Go West

16 04 2014

„Ausgeschlossen, das machen wir nicht. Es ist ganz klar, dass wir als souveräner Staat jeden Zeugen verhören, den wir zur Aufklärung feindlicher Angriffe vorladen können, aber das heißt noch lange nicht, dass wir das auch wollen. Oder den feindlichen Angriff auf uns auch als feindlichen Angriff betrachten, oder uns als souveränen Staat. Sie müssen das alles mal differenzierter sehen.

Wir können nicht für die Sicherheit von Herrn Snowden garantieren, verstehen Sie? Das geht einfach nicht. Wir sind nämlich ein Rechtsstaat, und als solcher müssen wir für alle Bürgerinnen und Bürger das Supergrundrecht auf Sicherheit, also das müssen wir, das werden Sie ja wohl verstehen, weil das ein Grundrecht ist, und in einem Rechtsstaat gibt es Grundrechte, und deshalb ist es auch ein Rechtsstaat. Wenn Sie das abschaffen wollen, dann können Sie es gerne probieren, aber dann frage ich mich, warum Sie eigentlich Herrn Snowden dazu nach Deutschland bringen müssen.

Noch mal, wir können für die Sicherheit von Herrn Snowden nicht garantieren. Doch, könnten wir schon, aber dann können wir sonst für gar nichts mehr garantieren. Vor allem nicht für die Sicherheit der Kanzlerin.

Das hat nichts mit dem Völkerrecht zu tun, dafür sind wir gar nicht zuständig. Das machen die Staaten und so, aber nicht die Regierung. Und deshalb können wir als Regierung ja auch nicht einfach die ganzen Vereinigten Staaten haftbar machen, das wäre völlig falsch, und wir sind nun mal ein Rechtsstaat. Schauen Sie, wir sind ein freies Land, und das sollten Sie gut finden. Hier dürfen Sie frei Ihre Meinung äußern, auch gegen die Regierung, und ich als Regierung darf Ihnen auch sagen, dass mir das egal ist.

Herr Snowden dürfte hier auch alles sagen, klar. Aber dann könnte wahrscheinlich Russland auch nicht mehr für seine Sicherheit garantieren. Und wir wollen doch nicht, dass er unseretwegen in Schwierigkeiten kommt.

Es liegt vorwiegend an diesem internationalen Terrorismus. Wenn es den nicht gäbe, müssten wir auch nicht so viele Verfassungsschützer auf die Terroristen abstellen, die fehlen uns natürlich im Inneren und können Herrn Snowden nicht mehr bewachen. Das liegt am Terrorismus. Wir sind da ganz unschuldig. Es liegt am Terrorismus, wenn es den nicht gäbe, würde uns ja die NSA auch gar nicht abhören. Und dann bräuchte man nicht den Verfassungsschutz. Ach, der kümmert sich gar nicht um Terroristen? Haben Sie das schriftlich? Ich wusste das bis jetzt gar nicht.

Oder hier, dieser NSA-Spitzel. Fällt einfach tot um. Fängt sich Diabetes ein, gerade in dem Moment, wo er aussagen soll, und dann fällt er tot um und wird zufällig in seiner Wohnung gefunden. Das war NSU? Da können Sie mal sehen, man kann nicht vorsichtig genug sein!

Stellen Sie sich mal vor, Herr Snowden steigt in ein Flugzeug ein, dass dann rein theoretisch von den Amerikanern über Deutschland entführt wird, und wir haben gerade kein Luftsicherheitsgesetz, nur so einen grundgesetzkonformen Mist – wir dürfen uns doch für so einen Spion nicht in einen Zwischenfall hineinziehen lassen. Immerhin ist Herr Snowden ein international gesuchter Straftäter.

Aber Sie müssen zugeben, die deutsche Öffentlichkeit ist auch ein Stück weit – ich bin Sozialdemokrat, wir sagen nicht ‚Ich habe keine Ahnung‘ oder ‚Ich lüge Sie jetzt nur an, damit ich wiedergewählt werde‘, wir sagen ‚ein Stück weit‘ – daran schuld, dass es so weit gekommen ist. Die Bundeswehr im Innern einzusetzen ist natürlich verfassungsfeindlich, das weiß ich auch, aber fällt Ihnen denn etwas Besseres ein? Wir können doch hier nicht Guantanamo im Grunewald nachbauen, nur weil so ein durchgeknallter Ami, der jahrelang unsere Kanzlerinnen und Kanzler ausgehorcht hat, jetzt plötzlich seinen Moralischen kriegt! Wir haben ja bald kein Geld mehr für die Ukraine!

Etwas differenzierter, bitte. Ihr Einwand zieht nicht. Und seit wann ist denn Herr Snowden ein Held? Wir können doch jetzt nicht jeden zum Helden hochstilisieren, nur weil er mal einen Friedensnobelpreis – hat er gar nicht? Sehen Sie, nicht mal das hat er geschafft, und Sie machen den Mann gleich zum Helden. Lächerlich! Stauffenberg? Bei Ihnen piept’s wohl! Sie müssen das viel differenzierter sehen, den haben sie zu Recht aufgehängt. Ein Attentat auf die Regierung, und dann müssen Sie sich mal überlegen, was bei so einem Bombenanschlag alles hätte passieren können. Viele unschuldige Menschen, die Bausubstanz, die Umweltfolgen, vielleicht hat einer der Soldaten sogar einen Knallschaden erlitten, der war doch dann für sein ganzes Leben gezeichnet. Was lernen die Kinder eigentlich heute in der Schule?

Wir können uns vorstellen, Herrn Snowden in Moskau zu befragen. Wir fahren da alle nach Moskau, natürlich nicht der gesamte Ausschuss, man muss mal sehen, wer denn da am besten geeignet wäre, und dann müssten wir mal sehen, ob wir irgendwelche Fragen stellen.

Sie können ja gegen die Russen sagen, was Sie wollen, aber gegen diese Terroristen setzen die sich immer noch durch. Vor denen haben die keine Angst. Afghanistan? Ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen. Aber Sie haben schließlich an der letzten Präsidentenwahl gesehen, dass es da absolut sicher zugeht. Bei den Olympischen Spielen auch. Kein Terrorismus. Höchstens mal so eine Mädchenband, die ins Fernsehen will. Aber sonst war das alles doch recht friedlich.

Wir sollten das viel differenzierter sehen. Die Russen sorgen für Sicherheit, was wir natürlich auch anerkennen, und im Gegenzug werden wir unsere ansonsten natürlich durchaus berechtigte Kritik an den Völkerrechtsverstößen auf der Krim und in der Ostukraine sehr viel differenzierter formulieren. Falls wir nach einer gewissen Pause der internationalen Verhandlungen überhaupt noch die Zeit finden, in einer neuen Diskussion uns in die inneren Angelegenheiten unserer russischen Freunde einzumischen. Das würde bestimmt dem europäischen Gedanken viel mehr schaden als ein klares Bekenntnis zur Freiheit und zum Rechtsstaat, wenn ich Sie richtig verstehe, oder?“