Bullenstaat

19 12 2013

„Sie werden lachen, aber es macht uns allen sehr viel Freude. Eigentlich hat sich nicht viel verändert, der Chef ist wie früher, die Kollegen sind dieselben, der Job ist halt Verwaltung, und eigentlich fällt es gar nicht auf, dass wir alle woanders sind. Bis auf den Briefkopf mit ‚Landwirtschaft‘.

Seitdem der Friedrich nicht mehr Innenminister ist, haben wir endlich wieder richtig Spaß an der Arbeit. Und die letzten Jahre haben sich wirklich gelohnt, Sie werden sehen, wir werden ab jetzt dies Land viel sicherer machen. Sehr viel sicherer. So gut hätten wir früher nie arbeiten können.

Wenn sich früher einer mit Schlapphut in Ihrem Hinterhof herumgedrückt hätte, das wäre Ihnen doch sofort verdächtig vorgekommen, oder? Unser Außendienst heute hat Gummistiefel an und eine Harke dabei, und wir fahren mit dem Trecker, das ist zum Observieren viel unauffälliger als früher. Jedenfalls unauffälliger als die Kollegen vom BKA. Und der Chef hat ja eine sehr hohe Affinität zur Landwirtschaft. Der wird Supergrund und Boden beackern, das wird toll. Der Bock als Gärtner.

Übrigens sollten Sie nicht vergessen, dass wir jetzt auch für Forstwirtschaft zuständig sind. Waren Sie etwa damals im Wald, als die NSA Ihnen erzählt hat, wenn Sie etwas Geheimes zu besprechen hätten, dann sollten Sie sich halt in die Busche schlagen? Lauschiges Plätzchen? Würde ich jetzt nicht mehr empfehlen. Die heutigen Abhöranlagen lassen sich derart prima tarnen, die entdecken Sie nie. Und wir haben jede Menge von den Dingern aufgehängt. Wir hören das Gras wachsen.

Ländliche Entwicklung ist uns sehr wichtig, müssen Sie wissen. Noch immer ist Aufklärung ein rein städtisches Phänomen, und wir sehen einen deutlichen Trend der Terroristen und Gefährder, sich aufs Land zurückzuziehen. Überlegen Sie mal, wenn Sie ein paar Fässer Dünger für einen ordentlichen Sprengsatz lagern wollen, wo lagern Sie den? In der City oder auf dem Land? Eben, und mit unserer urbanen Präsenz haben wir das Land auch wieder attraktiv gemacht für terroristische Investitionen. Wir sehen schon ganze Landstriche in Bayern aufblühen – al-Qaida schleust massenhaft Schläfer ein, die das angenehme Klima des Alpenvorlandes genießen, möglicherweise mehrere Jahre lang, und in der Zeit konsumieren sie deutsche Produkte, zahlen Steuern und fördern die Regionen, und mit etwas Glück stolpert mal der Verfassungsschutz über eine von den Terrorzellen, ganz ausschließen lässt sich das ja nie. Genialer Plan, oder? Unsere Kanzlerin hat eben das richtige Händchen für konsequente Personalpolitik.

Wir haben ja auch fast die ganze Belegschaft mitgenommen, es arbeitet sich so viel entspannter. Die Abteilung für biobasierte Wirtschaft zum Beispiel, das waren früher die aus dem Referat für Angriffe mit B-Kampfstoffen. Ein Teil von denen ist wieder bei der Polizei, fragen Sie mich nicht, warum, aber die meisten forschen über Tomaten als Wurfgeschosse und solche Sachen. Und seitdem der Datenschutz jetzt ausgelagert ist an eine Fachkraft, die die Daten vor den dazugehörigen Bürgern schützt, können wir uns auch wieder mehr auf unsere Kernaufgaben konzentrieren, statt ständig über Landwirtschaft reden zu müssen.

Jedenfalls wird die Arbeit jetzt deutlich beschleunigt, und Rechtssicherheit haben wir auch. Früher mussten wir uns immer irgendwelche fadenscheinigen Lügen ausdenken, damit wir Bundesmittel für die nötigen Schmiergelder an die Rüstungsindustrie nach Bayern schleusen konnten. Dieser monatelange Papierkrieg, wir mussten komplizierte Terrorvideos drehen mit arabischen Sprechern ohne fränkischen Akzent, und dann zu jedem Weihnachtsfest diese künstliche Hysterie, dass man nicht mehr auf den Christkindlesmarkt darf, schrecklich ist das, wirklich schrecklich, aber jetzt sagen wir, wir brauchen Agrarsubventionen, und wo das Geld versickert, das interessiert doch in Berlin keine Sau. Und falls irgendwas sein sollte, wir schicken den Chef hin, der stellt keine Fragen, kriegt keine Antworten, und dann hat die liebe Seele Ruh. Hat bei der NSA geklappt, warum nicht auch beim nächsten Gammelfleischskandal?

Wirklich, es ist wundervoll. Der Chef ist auch viel entspannter. Wir können uns jetzt endlich mal um das Wichtigste in diesem Staat kümmern: den deutschen Bullen. Was glauben Sie, wie sich der Chef darauf gefreut hat. Jeder liegt in seiner Box, ist angekettet, wird hübsch gemästet, weiß nicht, wozu er überhaupt existiert, und alle haben sie einen Chip, von dem keiner weiß, was er macht. Der Mann hat eine Laune – dufte!

Allein für den Fischereiausschuss lohnt sich das ja. Weil da alle die wichtigen Sachen wie NSA oder Softwarepatente verhandelt werden – es geht schließlich um Abfischen, deshalb kümmert sich auch nicht der Umweltrat darum – und da kann sich der Chef prima einbringen und internationale Agrarpolitik machen. Also wer jetzt den Zuschlag für Genmais bekommt, der nicht als Genmais gekennzeichnet sein muss.

Und Neuzüchtungen, großartig! Diese kleinen Cocktailoliven mit den eingebauten Mikrofonen, die müssen wir jetzt nicht mehr einbauen, die wachsen gleich auf dem Baum. Also ich kann mich nicht beklagen, das läuft wirklich gut, sehr gut. Wollen wir mal sehen, vier Jahre, und dann wird ja das Verteidigungsministerium wieder frei.“