„Hallo? Beratungsding für… hier, na! ’tschuldigung, ich muss mal eben – Beratungsstelle für aussteigewillige Autonome, tut mir Leid, wir hatten noch nie einen Anruf, und ich kann mir den Quark einfach nicht merken.
Was denken Sie denn? Natürlich ist das hier alles ernst gemeint. Das ist zwar der größte Schwachsinn aller Zeiten, aber wenn eine Regierung unter dieser Kanzlerin das macht, dann ist das ernst gemeint. Wir sind wirklich die telefonische Beratungsstelle für Linke, die aus der Szene aussteigen wollen. Hier ruft zwar kein Schwein an, aber es ist absolut ernst gemeint. Echt.
Aber reden wir lieber von Ihnen. Sie sind also so ein echter Linksradikaler? Nö, ich frage nur aus Interesse. Wir hatten unsere Schulungen damals direkt bei der Schröder, und die hat nachweislich noch nie einen Linken gesehen. Sie sind also linksradikal? Was macht man denn da so den ganzen Tag? Man hat Ärger mit der Polizei? Ja, das kann ich mir vorstellen. Wieso eigentlich? Weil die denken, man sei links? Ist das denn etwa ein Verbrechen? Ach so, die Polizei weiß das auch nicht so genau? Wieder was gelernt.
Ich bin ja damals dafür gewesen, dass wir auch von den anderen Linken angerufen werden können. Von denen, die links sind, aber nichts aussteigen wollen. Dann hätten wir da wenigstens mal ein paar Sachen gelernt. Über Rechte, da weiß man ja ganz gut Bescheid. NSU, Sarrazin, die AfD, Anschauungsmaterial gibt es genug. Aber wenn Sie partout nicht wissen, was das eigentlich für Leute sind, da werden Sie schon leicht verunsichert. Und da heißt es immer, Weiterbildung sei so wichtig heutzutage – da brennen ein paar Autos im Wahlkampf, weil das teure Limousinen sind, ist so ein Autobrand natürlich immer gleich eine politische Straftat, und am Ende war’s ein verwirrter Fundamentalchrist mit Liebeskummer. Ist doch kein Wunder, wenn wir hier gar nicht wissen, wie wir auf unser Klientel reagieren sollen.
Nein, das nun auch wieder nicht. Uns geht’s so weit eigentlich gut, was sage ich: dufte, uns geht’s hier richtig dufte. Ganz neue Telefone, hat ja auch noch nie einer angerufen, und super Drehstühle, und diese neuen hochauflösenden Monitore mit Breitwand und alles, und die Lampen hier und der Teppichboden – also wenn ich der Limburger Bischof wäre, ich würde ja gelb vor Neid! Nein, das ist schon richtig dufte hier. Da hat die Schröder eine Mörderkohle reingesteckt. Damit von den ganzen Initiativen gegen Neonazis keiner zu viel abkriegt. Und natürlich auch, damit wir in zehn Jahren immer noch wissen, was für eine hohle Nuss diese Hesseneule war.
Aber reden wir lieber von… Ja, das hatten wir schon. Unser Gesprächsleitfaden ist auch nicht der beste, und unser rhetorisches Training – na, ich würde das jetzt nicht als rhetorisch bezeichnen wollen. Das ist so ungefähr auf CDU-Niveau. Aber so um 1950, wenn Sie wissen, was ich meine. Da ist nicht viel zu holen.
Haben Sie denn in Ihrer Organisation eine Leitungsfunktion? üben Sie ideologischen Einfluss auf Ihre Gesinnungsgenossen aus? Hm, ja. Und wie oft in der Woche üben Sie Gewalt aus, strukturelle Gewalt gegen Organe des Staates eingerechnet? Ja, habe ich. Und wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden? Zeitungsanzeige, Werbung in anderen Internetforen, Selbsthilfegruppe, Rechtsanwalt, Kontakt im Justizvollzug?
An sich würde ich Ihnen jetzt helfen, einen Job zu suchen. Aber Sie haben ja schon einen. Wohnung auch? Dann kann ich mit meinem ganzheitlichen Ansatz leider nicht viel für Sie tun. Sie sind zwar irgendwie links oder autonom oder so, aber nicht total in der Illegalität, und da sind mir die Hände gebunden. Kronzeugenregelung? Weiß ich nichts von. Also wenn Sie jetzt auch mal ein Auto in Brand gesteckt haben, dann müssen Sie schon in den Knast. Das Gesetz gilt auch für Linke. Sie sind ja kein Nazi, oder?
Unser Extremismuskonzept ist da sehr, wie soll ich sagen, nicht so ganz schlüssig. Wenn Sie jetzt wirklich sehr tief in der autonomen Szene drin sind, dann müssten Sie eigentlich erst mal aussteigen, damit wir Ihnen helfen können. Also beim Ausstieg aus der Szene. Und wenn wir Ihnen da einen eigenen Führungsoffizier vom Verfassungsschutz hinstellen, dann hilft Ihnen das auch nicht weiter. Aber unser Extremismuskonzept ist halt so. Haben Sie denn wenigstens schon mal eine politische Straftat begangen? Flugblätter verteilt? auf einer Demo? War die denn angemeldet? Hm, ich fürchte, das könnte nicht gut ausgehen. Am Ende war das alles legal, weil ein Amtsrichter das abgesegnet hat, Versammlungsfreiheit und so, und dann haben Sie gar keinen Dreck am Stecken. Das muss nichts heißen. Wenn die Polizei Sie einkesselt, ist das nicht unbedingt gut. Das kann auch sein, dass ein Gericht das als illegal bezeichnet. Das dauert schon mal ein paar Jahre, aber es passiert halt immer wieder. Kann man nichts machen.
Ach, wissen Sie was? Wir probieren das jetzt einfach mal. Sie sind mein erster aussteigewilliger Anrufer, und ich werde Sie da jetzt aus Ihrem grundgesetzfeindlichen Milieu rausholen. Ja, ich mach das. Verlassen Sie sich auf mich, ich werde Sie in die Gesellschaft zurückführen, in die politische Mehrheitsgesellschaft, in der wir alle gemeinsam als Demokraten – als Demokraten… Mist, hier fehlt auch schon wieder eine Seite im Gesprächsleitfaden. Wo sind Sie denn genau? Revolutionäre Zellen? militante gruppe? Wie jetzt? In der SPD? Wollen Sie mich verarschen!? Ich sabbel mir hier die Lunge aus dem… –
Aufgelegt. Scheißjob.“
Satzspiegel