und pazifistischer Propaganda mit einem Sperrfilter…“

„… die Innere Führung der Soldaten mit mehr persönlichen Erfahrungen prägen wolle. Stundenlanges Stehen in kaltem Wasser, Barfußlaufen durch Brennnesseln und andere Beweise der Hingebung an unseren lieben Herrn Jesus seien eine gute Vorbereitung auf dem…“

„… eine Frauenquote bei der Bundeswehr für möglich halte. Es sei jedoch vorerst nur geplant, Generalsdienstgrade und andere höhere Offiziersränge mit weiblichem Personal zu…“

„… auch zu zahlreichen Schließungen von Bundeswehrstandorten. Hier werde von der Leyen ihre Kompetenz für steigende Arbeitslosigkeit und sozialen Niedergang in ganz hervorragender Weise wieder einmal…“

„… keine Sorge, dass sich die Kompetenzen von de Maizière und von der Leyen nicht vereinbaren ließen. Der künftige Innenminister werde Erinnerungslücken bei sicherheitsrelevanten Themen haben, während Korruption, Verschwendung von Steuergeldern und mangelhaft informierte Vorgesetzte im Verteidigungsressort…“

„… auch mit verhältnismäßig geringem Etat zu bewerkstelligen. So werde für einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag bereits jetzt eine PR-Broschüre entworfen, die im kommenden Wahlkampf die Verdienste von der Leyens um die Rettung des christlichen Abendlandes vor den…“

„… könne sichergestellt werden, dass die deutsche Waffenindustrie nicht zu wenig Aufträge bekommen werde, wenn eine so engagierte Kämpferin gegen Demokratie und Grundgesetz…“

„… für mehr Sicherheit. Der Zugang zu bewaffneten Konflikten solle durch eine Chipkarte kontrolliert werden, die von der Firma einer ihrer zahlreichen Brüder…“

„… in Bundeswehrkreisen mit Gleichmut zur Kenntnis genommen worden sein. In Offizierskreisen heiße es, das Amt sei nach Struck ohnehin nur noch von Zivilversagern…“

„… den vollständigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan verwaltungstechnisch erheblich zu beschleunigen. Von der Leyen wolle 2014 einfach Stoppschilder an der afghanischen Grenze…“

„… auch Nachwuchsrekrutierung für die Freiwilligenarmee zu betreiben. Dazu werde sie gewaltverherrlichende Online-Spiele entwickeln lassen, die sie in den vorangegangenen Legislaturen bestens kennengelernt…“

„… sich gut vorstellen könne, nach ihrer erfolgreichen Zeit im Verteidigungsministerium als Kanzlerkandidatin der Union die…“

„… die Erhöhung des Solds um fünf Euro nicht länger als zwei Jahre zur genauen Berechnung…“

„… auf ausdrücklichen Wunsch der Kanzlerin ihren Schlauchboot-Ausflug in somalische Hoheitsgewässer ohne die Unterstützung der Bundesmarine absolvieren. Merkel habe Ursula von der Leyen das vollste Vertrauen…“





Schöne Bescherung

15 12 2013

Da schleicht der Michel durch das Haus,
es klappert in der Küche.
Frühmorgens sieht’s noch duster aus.
Der Weihnacht Wohlgerüche,
sie ziehen, fliegen, wehen rein,
man hascht und ahnt gerade,
sind’s Zimt und Nüsse, warmer Wein?
Ach nein, ’s ist Schokolade!
An jedem Morgen ihm zum Gruß
winkt Süßes als ein Hochgenuss.
Schon steigt er auf den Schemel drauf –
    Türchen auf!
    Türchen auf!

Was man ihm wohl zur Weihnacht gibt?
Sind’s prächtige Geschenke?
Er sehnt so manches, was er liebt –
ob man daran wohl denke?
Man sieht den Michel bass erstaunt:
nicht, was er einst begehrte.
Und dennoch bleibt er gut gelaunt,
statt, dass er sich beschwerte.
Jetzt tanzt er um den Weihnachtsbaum,
gedenkt der alten Wünsche kaum,
er nimmt das Neue gern in Kauf.
    Türchen auf!
    Türchen auf!

Wie prächtig alles vor ihm steht,
zu fein, um’s auszupacken!
Da nimmt sich Michel ein Paket.
Es schlägt ihm in den Nacken.
Koalition. Und SPD.
Der zweite der Versuche.
Das wirft er fort. Das ist passé.
Ein Reinfall wie im Buche.
Das war kein Jahr. Das wird kein Fest.
Er gibt mit Schnaps sich schnell den Rest,
dann hat die liebe Seele Ruh.
    Klappe zu.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CLXXII)

14 12 2013

Es streicht Jean-François in Minzac
mit Ölfarbe, Beize und Lack
mal glänzend, mal sehr matt.
Er trägt in der Werkstatt
dabei selten Blaumann. Nur Frack.

Marcelo in Ahuachapán
war dicht am Gesamtsieg schon dran,
dann sah er mit Schrecken
zwei schnellere Schnecken,
dass er anderntags nicht gewann.

Es schwärmt Mamadou aus Barie
seit langem schon so für Marie.
Er schenkte dem Schätzchen
nicht Hamster noch Kätzchen,
es blieb für sie beim Kanari.

Lisandro, der lief in Lanús
durchs Feuer. Das schmerzt nicht am Fuß,
doch schlug ihn die Gattin,
wo er lief, da trat in
die Folgen man: alles voll Ruß.

Es walkte Odette in Fumel
den Keksteig recht heftig und schnell.
„Wenn man sich verspätet
und nicht so schnell knetet,
es gibt viel zu viel die Krümel!“

Trajano sitzt in Buena Fé
im Winter halb nackt dort am See.
Er fühlt keine Kälte,
nichts gibt’s, was ihm fehlte.
Er hat nur mal einen im Tee.

Céline stand im Dunklen in Gurs
und fuchtelte ob des Getiers
von Mücken und Fliegen,
die schwirrend aufstiegen.
„Ich sehe sie nicht, doch ich spür’s!“





Sechs Zehn

13 12 2013

Freitagstexter

Sind eine mehr als sonst. Für den Freitagstexter spielt das natürlich keine Rolle. Auch Paarhufer nehmen hier die menschliche Anatomie kritisch unter die Lupe, was nach einer fundierten religionshistorischen Diskussion von Neon Wilderness zum dieswöchigen Pokal im Bildbeschreibungsspektakel führte. Wir werden diese Tradition weiterführen, koste es, was es wolle.

Wie immer ist dieser Wettstreit ohne die Fesseln der Konkurrenz überlebensfähig. Jeder schreibe, was er mag. Was sich nicht reimt, lang oder kurz ist, komische Oper oder dreisilbiges Wortspiel (auch mit Reim), das gefällt und ist daher ausdrücklich erlaubt. Mehrmalige Teilnahme ist dringend geboten. Wir machen das zur höheren Ehre des schrägen Humors, und der verträgt eine ganze Menge.

Beendet ist diese Kommentarsammlung am Dienstag, den 17. Dezember 2013 um 23:59 Uhr. Ein trockenes Surren des Bleistiftspitzers wird dann die Ergebnisfindung begleiten, und der siegreiche Text berechtigt bzw. verpflichtet zum Ausrichten der nächsten Runde.

Als Freund historischer Bilder habe ich nach langer Zeit wieder einmal ins Archiv der State Library of New South Wales gegriffen. Tierisch. Oder?





Traumurlaub

12 12 2013

Das also war das Reisebüro. „Unsere Spezialität“, betonte Fettcke. „Sie werden sich auf unseren Touren zu Hause fühlen, absolut zu Hause. Was daran liegt, dass Sie zu Hause sind.“

Mandy Schwidarski und mein sehr geschätzter Kollege Minnichkeit von Trends & Friends hatten mir den Hinweis gegeben, genauer gesagt: der Travel-Experte Maxim, der so viel reisen musste, dass er zu den Feiertagen nicht mehr reisen wollte. „Jeder reist zu den Feiertagen“, hatte Mandy gestöhnt, „weil die anderen zu den Feiertagen reisen, und die reisen, weil die anderen immer jammern, dass das Reisen an den Feiertagen so anstrengend ist, jedenfalls anstrengender als die Feiertage.“ So fasste ich den Plan, zum kommenden Weihnachtsfest zu verreisen. Oder auch nicht. „Wir verreisen Sie“, lächelte Fettcke. „Warum sollten Sie in einem schlechten, überfüllten Hotel genervt unter Genervten hocken, wenn Sie es sich doch auch auf dem Sofa gemütlich machen könnten?“ Natürlich spielte der Preisvorteil eine Rolle, andererseits war es schon verlockend, den Daheimgebliebenen zu zeigen, dass man gerade in der großen weiten Welt unterwegs war.

„Wenn Sie sich unser Sortiment anschauen möchten? London, Paris, die Malediven, Gnützburg an der Schlippe.“ Ich war beeindruckt. „Vielleicht nehme ich tatsächlich etwas Kleines, anderthalb Wochen im Hotel Royal dort dürften meinen finanziellen Möglichkeiten am ehesten entsprechen. Das wirkt sehr glaubwürdig.“ Fettcke faltete die Mappe auf. „Die Beschreibungen sind erstens sehr genau und werden ständig aktualisiert – hier sehen Sie beispielsweise einen Bildbericht über die Baustelle gegenüber des Landrat-Wübbepeter-Springbrunnens, die wie erwartet nicht in wenigen Tagen beendet war, sondern im kommenden Frühjahr ihr Silberjubiläum feiert, und der zweite Vorzug sind die ausführlichen Leitfäden, die Sie an die Hand bekommen.“ Man musste sich also nicht mehr auf die Reiseführer verlassen, die ja ohnehin einer vom anderen abschrieben, was das Zeug hielt, es gab Originalmaterial in Hülle und Fülle. „Das ist der Zoologische Garten“, stellte ich fest. Fettcke bestätigte es nach einem kurzen Blick. „Und da sehen Sie auch schon die Beschreibung der Müllkörbe, hier ist eine genaue Aufschlüsselung der Imbissbude am Bärengehege, einschließlich der einzelnen Mitarbeiter am Souvenirstand. Ihre Reiseberichte werden außergewöhnlich authentisch sein. Besser, als seien Sie selbst dorthin gefahren.“

Er reichte mir eine Checkliste. „Wenn Sie diese Formalitäten vielleicht erledigen würden? Das macht die Sache erheblich besser.“ Das allerdings verwirrt mich doch. Wozu musste ich meine Kamera abgeben und ein Telefon? „Ihre Lieben werden natürlich eine versehentlich abgesetzte SMS am Weihnachtsabend erhalten. Sie ordern ein Taxi, drücken aber irrtümlich auf die falsche Nummer – und wenn sie alle unter dem Weihnachtsbaum sitzen, werden sie den Querschläger lesen und an Sie denken. Sie aber haben nach Ihrer Rückkehr eine Geschichte zu erzählen.“ Fettcke schmunzelte. Ich begriff. „Wie beiläufig lasse ich ins Gespräch einfließen, dass ich eine Stunde auf meinen Wagen gewartet habe, und sie werden wissen, warum. Fettcke, Sie sind ja ein Genie!“ „Och“, errötete er, „man macht sich so seine Gedanken.“

Das mit der Kamera war schnell erklärt. „Wir drücken sie vertrauenswürdigen Touristen, die sich bei unserer Agentur ein kleines Zubrot zu den Reisekosten verdienen, in die Hand.“ „Dann knipsen die mit meinem Apparat sicher sämtliche Sehenswürdigkeiten“, schloss ich messerscharf, „genauso verwackelt und unscharf wie die billige Kamera, die man ihnen dalässt.“ „Und Sie haben eine Garantie“, erläuterte Fettcke, „dass Sie nicht die üblichen Postkartenansichten in perfekter Beleuchtung bekommen. Wir liefern Ihnen wirklich hundsmiserable Schnappschüsse mit unterirdischer Beleuchtung bei schlechtem Wetter. “ Ich händigte ihm die Kamera bereitwillig ein.

„À propos Postkarten.“ Fettcke schob mir einen Stapel über den Tisch. „Schreiben Sie schon einmal ein Dutzend, unsere Gewährsleute werden sie vor Ort einstecken. Sozusagen eine frankierende Maßnahme.“ „Ihr Service ist beeindruckend“, lobte ich. „Sie denken aber auch an alles!“ Einige Trinkgelder würden das Ihre tun; sollten Gäste nach mir fragen, das Hotelpersonal wüsste sofort, dass ich abends Kaffee trinke und öfters Opernkarten an die Rezeption senden lasse. Alles würde passen, ich bekäme ein lückenloses Alibi.

Er quittierte mir den Betrag und schob die Unterlagen über den Tisch. „Sie werden sehr zufrieden sein“, versprach Fettcke, „das ist eine gute Wahl.“ Über die Weihnachtstage würde ich einfach zu Hause bleiben, das Telefon stumm stellen und auf nichts reagieren. Morgen würde die imaginäre Fahrt beginnen, ich hatte also noch Zeit für einen kurzen Abstecher ins Kaufhaus, um Geschenkpapier zu besorgen. Sicher würde Hildegard nach ihrer Rückkehr eine Kleinigkeit zu schätzen wissen; gut, dass Minnichkeit beizeiten eine Flasche Parfum aus Mailand mitgebracht hatte. Da surrte plötzlich das Telefon in meiner Tasche. „75 Rue Saint-Louis en l’Île. Taxi, SVP.“ Sollte Sie etwa – ?