„Eine gute halbe Stunde, man muss ja auch mit Applaus zwischendurch rechnen. Ich mache Ihnen das Manuskript so weit fertig, dann müssen wir nur noch die Textbausteine zusammenhauen. Drei, vier Reden, und dann können wir erstmal wieder sehen, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert.
Vor allem klare Verhältnisse. Um Innenpolitik können wir uns hier kümmern, um Außenpolitik kümmern wir uns lieber im Ausland. Und da ist die Bundeswehr nun mal zu Hause. Und da wir ja alle der Meinung sind, dass die hegemoniale Phase Amerikas jetzt vorüber ist, dürfen wir die Welt nicht irgendwelchen kleinen, instabilen Mächten überlassen. China oder Russland oder so. Da muss man auch mal klare Worte wählen, ganz recht. Und dann mal sehen, bis wohin man uns marschieren lässt.
Nein, die Reihenfolge war durchaus okay. Erst Wirtschaft, dann Militär, das kann man als logische Folgerung durchgehen lassen. Schließlich ist die soziale Marktwirtschaft heute auch nichts anderes als Krieg, oder? Sicher, das müssen Sie schon betonen. Die Bundeswehr ist immer noch eine reine Verteidigungsarmee. Aber es steht ja nicht im Grundgesetz, was wir damit verteidigen, oder? Außerdem ist das ungefährlicher. Wenn Sie sich nicht zu politischen Fragen äußern, sondern nur zur globalen Wirtschaft, dann ist das natürlich sehr viel unverdächtiger. Wollte ich nur mal so anmerken.
Humanität, das ist das Stichwort. Die deutsche Bundeswehr leistet humanitäre Dienste am deutschen Volk. Und ansonsten weiche Wortwahl würde ich vorschlagen. Nicht so sehr auf die Fehler der Vergangenheit fokussieren, mehr auf die der Zukunft, auf die Zukunft, wollte ich sagen. Mehr Mut, verstehen Sie? Neues Deutschland. Dann noch ein paar Absätze Freiheit und so Zeugs halt, das hören die Leute ja immer gerne, und dann kann man den historisch-kritischen Teil auch mal gut sein lassen. Es soll doch niemand behaupten, wir Deutschen wollten immer nur über uns selbst sprechen.
Und dann auch wieder öfter mal betonen, dass Ungerechtigkeit gerade dort gedeiht, wo Wettbewerb eingeschränkt wird. Das kommt immer gut. Doch, das muss sein. Schließlich haben wir als Waffenexporteur keine Monopolstellung auf alle Krisengebiete dieser Welt. Mehr Waffen für die Stabilitätsanker im arabischen Raum, die uns im Gegenzug mit den nötigen Terroristen versorgen, ohne die wir diese Demokratie einführen müssten. Mehr Mut zum Wettbewerb in der Wahl der politischen Systeme. Das Kind muss doch einen Namen haben.
Ich würde auch mehr herausarbeiten, dass man unsere amerikanischen Freunde und den globalen Kapitalismus nicht immer als große Bedrohung ansieht. Die wollen doch nur spielen. Also an der Börse größtenteils, aber immerhin. Und dann sind das ja vor allem Botschafter des Friedens, das muss man auch mal so klar und deutlich sagen. Frieden und marktkonforme Demokratie. Kuba, Vietnam, Chile, Afghanistan, der Irak, und der Iran wartet noch sehnsüchtig. Aber wir schreiben ja keinen ab.
Sie sollten sich auch mal sozial äußern. Das kommt an. Wir haben das beste Deutschland, das ist die frohe Botschaft. Uns geht’s total dufte. Immer mehr Arbeitnehmer zahlen Steuern und können die Staatsschulden schultern. Immer mehr Kommunen sind in der Lage, eine Tafel für Vollzeitbeschäftigte zu unterhalten. Weniger Lehrer in den Schulen geben den jungen Menschen viel mehr Freiheit, sich in einer Gesellschaft mit zunehmenden Herausforderungen zu beweisen, wovon letztlich auch unsere Bundeswehr profitieren wird, denn wer nimmt einen sonst noch ohne Schulabschluss. Wir haben Tausende von Arbeitsplätzen zu besetzen, beispielsweise bei der Polizei, und das wird auch noch lange so bleiben. Unsere Psychiatrien sind die besten der Welt, hier sitzt jeder gerne länger ein. Und das ist auch gut so. Meinen Sie nicht, dass das für ein gesundes Nationalbewusstsein sorgen wird?
Klar Stellung beziehen, das ist unserer Aufgabe. Massenmord, Völkermord, Gewaltexzesse dürfen einfach nicht mehr stattfinden. Zumindest nicht ohne technische oder personelle Unterstützung aus unseren Ressourcen. Klar Stellung beziehen, im Zweifel Gefechtsstellung. Deutsches Wesen. Wir haben eine Verantwortung, und wenn die Völker dieser Welt das nicht einsehen wollen, dann gibt’s halt eins aufs Maul. Wir vertreten eine wehrhafte Demokratie, nein: wir sind wehrhaft und Vertreter, und wir haben die Demokratie, und wir kennen deren Eckpfeiler, den freien Markt und den freien Wettbewerb.
Vor allem in Konfliktsituationen sollten wir sehr präsent sein. Das muss ganz deutlich werden. Zum Beispiel, wenn es in einigen Entwicklungsländern zwar gut läuft, aber trotzdem keine Bodenschätze zu holen sind. Das führt nun mal zu Spannungen, und da dürfen wir niemanden alleine lassen. Weder die Waffenindustrie noch unsere transatlantischen Verbündeten. Man weiß ja nie.
Alles klar, dann mache ich das mal so fertig. Ach ja, und nicht vergessen, Herr Bundespräsident: nächste Woche sind wir in Tel Aviv!“
Satzspiegel