Zum guten Schluss nach gutem Brauch

20 12 2013

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wie gut, dass ich gerade nicht Bundeskanzler bin. Einerseits – nein, das muss wirklich nicht sein. Und andererseits, sollte mir vielleicht irgendein Missgeschick passieren, dann erschiene hier eine alte Grußbotschaft, und noch schlimmer wäre es, das fiele niemandem mehr auf.

Wie gut, dass ich gerade nicht Bundespräsident bin. Einerseits sondert der jetzige regelmäßig betuliches Zeugs ab, was ja seine hauptsächliche Aufgabe ist, grüßt dabei nicht unmotiviert von Afrika und seiner Frau oder fuchtelt herum vor der Fichte, hinter die er uns ansonsten führt. Und andererseits hält sich meine Lust in Grenzen, anderen Leuten beim Regieren zuzusehen und ihnen die Hausaufgaben unterschreiben zu müssen. Es gibt Angenehmeres.

Beispielsweise Weihnachten. Auch in diesem Jahr hat uns die Konsumgüterindustrie wieder den Wunsch ans Herz gelegt, fleißig einzukaufen, und so retten wir brav und folgsam Arbeitsplätze, wenngleich größtenteils in China, sofern es sich nicht um Aufsichtsratsvorsitzende und Vorstände handelt. Und Paketpacker im Versandbunker. Und Auslieferungsfahrer. Die können sich zwar keine neuen elektronischen Spielzeuge zum Fest der Liebe leisten, aber das bedeutet ja auch nur, dass die Wirtschaft theoretisch gesehen durchaus noch Wachstumspotenzial hätte. Und darauf kommt es schließlich an.

Im neuen Ministerium für digitalen Straßenbau grübeln vielleicht gerade ein paar Referatsleiter über der Frage, woran man ausländische Rentiere erkennt, weil die ja in absehbarer Zeit mautpflichtig sein werden. Das Problem sind sicher die deutschen Rentiere, denen man zuerst eine Plakette anpappen müsste. Deutsche Rentiere. Ein Fall für den Landwirtschaftsminister, der vermutlich alles registriert und überwacht, was nicht rechtzeitig wegläuft. Oder er kümmert sich gerade um den Krümmungsgrad des EU-Christbaums. Irgendwas muss man tun. Diese vier Jahre können sich sonst ganz schön ziehen.

Ich für meinen Teil bin ja schon zufrieden, wenn die Weihnachtsgans in diesem Jahr nicht aus dem Ofen wiehert. Wobei die Zusammenlegung von Verbraucherschutz- und Justizministerium in diesem Fall sogar einmal sinnvoll wäre. Sollte dies mit demselben Aufwand geschehen wie seinerzeit die Regulierung von Telefonwarteschleifen, wir wären vermutlich innerhalb weniger Monate im Paradies. Oder innerhalb einiger Jahre. Oder später. Oder wahrscheinlich gar nicht, aber der Weg dahin wird ganz nett gewesen sein.

Just habe ich den Versuch unternommen, meine Bekanntschaften mit Ministerposten zu versorgen. Man soll das nicht tun, ich weiß, denn man achtet ja schon wieder viel zu viel auf die angeblich so wichtigen Fachkompetenzen. Als ob ein Arzt einen guten Gesundheitsminister abgäbe. Der letzte Versuch war wohl eher humoristisch gemeint. Das würde Doktor Klengel auch noch hinkriegen, und da er die meisten Leiden mit Aspirin, Sitzbädern und Placebos vertreibt, ist auch die Seite der Kosteneinsparung bei ihm berücksichtigt.

Für den Wirtschaftsminister würde ich ohne Frage Herrn Breschke nominieren. Der Mann ist wirklich produktiv, es kommt zwar nichts Nennenswertes heraus, aber der Mann entfaltet ein fabelhaftes Getöse dabei. Dessen ungeachtet war er vor seiner Pensionierung Finanzbeamter mit Leib und Seele, weiß auch ein gutes Stückchen zu sparen, und doch, die sinn- und ziellose Entfaltung von Aufwand liegt ihm im Blut. Ein Superministerium wäre sicherlich ganz nach seinem Geschmack.

Dass Anne für das Justizwesen geeignet sei, halte ich für ein nicht bestätigtes Gerücht; sie wäre eine herausragende Verteidigungsministerin. Zwar ist sie nicht siebenfache Mutter (nichts läge ihr ferner), aber sie verbringt ihr Tagewerk damit, wüste Drohungen in Heißluft zu verwandeln und ist bei bewaffneten Konflikten sicher einschüchternd genug, dass sich potenzielle Gegner nicht mit einer ganzen Armee ihresgleichen anlegen wollen. Dazu wäre sie die erste kompetente Frau auf diesem Sessel. Es sei denn, Hildegard würde sich dafür interessieren. Dann könnten wir auch gleich auf die Bundeswehr verzichten, sie wütet etwaige Feinde im Alleingang weg. Allerdings würde sie sich berufsbedingt besser als Bildungsministerin machen, und sie wäre vermutlich die erste, die Kinderallergie als anerkannte Berufskrankheit für Pädagogen durchsetzen würde.

(Ich stehe gerade unter Beobachtung für meine frauenfeindlichen Äußerungen, also sage ich nicht, dass ich Sigune, die ihre Blumentöpfe nach Feng Shui ausrichtet und die Topfblumen mit linksdrehend gerührtem Informationswasser aus Vollmondabfüllung gießt, als Gedönsministerin für erste Wahl halte. Zumindest dann, wenn man das Gedönsministerium in der Qualität erhalten will, wie wir es von der letzten Sprechpuppe her gewohnt waren.)

Die Bückler-Brüder besetzt man am besten mit Innen und Außen. Ein cholerischer Erbsenzähler und ein schwatzhafter Tausendsassa. Wenn ich auch mit den Jahren merke, wie sie einander ähneln und der eine mehr und mehr vom anderen hat, dass sie sicher irgendwann die Plätze tauschen könnten. Nur bei Siebels bin ich mir sicher, den haut nichts vom Sockel. Der ist mit allen Wassern gewaschen und weiß zu gut, wie Medien funktionieren, also benutzte er sie auch so, wie er es will, und nicht, wie sie sich das vorgestellt hatten. Es könnte keinen besseren Kanzleramtsminister geben als ihn.

Und dann er, der Einzigartige, der mich seit Jahren begleitet. Dieser Virtuose der verbalen Axt, ein unbestechlicher Kritiker von soziologischer Bildung und rabiater Kraftentfaltung, der auch da verbrannte Erde hinterlässt, wo zuvor nur Beton war. Ich nehme an, Gernulf Olzheimer wäre es vollkommen egal, wer unter ihm den Kanzler spielt.

Dieses Jahr war eins der Verluste. Manche sind von der Bühne abgetreten, manche haben sich zurückgezogen, und eben in diesen Momenten blickt man erschüttert in den Spiegel und fragt sich: Hat man es bisher auch einigermaßen anständig gemacht, und: wird man es auch weiter mit Anstand hinkriegen? In diesem Lärm überhört man leicht, dass die Zeit immer noch nach Satire schreit, und wenn auch einige nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass die Politik längst den grausigen Humor überflüssig gemacht habe, eins muss man doch betrachten. Es wird scharf geschossen, doch das reicht nicht. Es kommt schließlich darauf an, wer auf wen zielt. Und ob der Schuss ins Schwarze trifft.

Wie gut, dass ich nicht Bundeskanzler bin. Ich müsste mich täglich ärgern, dass ich überhaupt nicht wüsste, was die Leute so sprächen, denn ich spräche ja nicht ihre Sprache, und dann wäre ich sicher dienstlich verpflichtet, nachts wachzuliegen, aber wie ich mich kenne, würde ich an Freude, Liebe, Ärger, Lyrik, Makkaroni, Normaltheater, Linden, Himbeerbonbons, Macht der Verhältnisse, Klatschen, Hundegebell und Champagner denken, und damit wäre doch nun wirklich niemandem gedient. Außerdem, wäre ich Bundeskanzler, ich hätte für dieses kleine literarische Kabinett keine Zeit mehr, und das wäre ja doch zu schade.

Ich rechne mit dem Schlimmsten, aber vielleicht wird es wieder nur ein furchtbarer Schlips, eine Flasche Brandbeschleuniger (Terpentin-Aprikosen-Aroma) und diverse Bücher, die man gelesen haben muss, weil man sonst nicht sagen kann, man gehöre zu jenen, die sie auch gelesen hätten. Ich rechne mit furchtbarem Geknalle, dass der Hund der Nachbarn heulend unters Sofa schießt. Irgendwann wäre statistisch wieder eine umkippende Blumenvase dran, aber ich kann mich da auch irren. Vielleicht kann ich sie auf Ostern verschieben. Es wird ein ruhiges Fest, abgesehen von dem visuellen Sondermüll, der durch die Fußgängerzonen der Städte rauscht, sowie den akustischen Traumata, die sich langsam aber sicher einstellen, wenn man sich unvorsichtigerweise in ein Auto setzt, das mit einem Radio ausgestattet ist, das sich zum Empfang von Dudelfunk eignet. Ich lasse mich inzwischen gleich an der Notfallambulanz absetzen und dort von einer beflissenen Schwester die Gehörgänge mit warmem Schmalz ausgießen. Es soll die Lebenserwartung deutlich verlängern.

Um alles das angemessen zu begehen, werde ich auch in diesem Jahr kurz innehalten und mich auf die wesentlichen Dinge besinnen. Am Donnerstag, den 2. Januar 2014, geht es dann weiter. Ich schätze, ich werde auch dann nicht Bundeskanzler sein.

Allen Leserinnen und Lesern, die dies Blog fast oder fast ganz immer und regelmäßiger als unregelmäßig oder doch nur manchmal oder aus Versehen gelesen, kommentiert oder weiterempfohlen haben, danke ich für ihre Treue und Aufmerksamkeit und wünsche, je nach Gusto, ein fröhliches, turbulentes, besinnliches, heiteres, genüssliches, entspanntes, friedvolles und ansonsten schönes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und ein gesundes, glückliches Neues Jahr.

Beste Grüße und Aufwiederlesen

bee