Gewissensfrei

11 12 2013

„Wie das dem Standort Deutschland nämlich schadet. Also der Wirtschaft jetzt. Der deutschen Wirtschaft. Was wollen Sie denn noch hören? Sonst reicht das doch für jeden Mist als Argument aus, warum denn nicht bei Abgeordnetenbestechung?

Wir sind hier auf einer Stufe mit dem Sudan und Nordkorea, aber wer will denn das? Das schadet dem Standort Deutschland ganz ungemein. Ach, wir machen das durch unsere Leistungsfähigkeit wieder wett? Weil die anderen dann schon glauben werden, was wir über uns selbst erzählen? Wir sind dann so eine Art Nordkorea mit Außenhandel, richtig?

Es geht einfach um Standards, wissen Sie? Wenn Deutschland die Antikorruptionskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert, sind wir endlich Teil einer großen Gemeinschaft, die sich zusammen um die… ach so. Das hatte ich nicht gewusst. Man muss wirklich ein negatives Vorbild spielen, damit man anderen Nationen, die das nachmachen, vorwerfen kann, dass sie das nachmachen? Das war mir jetzt nicht so klar.

Natürlich wegen der Gewissensfreiheit, die ein Parlamentarier so braucht, oder? Ja, das hatten Sie so schon gesagt. Ich verstehe das aber immer noch nicht, weil ich noch nicht gesehen habe, warum jetzt ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages größere Spielräume braucht als ein ganz normaler Beamter. Können Sie mir da helfen? vielleicht mit einem konkreten Beispiel, das auch ein Jurist versteht? Ach, Sie sind kein Jurist? Warum wundert mich das nicht?

Sie brauchen mehr Spielräume, als Ihnen die Gesetzgebung zubilligt? und damit Sie das legal ausnutzen können, sollen sich alle anderen innerhalb der Spielräume halten, die Sie für angemessen halten? Und Sie nennen das natürlich Demokratie, oder? Man wird ja wohl noch fragen dürfen. Wegen der Definitionen. Weil Sie die Beamten wegen ihrer Gesetzestreue in die Pflicht nehmen wollen, und dann sehen Sie sich im klaren Gegensatz zu den Beamten. Merken Sie das?

Weil Sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestages für Gewissensfreiheit sind. Durchaus verständlich, aber muss das dann immer heißen, dass Sie frei von Gewissen sind?

Sicherlich schwierig, Sie müssen ja immer auf mehreren Ebenen argumentieren. Beispielsweise wie Sie als Vertreter der Bundespolitik reagieren sollen, wenn Sie in Ihrem Wahlkreis von einem landesweit bekannten Lobbyisten einen Ferrari geschenkt bekommen. Ob man den jetzt nur im Wahlkreis fahren darf oder nur im steuerfreien Ausland, das will natürlich geklärt werden. Da haben Sie recht. Aber Sie meinen ja auch, wir haben ansonsten das Problem, nein: Sie hätten ansonsten das Problem, Sie müssten sich in Ihrer Rechtsauffassung immer danach richten, was Staatsanwälte für rechtlich zulässig hielten. Wenn es Sie trösten sollte: achtzig Millionen Deutsche müssen sich nach dem Staatsanwalt richten. Im Gegensatz zu Ihnen tun die meisten das übrigens.

Ach so. Gewissensfreiheit heißt in diesem Fall nicht gewisse Freiheiten. Ist ja eine staatsrechtliche Kategorie. Dann hieße das in Ihrem Fall, dass Sie Ihr Gewissen nicht an der Verfassung zu orientieren bereit sind. Was mir allerdings auch sehr viel logischer erscheint.

Moment, nicht wir haben uns beschwert, dass Deutschland auf den großen internationalen Korruptionskonferenzen überhaupt nicht eingeladen wird. Es gibt da zwei Wege. Sie müssten Ihr Fachwissen ein bisschen besser an den Mann bringen. Oder Sie müssten aufmerksamer lesen. Es sind Antikorruptionskonferenzen.

Immerhin haben Sie doch bald eine Regierung, die so tut, als täte sie so. Die wird das Problem doch klar erkennen und so tun, als hätte sie etwas erkannt. Und dann so tun. Als ob.

Wissen Sie, diese Durchleuchtung und diese Herumspeicherei von allem und jedem, ich finde das ja auch gar nicht so schlecht. Wenn man jetzt nämlich bei allen herausfinden würde, welche Kohle die woher kriegen, und wenn jeder wüsste, wer wem was zahlt, dann hätten wir auch viel weniger Skandale.

Weil Parlamentarismus, wie wir ihn gewohnt sind, so nicht mehr möglich wäre? Vielleicht wollen wir ja genau das. Vielleicht sind wir ja einen Parlamentarismus gewohnt, den wir nicht mehr wollen. Jedenfalls nicht so.

Seien Sie doch mal vernünftig. Sie müssen diesem Gesetz doch nur zustimmen, und Ihre Regierung tut doch auch schon so, als täte sie etwas. Oder ist Ihr Gewissen gerade frei von solchen Überlegungen? Oder meinen Sie, wenn Sie dem Ding zugestimmt haben, dann müssen Sie das Gesetz nicht auch noch befolgen? Können wir uns nicht einmal im Guten einigen? Muss man denn immerzu Druck ausüben auf das Parlament? Ist das wirklich die einzige Konstante, die sich durch sämtliche politischen Strömungen zieht?
Also: wie viel?“