„Oder ein bisschen Brokkoli. Wir empfehlen ja bei entzündlichen Veränderungen immer ein bisschen Brokkoli, das ist viel gesünder als Antibiotika. Kommt auf dasselbe heraus, aber es schmeckt halt doch etwas besser. Gut, nicht gerade Brokkoli. Aber sonst halt so.
Die Bundesregierung hatte sich das ausdenken wollen, aber die Pharmalobby war halt schneller. War eigentlich klar, weil: wo sitzen wohl die Leute mit mehr IQ in der Schüssel? Eben. Und dann kam das Verbraucherschutzministerium und guckte in die Röhre, wie sonst halt auch, und dann kamen die Brokkoliproduzenten und die andern von der chemischen Industrie, und jetzt verschreiben wir Brokkoli bei Tennisarm. Oder wenn man mal zu viel hustet. Das ist ja auch total gesund. Sogar die Grünen fanden das gut. Auch wenn sie es vorsichtshalber gar nicht gelesen haben.
Sie kennen das doch auch. Functional Food heißt das jetzt. Nährwert war früher, jetzt ist Mehrwert. Tofuwurst gegen Schweißfüße. Jedenfalls muss man das entsprechend vermarkten, und da kommen wir als Regulierungsbehörde ins Spiel. Beziehungsweise eben nicht, weil wir nichts mehr regulieren. Das machen moderne Regulierungsbehörden halt so. Wir regulieren uns dann nur einmal selbst. Und wenn wir sehen, dass wir da die Nahrungsmittelhersteller unterstützen können, dann fördern wir natürlich die Interessen der Verbraucher, indem wir die Interessen der Wirtschaft nicht unnötig einschränken.
Früher mussten Sie bei einer fiebrigen Erkältung noch Hühnersuppe löffeln. Kennen Sie doch auch noch? Heute ist es so, wenn Sie oft genug Hühnchen zu sich nehmen, bekommen Sie gar nicht erst einen grippalen Infekt. Geschickt, nicht wahr? Die Geflügelzüchter haben da lange dran gearbeitet, damit die Dosis stimmt. Also die, mit der man nicht gegen die Vorschriften verstößt, und dann teilweise natürlich auch noch die für den Tierschutz. Man muss sich auch dagegen schützen, dass die Tiere zu oft zu jung während der Mast schon eingehen. Oder irgendwie verhaltensauffällig werden. So ein manisch-depressiver Broiler, ich sag’s Ihnen, das ist kein schöner Anblick.
Schwere Fälle kriegen bei uns Spinat. Oder Fischstäbchen. Die können Sie ja inzwischen sogar als Fieberthermometer verwenden.
Wie gesagt, die Geflügelzucht. Man kann da auch sehr gezielt mit Anreicherung arbeiten, die Innereien bieten sich dazu ja an. Kalbsleberwurst gegen Schleimhautprobleme, haben Sie das schon mal versucht? Wobei es jetzt auch nur von der Dosierung her interessiert, wo Sie das Zeug auftragen. Geschmacklich ist das eh dasselbe. Oder Nierenbraten gegen Probleme mit dem Fettstoffwechsel, ich finde, das hat schon fast etwas Homöopathisches. Es wirkt auch nur, wenn man daran glaubt. Für uns ein ganz toller Durchbruch.
Sekundäre Pflanzenstoffe haben wir jetzt auch im Programm. Nicht das, was Sie meinen. Wir haben das ja früher als Gemüseabfall bezeichnet. Aber es ist gut für Abwehrreaktionen. Wenn Sie das einmal probiert haben, werden Sie feststellen, dass Ihr Abwehrmechanismus noch ganz gut funktioniert. Gegen unsere sekundären Pflanzenstoffe.
Als Fernziel schwebt uns schon noch so eine Art paneuropäisches Fast Food vor. Vanillecreme zur raschen Schmerzlinderung, Salat mit letzter Ölung. Und wenn gar nichts mehr geht, eine Portion Notfallpommes aus der Majo-Klinik.
Auf Wunsch kriegen Sie alle unsere Rezepturen auch als Smoothies. Das ist allgemein verträglicher, auch für Kinder und besonders gesundheitsbewusste Verbraucher. Wenn Sie beim Anblick von Gammelfleisch zu Übelkeit neigen, würden Sie auch die Darreichungsform als Hackbraten bevorzugen.
Wir müssen das natürlich noch durchs Europäische Parlament durchbringen, weil wir eine standardisierte Medikation nach EU-Grenzwerten brauchen. Damit Herzinfarktpatienten aus Irland in Italien spanischen Sauerampfer lutschen können, ohne zu hohe Bürokratiekosten zu verursachen. Das sind doch die wahren Feinde der Volksgesundheit, oder?
Auf der anderen Seite zahlen Eiweißkonzerne auch nicht schlecht. Früher mussten Sie sich noch die ganzen Shakes reinpfeifen, wenn Sie in die Muckibude gehen. Wir arbeiten jetzt an einem Steakoiden. Das ist so eine Art Proteinriegel zum Grillen, wirkt im Bizeps und greift die Birne nicht mehr an als unbedingt nötig. Das kriegen Sie mit Gensoja nie hin. Und es wirkt.
Gut, wir wissen nur, wie es innerhalb der ersten sechs Monate wirkt. Wenn Ihnen in zehn Jahren ein drittes Bein am Hintern wächst, haben Sie halt Pech gehabt. Aber wenn wir uns linear weiterentwickeln sollten, kriegen wir das dann auch wieder weg. Wahrscheinlich mit Brokkoli.“
Satzspiegel