Arbeitnehmerüberlassung

5 02 2014

„Haben Sie Ihre Unterlagen dabei? Sehr gut. Ich kopiere mir die mal eben, dann können wir alles in Ruhe besprechen. Sie wollen doch einen guten Job, oder? Na sehen Sie. Und genau dafür sind wir ja da. Auch in Ihrem Berufsfeld.

Ihr Lebenslauf liest sich ja schon mal ganz interessant. Was genau war das hier? Ach so, Geheimhaltungsstufe. Das müssen wir wohl selbst aufklären. Oder wir setzen einen Kollegen darauf an. Aber Sie wissen ja selbst, die kriegen auch nicht immer alles raus. So ist das halt bei den Geheimdiensten.

Doch, wir sind eine sehr gemischte Truppe. Alle Schattierungen. Die ältesten sind noch aus Bonn, und eine ganze Reihe von den Veteranen haben noch bei der Stasi gearbeitet. Alte Schule, wissen Sie. Die haben noch von der Pike auf gelernt. Die haben sogar noch die MfS-Aufnahmeprüfung gemacht: aus drei Metern Abstand an einer Betonwand hochspringen und mit dem Ohr daran festsaugen. Haben Sie das schon mal gesehen? Beeindruckend, kann ich nur sagen. Wirklich beeindruckend. Aber wie gesagt, die Lage hat sich geändert, wir müssen auch unter Mäntelchen nach dem Winde drehen, und dann geht man schon mal neue Wege.

Zeitarbeit, das ist der neue Trend. Schließlich finden damit immer mehr Bürger einen Job. Sagt die Bundesagentur. Und die muss es ja wissen. Wir haben die Aufgaben gebündelt, und jetzt verteilen wir sie wieder und bringen sie zu den Fachkräften. Das ist unser Erfolgsmodell für mehr Sicherheit und gute Zusammenarbeit mit den regierenden Behörden in diesem Land.

Das heißt eigentlich Arbeitnehmerüberlassung. Sie sind ja der Arbeitnehmer, und deshalb überlassen wir Ihnen auch, wie Sie mit der Arbeit zurechtkommen. Wenn Sie es schaffen, okay. Wenn nicht, haben wir auch kein Problem damit.

Schauen Sie, die Arbeitsweise ist doch letztlich immer dieselbe. Wir können Sie recht flexibel einsetzen, beim Bundnachrichtendienst, beim Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt nimmt immer gerne Leute von uns, und wenn Sie richtig gut sind, haben wir vielleicht sogar etwas in der Privatwirtschaft. Deswegen arbeiten Sie bei uns auch grundsätzlich als verdeckter Ermittler. Das heißt, wir halten uns über den Auftraggeber total bedeckt. Für Sie ist es ja letztlich egal, für wen Sie eine Umweltschutzgruppe infiltrieren oder eine basisdemokratische Kleinpartei. Sie liefern Ihre Ergebnisse bei uns ab, wir kümmern uns um den Rest. Und wenn man Sie fragt, wissen Sie von nichts. Ist das nicht praktisch?

Außerdem ist unser Auftraggeber in den meisten Fällen sowieso der Staat. Theoretisch könnte es also auch schon mal passieren, dass Sie für den Inlandsgeheimdienst arbeiten, und ihre Ergebnisse landen dann durch einen dummen Zufall bei der Polizei. Sie sind natürlich völlig straffrei, aber Sie wissen ja eh von nichts. Das gehört ja nun mal zu Ihrem Berufsbild, oder?

Wir hätten hier beispielsweise eine Bürgerinitiative im Sauerland, die müsste man mal unter die Lupe nehmen. Ja, weil die bisher keiner unter die Lupe genommen hat. Da sind zwei Ex-Kommunisten drin, Lehrer natürlich, einer war mit einem Gründungsmitglied der Grünen zusammen, das muss so gegen 1990 gewesen sein, und dann ist da eine Pastorin, die macht so Treffs gegen Rechte. Nein, verboten ist das natürlich nicht, aber man darf ja wohl noch mal nachsehen, ob die nicht doch irgendwas aushecken? Sie kriegen von uns eine Legende verpasst, Hippie aus Berlin, mehrere Jahre Knast wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Steuerhinterziehung – nee, das nehmen wir mal besser raus, sonst hält man Sie noch für elitär und Ihre Tarnung kippt auf. Also Sie gehen da in diese Truppe rein, liefern regelmäßig Ihre Berichte ab, und dann ziehen wir Sie nach vier Wochen wieder ab.

Nein, das ist nicht so wichtig. Deshalb heißt es ja Zeitarbeit. Sie sind nach vier Wochen raus, und wenn Sie da nichts geschafft haben, schicken wir den nächsten. Ihr Gehalt? das kommt doch vom Steuerzahler. Da ist mir doch völlig egal, wie effektiv Sie hier arbeiten. Meinetwegen brauchen Sie auch gar nichts zu tun. Mir ist das auch wurst, was Sie in Ihre Berichte schreiben, ich muss das Zeug ja nicht lesen. Also hören Sie mal! Sie haben doch schon mal beim Geheimdienst gearbeitet, was stellen Sie sich denn jetzt so an?

Dann würde ich doch mal sagen, Sie bringen sich vielleicht für eine Demo in zwei bis drei Wochen in Stellung. Hier haben Sie schon mal die Stadtpläne und ein paar Adressen, WG-Zimmer, ein paar Kneipen, wo Sie sich radikalisieren können, Sie werden natürlich zur Tarnung auch bei denen leben, und dann schauen Sie mal, ob Sie Erkenntnisse über etwaig geplante Straftaten gewinnen. Oder Sie planen eben selbst welche. Dürfte Ihnen aus der Zeit als V-Mann ja nicht ganz unbekannt sein.

Also Sie fangen bei uns an? Großartig. Dann haben Sie eine große Zukunft mit Aufstiegschancen vor sich. Wir arbeiten mit den besten Leuten zusammen. Sie werden schon sehen, es lohnt sich für Sie. Und wenn Sie sich bewähren, dann kommen Sie vielleicht sogar zur NSA.“