Parzival und Jeschûte. Drei kleine Variationen Wolframs von Eschenbach (I): Paddelwal im Hotel oder Verlobung mit Folgen

9 02 2014

(aus: Joachim Blindschleich, Kuddel Paddelwal)

So gegen zehn an der Pier von Le Haver,
da jumpte Paddel, stocknüchtern auf Ehre, aufs feste Land.
Er roch noch ein bisschen streng wie Haifischkadaver,
doch das kam von der See und war ihm bekannt.
Also trank er einige Grogs zum Gin
und schlenderte langsam zur dicken Jenny hin
(nicht die Jenny, die andre, das war seine feste Braut),
doch da hatten sie jetzt ein Hotel hingebaut.
Noch im letzten Jahr, da kam er von Hawaii,
da hatte er bei der dicken Jenny alles entzwei
gehaun. Und statt der alten Bretterbude
stand da nun der noble Schuppen: „Chez Jeschûte“.
Man los und man rein, rauf auf den Kutter,
das hatte Old Sailorboy Paddel von seiner lieben Mutter.
Er hievte seinen Seesack mitten auf den Tresen rauf
und läutete erstmal die kleine Klingel dazu.
Die Rechnung dafür, die setzte man ihm gleich zum andern drauf.
Das war er so gewohnt seit seiner Mutter in Anjou.
Die Dame des Hauses, die sagte: „Nun müssen Sie bitte hier unterschreiben.“
Donnerwetter, dachte sich Paddel, das ist mal ein Weib!
„Wie viele Nächte wollen Sie denn in unserem Hause bleiben?“
„Ich dachte“, sprach Paddel verlegen, „dass ich fürs Erste mal bei Ihnen bleib.“
Und setzte sich neben den Tresen aufs Zobelkanapee.
Dazwischen geriet ihm sein Seesack mit den beiden Kohlenzangen.
Das tat ihm aber eigentlich nicht so richtig weh,
und so tat er sehr nett und höflich zu plaudern anfangen.
Dass er grad von Pernambuco käme und weiter wollte nach Schanghai,
und er hätte so lange gewartet auf seine liebe Braut,
und dass sie ihm diesmal sicher die Kiemen einhaut,
denn er hätte zur Verlobung wieder nichts Richtiges dabei.
Zum Schenken nämlich. Das wär doch so Sitte.
Und dann schielte er nach der Frau Wirtin Mitte.
Das war sicher der schwedische Köm nach dem Grog, der ging
dem Paddelwal ganz gut hinein in den Schädel.
Da fing er an: „Hör mal zu, altes Mädel,
was hältst Du davon, wenn ich Dir was schenk für den Ring?
Pass mal auf, da wirst Du Augen wie Seeigel machen!“
Paddel kramte im Sack nach Sachen,
die gar nicht gut aussahn und merkwürdig rochen.
Eine Schnupftabakdose aus Walfischknochen,
eine Salbe, die wirkte vorzüglich bei Krätze,
ein Notizbuch, sechs Wanzen und andere Schätze.
(Oho, das Buch, das war außerhalb
voll und ganz bezogen mit tätowiertem Eskimoskalp!)
Das schätzte die Dame eher noch geringer.
Paddel zog ihr den Ring aber einfach vom Finger
und strahlte: „Na bitte, was soll das schlechte Leben!
Und nun lass uns den Tausch begießen, min Deern, und zusammen einen heben!“
Er fegte noch rasch eine Vase fort, die sich vor ihm befand,
und fluchte: „Ach bladdi merde!“ So zeigte er, dass er auch Französisch verstand.
Da fiel Paddel sein Blick aufs Büfett,
und plötzlich sah er auf silberner Platte
ein Rebhuhn und noch eins, „Na besser als Ratte!“
schmatzte Paddel und fraß es weg. Dann kam er wieder aufs Kanapee.
„Ach weißt Du, ich schenk Dir die Kohlenzange
aus Rio, und noch das Japangeschirr
aus Dings, aus Kiautschau, und Du gibst mir die Spange
für meine Braut als Hochzeitsgeschenk dafür!“
Das fand die Dame dann doch zu vertraut.
Sie rückte zur Seite und fing an zu schwitzen,
doch Paddel, der wollte partu für die Braut
etwas Schönes von Silber aus Frankreich besitzen.
„Nu zier Dich man nicht, kriegst auch einen Kuss!“
Schon kletterte Paddel bei ihr in die Brassen,
da tat sich die Tür auf. Rein kam Herr Orilus,
der räusperte sich: „Ich muss Sie doch bitten, die Dame nicht anzufassen!
Das hat ja nun gar nichts von Politesse!“
Paddel schwankte, weil er keine Reling fand.
Er lallte noch: „Sanoffebitsch, halt die Fresse!“
Und flog, Bug voran, aus dem Haus von Laland.
Für Jenny, die Braut nämlich, kaufte er froh
am Hafen ein Jäckchen aus Rentierhaar
von einem Matrosen aus Mexiko.
Das bracht er ihr mit aus Afrika.