In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CXCIV)

31 05 2014

Cliff druckt Bibeln, die in El Paso
erscheinen, jedes Exemplar so,
dass Seiten sich doppeln
und Titel sich koppeln.
„Der Druckstock“, spricht er schließlich, „war so.“

Houari, der suchte in Saida
für zwei neue Hosen den Schneider.
Er musste weit laufen,
doch gab’s nur zu kaufen
die fertigen Hosen. Ach, leider.

Es ging abends Amy in Reno
mit Bobby ins örtliche Kino,
der alles befeuchtet
und irgendwie leuchtet.
Er war halt ein Hund. Und Albino.

Nawapol holt in Phatthalung
ganz kräftig aus und wirf mit Schwung
die Ladung zur Seite.
Er hat in der Weite
verschätzt sich. Beim Nachbarn liegt Dung.

Man nannte John-Percy in Pickens
den König des Buchsendungsschickens.
Man fand nur, er lese
mit sehr viel Getöse
recht wenig. Fast nichts. Höchstens Dickens.

Ivana versucht sich in Zeben
dank magischer Mittel im Schweben.
Wie sehr sie’s versuchte
und schwor sowie fluchte,
so blieb sie doch am Boden kleben.

Es orderte Kyrie in Alice
beim Autovermieter was Schnelles.
Die Kiste war leidig,
doch lief recht geschmeidig
auf Grund eines starken Gefälles.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCXLII): Heilmittelchen

30 05 2014
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Was hatte es der naturbelassene Hominide doch leicht. Bei einfachen Sprunggelenksbeschwerden legte er durchgekaute Kräuter auf die Haut – mit der anwachsenden Hirnmasse wurde ihm langsam klarer, dass bereits das Kauen half, Schmerz und Schwellung von innen zu bekämpfen. Mit der Zeit lernte er Wirkstoffe und Anwendungen, Dosierung und Kontraindikationen zu beherrschen, bekam ein Gefühl für Wechselwirkungen und Toleranzen, und es erschloss sich ihm eine vollkommen neue Welt, in der er jeglicher Krankheit Herr wurde. Leider überlebte so auch jeder Klötenkasper, den sonst die Evolution aus dem Genpool genascht hätte. Und dieses geistige Gewölle fing an zu studieren, möllerte sich die Birne an der Wand ein und erfand feinstoffliche Aromatherapie, orthomolekulare Psychiatrie und Heilquanten, kurz: die Pseudomedizin der vielen Heilmittelchen.

Alles wäre halbwegs gut gewesen, hätte sich der postdiluviale Bildungsbürger weiter an pflanzliche Substanzen gehalten und seine Wehwehchen damit kuriert. Allein die Aufklärung lockte filigrane Symptome der Beklopptheit aus der Tiefe der Seelen, Hexenwahn und Kapitalismus – der Verwandtschaftsgrad ist noch nicht raus, aber sie sind Angehörige derselben Sippe – und führte den Wahnsinn methodisch fort.

Eine ganze Industrie mit Tentakeln bis in die Werbewirtschaft lebt inzwischen von der Blödheit der Prä- bis Postgeronten, die nach der Lektüre der Apothekenfachperiodika jedes noch so beknackte Zeugs hinters Zäpfchen zwängen. Sie verkaufen den Heilungssuchenden Fischöl und Pollenpillen, Schlangenöl und Wässerchen jenseits von Gut und Böse. Geschickte Pharmazeuten drücken dem zahlenden Opfer gar Kürbis gegen nächtliche Pinkelattacken und Lavendeldrops für zügigen Schlaf in die Hand, wohl wissend, wäre Letzteres wirksam, könnte man sich Ersteres sparen. Die Koksgnome im weißen Kittel schachern fröhlich mit den Abfallprodukten der Forschung, anders ist ihr Umgang mit derlei Placebo und Zückerchen nicht zu deuten. Früher fuhren sie mit Planwagen über Land und priesen Brackwasser als Allheil-Tonikum gegen eingewachsene Fußnägel, Herz- und ähnliche Infarkte, schlechte Börsennachrichten und chronischen Hirnzellenauswurf. Heute schieben die Drecksäcke Schubladen auf und zu, um im Sekundenschlaf der Vernunft einer hilflosen Schar grundverdeppter Allesglauber Zink anzudrehen, das Nonplusultra der alternativen Medizin.

Weil Zink, sagt zumindest die Pseudomedizin, gegen eigentlich alles hilft, Allergie und Asthma, schwiemelnden Schweißfuß und Morbus Aua. So verkauft der durchschnittliche Pillendreher pro Tag den Gegenwert eines Kleinwagens an Zinkpastillen, obwohl er sein Examen nicht bestanden hätte, würde er den Schmadder, den er den Kunden hier auftischt, einem Pharmakologen ins Gesicht sagen. Vermutlich werden sie irgendwann die grassierende Zinkallergie der Bevölkerung entdecken und mit homöopathischen Nanozinkpartikeln kontern, damit sie wieder Salben, Tinkturen und Gelkapseln unters jammernde Volk jubeln können.

Man kann es den approbierten Mehlmützen nicht einmal anrechnen, dass sie größtenteils Unfug in Tüten ausgeben, der ungefähr so wirksam ist wie der Versuch, seinen Harndrang zur Schlafenszeit in eine Klangschale unterm Bett zu lenken. Da sie den offensichtlich kernhysterischen Patienten mehr oder weniger wirkungs- bis sinnlosen Schrott an die Backe packen, Pflästerchen und Sprühschaum, Creme und Murks-in-Wasser-Emulsionen, geleiten sie die Zweifelnden von einem Beschiss zum nächsten, währenddessen sich wenigstens die subjektive Befindlichkeit, größtenteils jedoch auch der objektive Status verschlechtert. Nach dem zwölften Zink-Magnesium-Kombipräparat mit Apfel-Qualle-Geschmack fegt der Apotheker dann die röchelnden Reste des reflexzonenresistenten Moribundus aus dem Laden und karrt ihn in die Notaufnahme. Vielleicht haben die ja einen besseren Blasentee.

Unterdessen schlägt die Fraktion professionell arbeitender Hypochonder gnadenlos zurück und zeigt den Pharmakolügnern, was eine Harke ist. Auf ihr Geheiß ballern sich Drogeriemärkte und Discounter die Regale voll mit Abführdragées und Pinkelpastillen für Untenrum, für die Omme gibt’s Gingkoglobuli, und wenn Kollege Alzheimer nach Retardkapseln quengelt, ist wohl auch etwas da. Warum in die Ferne schweifen? Wo der normale Konsument sich ohne Leidensdrückerkolonnen den Stoff holt, ist noch genug Platz für andere. Sollte dem Apotheker angesichts des Ansehens- und Einkommensverlustes der Kamm schwellen, empfiehlt sich frischer Ingwer, gerieben und mit Öl vermengt, wahlweise zur innerlichen Anwendung oder großflächig auf dem Kopf verschmiert. Und ansonsten hat er bestimmt noch ein Schächtelchen Zink im Haus.





Aufrechte Deutsche

29 05 2014

„Goethe!“ Der junge, grobschlächtig aussehende Kerl mit dem kahlrasierten Schädel wusste es ganz genau. Allerdings kam er schon beim zweiten Bild etwas ins Straucheln. „Goethe?“ Hömmler zeigte gleich das dritte, klappte den Aktendeckel um und wies den Prüfling aus dem Raum. Missbilligend schob er sich die Brille auf die Nase zurück. „Und so was will ein deutscher Nationalist sein.“

„Schelling hätte ich auch nicht unbedingt sofort erkannt“, bekannte ich. „Er hat eine starke Ähnlichkeit mit dem jungen Beethoven, finden Sie nicht?“ „Es ist doch egal“, antwortete der Prüfer. „Das war die dritte Runde, und er hält alles, was tot aussieht, für Goethe.“ Er zog verächtlich die Stirn in Falten. „Bei Hitler hätte er möglicherweise eine Ausnahme gemacht“, vermutete ich. Aber so ganz sicher war ich mir auch nicht.

Immerhin hatte ein neues Bundesgesetz nun die Aufnahme in rechte Volksparteien – manche hielten sich gar nicht für rechts, Volksparteien waren sie alle nicht – deutlich erschwert. „Was ein echter Nazi sein will, muss natürlich auch die theoretischen Grundlagen des deutschen Volkstums beherrschen. Ich meine, da könnte ja sonst jeder kommen.“ Ich nickte. „Stellen Sie sich mal vor, hier würden die ganzen polnischen und russischen Nationalisten einfallen.“ Er sah mich verständnislos an. „Wie kommen Sie gerade auf Russland?“ „Die würden den deutschen Nazis den Job wegnehmen.“
Der nächste Kandidat sah nicht besser aus. Die hochgekrempelten Hosenbeine – „Die haben offenbar alle Angst“, kommentierte Hömmler zwischendurch, „dass die Oder-Neiße-Linie plötzlich überschwappt.“ – staken in Kampfstiefeln, der Mann gab Selbstauskunft. „Ich bin ein aufrechter Deutscher“, kaute er hervor. Da auch etliche Affen das mit dem aufrechten Gang ganz gut hingekriegt hatten, war an der Einschätzung nicht viel zu bemängeln. Allein sie half nichts. „Wer wählt in Deutschland die Abgeordneten zum Bundestag?“ Er konnte sich nicht entscheiden, ob der dem Militär oder der Wirtschaft den Vorzug geben sollte. „Seien Sie nicht ungerecht“, wandte ich ein. „So ein bisschen sind doch beide Antworten richtig, oder?“ „Wir haben es hier aber mit einer idealtypischen Antwort zu tun“, berichtigte Hömmler mich. „Es geht schließlich auch um ideale Nazis.“

„Was ist die Aufgabe der Polizei in Deutschland?“ Er konnte lesen, auch wenn es ihm leichte Schwierigkeiten bereitete. Und selbst mir war die Antwort nicht ganz klar. „Die Bürgerinnen und Bürger abzuhören?“ „Es ist nur von der Polizei die Rede“, beharrte Hömmler. „Das Bundeskriminalamt wird mit keinem Wort erwähnt.“ „Interessant“, bemerkte ich, „auch hier wieder der idealtypische Zustand.“ Er räusperte sich. „Wenn es um die Polizei geht, fällt der meist mit der Realität zusammen. Es ist ja Deutschland hier.“

Jetzt wurde es spannend. Er drückte auf den Knopf unter der Tischplatte; rumpelnd entfaltete sich eine Landkarte. „Zeigen Sie doch mal Deutschland“, befahl Hömmler. Der Mann war durchaus auf dem rechten Weg, zumindest die Grenzen von 1937 hatte er schon überschritten. Etwas hilflos, aber sehr agil fuchtelte er zwischen der Ukraine und Bulgarien herum. „Da haben sich die Deutschen auch schon aufgehalten“, kommentierte ich trocken. Ihn schien das gar nicht zu stören. Inzwischen suchte er Leipzig, fand es aber in ganz Bayern nicht. „Sehen Sie es als gutes Zeichen“, ermunterte ich Hömmler. „Diese Generation wird nie einen Krieg anfangen. Sie haben sich schon verlaufen, bevor sie die Grenze überqueren konnten.“

Ich blätterte den Fragenkatalog durch. Es war tatsächlich dieselbe Sammlung, die man einbürgerungswilligen Ausländern vorlegte. „Was ja auch nicht ganz verkehrt ist“, bestätigte er. „Wer in dieses Land kommt, sollte vorab schon einmal die wichtigsten Gepflogenheiten kennenlernen.“ „Was“, mokierte ich mich, „ist so deutsch an der Tatsache, dass man mit Arbeitsstreitigkeiten vor ein Arbeitsgericht zieht? und schreckt man damit die Einbürgerungskandidaten nicht eher ab?“ „Die werden weder einen Job bekommen noch vor Gericht ziehen, wenn man den ihnen wieder nimmt. Man solle nur ein bisschen deutsche Kultur und Geschichte verstehen. Das ist ja kein Problem, wenn man ein paar internationale Medien zur Verfügung hat.“ „Verstehe“, überlegte ich, „nur so zur Kontrolle, nennen Sie mir doch mal drei ehemalige nepalesische Landwirtschaftsminister. Internationale Medien dürften Sie hier doch haben.“

Die nächsten beiden Prüflinge waren auch nicht besser, und Hömmler verlor langsam die Geduld. Vor allem ärgerte er sich über die immens hohe Ablehnungsquote. „Dass sie die Prüfungsgebühren nicht erstattet bekommen, das dürfte noch das geringere Übel sein. Aber unser Ruf ist ruiniert, wenn wir – “

Weiter sprach er nicht. Hömmlers Hände begannen unkontrolliert an zu zittern. Krampfhaft hielt er sich an einem Papier fest. Ich wollte lesen, aber sofort zog er es weg. „Ich habe da etwas verwechselt“, stieß er hervor. „Das ist gründlich schiefgelaufen.“ Mitfühlend sah ich ihn an. „Alle Fragen waren umsonst?“ Er schüttelte panisch den Kopf. „Nein“, sagte er heiser. „Aber wir sollten nur da einen Parteieintritt bewilligen, wo jemand durchfällt.“





Umtopfen im Kopf

28 05 2014

„Oder eine Schnellrestaurantkette.“ „Da denken die Leute doch gleich wieder an Dreck und minderwertige Qualität und mangelnde Sozialstandards und…“ „Ja, gut.“ „… Geldgier und Kulturlosigkeit und…“ „Wir haben es verstanden!“ „… diese ganze künstliche und aufgeblasene…“ „Ist jetzt mal gut!?“ „Ich weiß nicht, aber irgendwas muss man doch mit der Marke machen.“ „Aber was ist schon FDP?“

„Nein, der Kollege Kubicki hat schon ganz recht. Wir haben als Marke verkackt.“ „Du meinst, wir werden FDP nicht mehr los?“ „Wieso loswerden? ich dachte, wir verkaufen das Ding?“ „Ja, das auch. Aber Hauptsache, wir kriegen den Pickel erstmal aus dem Gesicht.“ „Na hör mal, das klingt jetzt ja fast so, als gäbe es daran nichts Erfreuliches mehr.“ „Wir sind nicht mehr im Bundestag, wir haben keine Chancen mehr auf die Mehrheit der Landtage…“ „Das lässt sich doch alles noch irgendwie verschmerzen.“ „… und unser Parteivorsitzender ist Christian Lindner.“ „Okay, das allerdings weniger.“

„Vielleicht machen wir irgendwas mit Werbung.“ „Zu viel Fernsehen geguckt?“ „Wieso, muss man das dazu?“ „Naja, so falsch ist die Idee nicht.“ „Eben, den Leuten große Versprechungen machen und ihnen das Geld aus der Tasche ziehen. Das können wir schließlich.“ „Verpackungsdesign.“ „Cool, dann müssen wir uns nicht um die Inhalte kümmern.“ „Oder eine Unternehmensberatung.“ „Dann schon lieber Arbeitsvermittlung.“ „Bist Du bekloppt? Von uns arbeitet doch keiner freiwillig!“ „Mach mal halblang, wir vermitteln ja auch nur.“ „Und wer arbeitet dann?“ „Die anderen.“ „Es gibt doch eh keine Jobs mehr.“ „Ist doch dufte, dann müssen wir auch nicht mehr so viel arbeiten dabei.“

„Leute, wir sollten jetzt nicht den Kopf hängen lassen, sondern in die Zukunft schauen.“ „Der war ja gut!“ „Brüller, echt.“ „Nein, echt!“ „Sag ich ja, Brüller.“ „Wenn wir uns jetzt für eine ganz neue Linie entscheiden und uns politisch neu…“ „Geh doch nach drüben, wenn’s Dir hier nicht passt!“ „Heee, was sollen denn diese Töne!?“ „Geh doch dahin, wo der Rösler steckt, diese Flitzpiepe! Wir haben keinen Bock, uns Deine bescheuerte…“ „Aber es kann doch jeder schaffen, wenn er nur will? Wenn wir uns ganz fest vornehmen, dass wir demnächst wieder als zweitstärkste Partei im Bundestag…“ „Haltet mich fest, oder ich hau diesem Lackaffen die…“ „Ruhig, ganz ruhig!“ „Ich wüsste gerne mal, wie der auf diesen Scheiß kommt?“ „Das haben wir doch selbst jahrelang gepredigt.“ „Ach ja, stimmt. Kann man ja mal vergessen.“

„Wir könnten in einen Technologiekonzern gehen.“ „Au ja, da gibt’s bestimmt Subventionen, und dann können wir als Aufsichtsratsvorsitzende den ganzen Laden…“ „Sonst alles klar?“ „Müssen wir da etwa arbeiten?“ „Igitt, das kann man doch nicht von uns verlangen?“ „Wieso überhaupt Technologie?“ „Nanotechnologie wahrscheinlich.“ „Du meinst, wegen der Wahlergebnisse?“ „Oder Homöopathie, das geht wenigstens mit den Pharmaunternehmen, in denen wir…“ „Quatsch, wir machen was mit Spurenelementen.“ „Und wenn die Grünen doch recht hatten?“ „Bist Du jetzt plötzlich auf den Ökotrip gekommen?“ „Wir sollten ihn rausschicken, am Ende ist das ansteckend.“ „Wir brauchen doch mal eine andere Perspektive. Vielleicht das, was wir am besten können?“ „Was wir wirklich am besten können?“ „Und dann so eine Öko-Kampagne? Umtopfen im Kopf?“ „Wenn wir das tun, was wir momentan am ehesten machen können, wird’s wohl eher eine Umbettung.“

„Vielleicht sollten wir uns auch nur mal wieder ganz neu motivieren!“ „Vielleicht solltest Du einfach mal die Fresse halten.“ „Ich meine, wir sollten eine neue Kampagne…“ „Kollege, gut jetzt!“ „… oder ein neues Projekt beginnen.“ „Hat jemand was gegen 1,8 Prozent einzuwenden? Gegenstimmen? Danke.“

„Wir könnten uns ja auch mit Hütchenspiel über Wasser halten.“ „Übrigens haben uns ja auch ein paar Leute verlassen, um in dieser Lucke-Partei Karriere zu machen.“ „Echt?“ „Ja, habe ich auch gehört.“ „Hat das jetzt was mit unserer finanziellen Zukunft zu tun?“ „Nee, aber mit Hütchenspiel.“

„Dann muss ich mal die Merkel anrufen, ob die noch was für uns klarmachen kann.“ „Können wir voll vergessen, die geht doch demnächst eh in die Energiebranche und guckt zu, wie von der Leyen den Laden verkackt.“ „Energiebranche?“ „Wer torpediert denn gerade den Atomausstieg?“ „Dann könnte sie uns vielleicht ein paar Vertriebsjobs anbieten.“ „Brennstäbe?“ „Eher Abklingbecken.“

„Also irgendwas, das nicht zu viel Arbeit macht, nicht zu viel Intellekt erfordert und möglichst schnell viel Geld bringt.“ „Wir könnten doch in die Politik gehen.“ „Haltet mich fest, sonst zimmer ich ihm gleich eine rein!“ „Ruhig, Brauner!“ „Atme mal tief durch.“ „Sorry, ist mir nur so rausgerutscht. Ich weiß doch auch nicht, wie es weitergeht.“ „Golfplatz aufmachen?“ „Hm, klingt schon mal interessant.“ „Nicht übel.“ „Irgendwas mit Lifestyle und so.“ „Muss ja zu uns passen.“ „Elitär.“ „Aber nicht zu sehr, also wenigstens von der Wirkung her.“ „Aber durchschlagend.“ „Und mit klarem liberalem Profil.“ „Unverkennbar FDP eben.“ „Okay. Fallschirmspringen?“





Null Promille

27 05 2014

„… ins Kanzleramt einbestellt worden sei, wo er sechs Stunden habe warten müssen, ohne sich hinsetzen zu dürfen. Erst dann habe die Kanzlerin Horst Seehofer in ihr…“

„… habe der CSU-Chef noch am vorigen Abend jegliche Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden der bayerischen Schwesterpartei vehement abgelehnt. Dies sei jetzt nicht die Stunde, das politische Machtgefüge Deutschlands zu…“

„… als großen politischen Erfolg gewertet, dass die Christsozialen auch weiterhin in der Regierungskoalition…“

„… vom Tisch. Auch der bisher als Bestandteil eines geheimen Zusatzprotokolls zu TTIP gehandelte Vorschlag, Bayerisch zur vorrangigen Handelssprache in der EU zu…“

„… habe Seehofer die Bezeichnung des Wahlausgangs als das schlechteste landesweite CSU-Ergebnis als viel zu dramatisch bezeichnet. Immerhin, so der Ministerpräsident, sei dies nur auf ein einziges Bundesland…“

„… dass auch das Soziale in Bayern verfangen habe. So sei nicht ausgeschlossen, dass die Bevölkerung aus Nächstenliebe der CSU die Stimmen verweigert hätten, da sie nicht wollten, dass ganz Europa wie der Freistaat Bayern…“

„… sich in der Analyse der Demoskopen widergespiegelt habe, dass die bayerische Bevölkerung die Wahl versehentlich als Abstimmung über Europa verstanden und dementsprechend…“

„… sei Gauweiler im Wahlkampf ein Rohrkrepierer geblieben. Zahlreiche Beobachter hätten ihn als klugen, besonnenen und äußerst eloquenten Redner erlebt und sich enttäuscht von ihm einer anderen…“

„… allerdings nicht sicher sei, ob die Anzahl der CSU-geführten Ministerien in Berlin weiterhin…“

„… könne es nicht daran liegen, dass die CSU die Wähler nicht überzeugt hätte. Vielmehr, so Hasselfeldt, habe der Wähler sich nicht überzeugen lassen, was die Schuldfrage grundsätzlich in einem ganz anderen Licht…“

„… nochmals einen Rücktritt abgelehnt habe. Eine Flucht aus dem Amt sei nicht anständig, dies sei auch unter den aktuellen Umständen…“

„… sich CSU-Generalsekretär Scheuer dahin gehend eingelassen habe, dass die verschwindend geringen Zuwächse der SPD dem Vorsitzenden Gabriel als einzigen Ausweg einen Verzicht auf alle Partei- und Ministerämter…“

„… versichert habe, man werde auch künftig nur die inkompetentesten Knallchargen nach Berlin lassen, um das Machtgefälle gegenüber der Kanzlerin nicht unnötig zu…“

„… sich auf bewährte Aufarbeitungsmuster verlassen könne. Bisher sei die CSU nach jeder Wahl, auch nach Wahlen mit unbefriedigenden Ergebnissen, stets vorwärts orientiert gewesen, da sie vor der nächsten Wahl nicht das ganze Präsidium auf einmal…“

„… wolle Seehofer schon deshalb nicht zurücktreten, weil dies – wie im Falle der FDP – erst recht zu einer Destabilisierung der…“

„… werde Seehofer in der Union für konstruktiv eine Möglichkeit streiten, die Christlich-Soziale Union auch im übrigen Bundesgebiet…“

„… nicht bestätigen wolle, dass die CSU als Koalitionspartner der AfD zur Verfügung stehe. Man könne zwar jetzt noch nicht über die nächste Bundestagswahl…“

„… werde Merkel nicht nur die Euroskeptiker konsequent ignorieren, sondern auch sämtliche Gruppierungen, die sich für eine engere Zusammenarbeit mit…“

„… laut Querschnittstudie durchaus den Nerv der Wählerschaft getroffen, die ebenso europa- und demokratiefeindlich seien, aber auf Grund der generell beschädigten Glaubwürdigkeit der CSU nicht zugetraut hätten, die angekündigten Ziele auch tatsächlich…“

„… anderthalb Tage und Nächte im Kanzleramt. Seehofer habe sich sehr bemüht, der Bundespressekonferenz nahezubringen, dass die CSU auf unbestimmte Zeit ausschließlich im Freistaat Bayern…“

„… vorzubeugen. Bei kommenden Landtags- und Kommunalwahlen sei gerade noch von einem linearen Stimmenverlust auszugehen, weshalb schon jetzt eine Null-Promille-Klausel für 2024…“

„… schwierige Verhandlungen. Beobachter seien durchaus der Ansicht, die CSU könne der Lucke-Partei als Juniorpartner nicht ausreichend Stimmen verschaffen und sei daher…“

„… nur daran gelegen haben könne, dass der Anteil an Ausländern am Wahltag zu hoch gewesen sei. Diese hätten durch doppeltes Abstimmen die kommunistischen Gleichmacherparteien wie die SPD widerrechtlich…“

„… werde die CSU sich gegenüber der AfD nie als kleiner bezeichnen. Sie habe allein in Bayern über 40 Prozent der Stimmen errungen, was die kleinere der beiden rechtspopulistischen Parteien bisher niemals aus dem Stand…“

„… sich die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für digitale Infrastruktur Bär kritisch zum Wahlausgang geäußert habe. Ihre Partei habe sehr viele Likes bei Facebook erhalten, deshalb sei ein derart niedriges Wahlergebnis…“





Crash’n’Cash

26 05 2014

„Roter Kombi, habe ich. Könnten Sie vielleicht noch so eine Deutschland-Fahne ins Fenster klemmen? Jetzt ist zwar eh bald WM, aber dann findet unser Außendienst Ihren Wagen schneller, und das ist ja auch in Ihrem Sinne. Es soll doch ein Totalschaden werden, oder?

Man muss das Geld nur aufheben, das liegt auf der Straße. Doch, wir schaffen das noch ganz gut. Die Personaldecke intern sind je nach Tageszeit drei bis fünf Telefonisten, und dann haben wir einen Mitarbeiter für Kundentermine und Recherche, und dann wie gesagt unseren Außendienst. Aber das sind halt freie Mitarbeiter, die ordern wir immer nur projektbezogen. Das macht die Sache für Sie als Auftraggeber transparent und flexibel.

Ja, habe ich notiert. Zwanzig Meter. Ganze Front Uhlandstraße bis Ecke Lessingstraße. Und Sie sind bis 29. im Urlaub? Dann sorgen Sie bitte dafür, dass in der Zeit die Zuwegung geräumt ist, wir müssten sonst Aufpreis berechnen. Das gilt auch für die Mülltonnen, ja. Machen Sie sich keine Gedanken, wir haben schon ganz andere Sachen erledigt. Das haut hin. Sie können Ihren neuen Jägerzaun schon mal bestellen.

Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft, da gehört so ein Service dazu. Schauen Sie mal, Ihre Bank erledigt heute die Steuerhinterziehung für Sie, da wollen Sie doch nicht mehr selbst Ihre Versicherung betrügen, oder? Das ist wie Fußball. Jeder Volkssport macht noch mehr Spaß, wenn man ihn passiv betreiben kann.

Wissen Sie, als ich damals angefangen habe – das muss, warten Sie mal, da war ich noch nicht mit dem Studium fertig, also um die Ecke 1980 oder so, auf jeden Fall ist das schon eine ganze Weile her, und da war das auch nur ein Nebenjob. Aber durchweg rentabel, können Sie mir glauben. Wobei, es war ja nur ein Kleinunternehmen, für richtig große Aufträge hatte ich damals überhaupt keine Kapazitäten. Aber die Mundpropaganda, und mein Prinzip war ja immer, bezahlt wird nur bei Erfolg, und irgendwann sitzen Sie dann drin im Geschäft. Das war mein Einstieg in die Branche.

Wir hatten damals ja gar nichts. Alles musste man selbst machen! War aber eine schöne Zeit, das muss ich schon zugeben. So ein Garagentor eindellen am Wochenende, oder dann beim Renovieren mit dem Schrubber eine Deckenlampe beschädigen, die Hausratversicherung zahlt, der Kunde ist zufrieden, und schon hat man den nächsten Job für ein zerkratztes Auto in der Tasche, das hat schon mächtig Spaß gemacht. Aber naja, das waren andere Zeiten damals. So was macht Ihnen ja heute ein Ex-Bundestagsabgeordneter von der FDP, der sein Arbeitslosengeld aufbessern muss. Die Preise? Miserabel natürlich. Genau wie die Qualität.

Entglasung? Wir erstellen Ihnen da gerne ein Angebot. Wenn Sie vielleicht mehrere Ladenlokale haben, bieten wir Ihnen auch Mengenrabatt an. Oder wir erledigen das nebenbei, wenn wir gerade einmal im Einsatz sind. Fassade beschmieren geht extra. Oder Schaufenster ausräumen. Natürlich, wir dokumentieren immer alles auf Video. Sollte Ihr Geschäft am Morgen leer sein, dann wissen Sie garantiert, wo die Ware liegt. Auf uns können Sie jederzeit vertrauen.

Lachen Sie jetzt nicht, das ist wirklich Vertrauenssache. Der Kunde ist ein ganz normaler Einzelhändler, aber stellen Sie sich mal vor, Sie wollen als Juwelier unsere Dienstleistung in Anspruch nehmen. Sie müssen höllisch aufpassen, was Sie nachts in die Vitrine legen – müssen Sie so auch schon, das stimmt allerdings – und dann brauchen Sie auch noch einen operativen Partner, der sich millimetergenau an die Anweisungen hält. Millimetergenau! Sie können nicht einfach eine billige Uhr klauen, und die teuren Objekte links und rechts bleiben einfach liegen. Da ist Präzision gefragt. Dazu brauchen Sie gutes Fachpersonal. Geschulte Leute. Das kostet natürlich. Aber Sie müssen das dem Kunden bieten. Was soll der denn sonst tun? sich versichern?

Bedaure, dass ich Ihren latenten Rassismus nicht beflügeln kann, aber unser Personal beziehen wir durchaus nicht aus Osteuropa. Alles deutsche Fachkräfte. Vor allem Investmentbanker. Was denen an Praxis fehlt, gleichen die durch ihre kriminelle Energie locker aus. Und es gibt genug von denen, da fällt eine Kraft mehr oder weniger gar nicht auf, die man den Finanzkonzernen entzieht.

Möchten Sie nur das kleine Paket? Hm, da muss ich mal sehen – nur Autoradio? eventuell zur Tarnung noch ein paar Sitzbezüge beschädigen oder die Karosserie zerkratzen? Nein, das ist ganz ausgeschlossen. Unsere Mitarbeiter wissen immer, ab wann die Vandalismusklausel greift. Mein Tipp: lassen Sie doch gleich noch die Antenne mit abknicken, dann kriegen Sie da auch noch eine neue Ausstattung in Ihren Wagen. Na, sehen Sie. Wir wissen doch, was unsere Kunden wünschen. Dann einmal unser Special Crash’n’Cash für Sie, Kennzeichen nimmt unsere Service-Hotline auf und informiert Sie dann über den Standort.

Sehen Sie, Kundenfreundlichkeit ist alles. Wir verstehen, was Sie versichern. Und wir sind immer für Sie da. Auch in den schwierigen Fällen von –

Brandsätze? Das können wir machen, aber es braucht schon Vorbereitung. Detonationen gehen extra, wir rechnen pro Stück ab. Natürlich können wir Ihre Materialien verwenden, Zünder müssten wir sowieso erst besorgen. Und dann müssten Sie das Papier fürs Bekennerschreiben auch liefern, wir haben da keine Bezugsquelle. Preis kommt per Fax, okay? Selbstredend, das sieht so echt aus, nicht einmal das BKA wird den Unterschied merken. Gerne. Und wie immer drei Prozent Skonto bei Vorauskasse, Herr Innenminister.“





Gerädert

25 05 2014

So kennt man ihn, den Ex-Star aus der rollenden Apotheke: Jan Ullrich eierte etwas herum, sonderte ein paar plumpe Lügen ab und gab dann endlich zu, dass sich in seiner Blutprobe Alkohol befand. Was ja ohnehin den Tatsachen entspricht. Dass der aus Deutschland emigrierte Unfall-Fahrer noch nicht am Ende ist, bleibt nur zu hoffen, schließlich erwarten seine treuen Fans von ihm das übliche Vorgehen. Der Alkohol in seinem Blut sei echt, er habe ihn aber nicht selbst getrunken. Alle weiteren diagnostischen Kriterien für ein Münchhausen-Syndrom wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • türstopper nähen schiff: Tie-Tanic?
  • c&a fledermausanzug: Die haben Sachen, die nicht nach Fledermausanzug aussehen?
  • schoenheitschirurg zunge spalten: Die CSU schreibt ihre Wahlkampfreden selbst.
  • eisblase fetisch: Frieren Sie sich einen ab?
  • vorgesetzter der bundeswehr mutter der kompanie: Dieses aufgesetzte Lächeln ist Waffe genug.
  • nachmöpseln erklären: Am Ende möpselt noch Ihre Erklärung nach.
  • schlüsselflüsterer: Wir öffnen die Türen sonst mit der Kreischsäge.
  • wie bekomme ich pflegebetreuungsgeld ausgezahlt: Mit dieser Regierung bald gar nicht mehr.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CXCIII)

24 05 2014

Tadeusz, der war sich in Zicher
beim Pflücken im Hof nicht sehr sicher.
Er sah jene Schwestern
und hörte ihr Lästern
nur leise, doch laut ihr Gekicher.

Als Mladen sich fragte in Drvar,
wo eigentlich bloß das Geschirr war,
das hörte man Suchen
und hektisches Fluchen,
bis im Möbelwagen Geklirr war.

Gertruda, die suchte in Wipper
fürs Bistro ’nen preiswerten Flipper.
Ein Billard befand sich
im Raum, recht unhandlich.
Ein Spielgerät war deutlich hipper.

Es strich Ghulam in Banda Khel
dem Lieblingskamel übers Fell.
Das ließ deutlich Haare.
Er strich, Gott bewahre!
zwar weiter, doch weniger schnell.

Danuta serviert in Speck
zum Tanztee ein Herrengedeck.
Der Laden war leidlich,
der Dreck unvermeidlich.
Drum stand auf dem Tisch ein Gesteck.

Es wittert Ó Riain in Fort
beharrlich im Haus einen Mord.
Es ließ sich beweisen,
Seán war nur auf Reisen,
drum sind seine Blumen verdorrt.

Es räuchert Bożena in Tanz
die Schweine von Pfote bis Schwanz.
Den Speck tat sie nutzen,
denn der gab beim Putzen
verteilt überall feinen Glanz.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCXLI): Laufen

23 05 2014
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Was hat sich die Evolution nicht alles ausgedacht. Fliegende Fische, schwimmende Vögel. Was da noch fehlte, war ein Tetrapode, der aus mangelnder Einsichtsfähigkeit gepaart mit einer durchsetzungsfähigen Profilneurose seine Existenz auf den Hinterbeinen verbringt. Fortan jagte er Tiere, auf deren Speisezettel er laut offizieller Nahrungskette selbst stand. Und begann zu laufen. Was im Wesentlichen pure Notwendigkeit war, um nicht die Arterhaltung mangels Masse einstellen zu müssen, wuchs irgendwann zu einer komplett sinnfreien, im Wesenskern schädlichen, durchaus massenkompatiblen Beschäftigung, kurz: zu einer der beliebteren Sportarten, die den körperlichen Verschleiß individualisiert forcieren. Die Welt läuft, warum auch immer.

Der Beknackte schwiemelt sich bei ungünstigen klimatischen Bedingungen in funktionale, daher meist ästhetisch suboptimale Textilien und hastet schwitzend durch eine architektonisch nicht dazu geschaffene Umgebung, belästigt Unbeteiligte durch extravagant eingesprungene Überholmanöver an Fuß-/Radweg-Kombinationen und demonstriert seiner Mitwelt so, dass er von einem anderen Schlag ist: seht her, spricht seine Körpersprache, es ist die wunderbarste Bewegungsform, und ich bin etwas ganz Besonderes. Beispielsweise eine bekiffte Heuschrecke, die unter demonstrativem Geschnaufe an der roten Lichtzeichenanlage wie blöde weiterjoggt.

Auch wenn man es leider nicht sieht, dieser Bekloppte hat seinen Sport ganz für sich allein. Er lebt in seiner eigenen Welt, in der Hirnverödung durch rhythmisches Tippeln einwandfrei klappt. Der Gegner ist schließlich der eigene Körper, Maß aller Dinge sind Strecke und Uhr, kein Team und kein Sportgerät sind vonnöten, um diese Art der Muskelbeanspruchung ohne festes Regelwerk zu praktizieren. Wer Briefmarkensammeln eine Spur zu extrovertiert fand, wird sich mit dem Laufen gut arrangieren können.

Die andere Kategorie, die frei in der Landschaft herumdeliriert, franst aus in die Klatschläufer: vor lauter Eitelkeit platzende mobile Rampensäue, die zu schauspielerischer Brillanz finden, wenn bei öffentlichen Veranstaltungen die applaudierende Menge ihnen schmachtenden Beifall spendet. Gerade physisch unterbelichtete Zátopekkopien, die mit hängender Zunge wie Zombies in Zeitraffer über den Asphalt humpeln, um sich in theatralischer Heilandspose das Leibchen auf die Hühnerbrust zu krempeln, beeindrucken durch abwechselndes Anfersen und Kniehebeltechnik bis knapp unter die Kinnspitze. Meistens allerdings nur sich selbst.

Wie jeder Freizeit- und Breitensport ist auch das Rennen zu einer hochtechnologiegestützten Disziplin degeneriert, für die eine Habilitation und das Gehalt eines Aufsichtsrates gerade noch ausreichen. Allerhand gel- und luft- und von sonstigem Zeug gepolstertes Schuhwerk mit Sprungfedern, Seitenruder und Blinklichtern wird dem Jogger für seine tägliche halbe Stunde aufgedrängt – natürlich hat er sich aus Gründen der orthopädischen Nachhaltigkeit pro Wochentag je ein Paar anzuschaffen, das nach spätestens einem Jahr auszumustern ist, weil es den Pronationswinkel im Mittelfußbereich um ein halbes Grad abkippen lässt – was bei jedem hundertsten Läufer schon nach einem einzigen Ultramarathon zu leichtem Muskelkater führen könnte – und ansonsten nicht mehr modisch aussieht. Kein echter Nebenbeinurmi würde ohne glasfaserverstärkte, rutschfeste Socken in seine Schuhe steigen, die ihre ideale Ergänzung in transpirationsaktiver Membran findet, wahlweise als klassisches Shirt oder muskelsensitives Top. Des Sportsmanns Horror, in Baumwollkleidung eine aufgescheuerte Brustwarze zu riskieren, lässt uns fragend zurück, wie tausend Klempner ihr Tagwerk bewältigen, ohne dabei zu verbluten oder einen UV-bedingten Bräunungstod zu erleiden.

Die obligaten Presswurstbeinfleischkleider, die durchaus gegen Muskelschäden helfen können, haben der Trippelgilde manifestes Suchtpotenzial beschert, das nur durch Kompressionshosen, -strümpfe und diverse Bandagen zu stillen ist. Hier findet zusammen, was eh zusammengehört, und dank des Präventivrundumschlags sichern sich die Sanitätshäuser bereits ihre Stammkundschaft, bevor diese sich die letzten Knorpel weggescheuert hat. Immer schneller, ultraweiter, durch immer beschisseneres Gelände, auf Kontinenten, die nicht einmal zum Kriechen in Mannschaftsstärke geeignet sind, überall treten Läufer ihren Abdruck ins Gesicht dieses schuldlosen Planeten. Sie sind tiefenbeknackt, hetzen mit Gewichten und Sendern behängt ihrem Aufmerksamkeitsdefizit hinterher, um ihre mickerigen Ergebnisse ins Internet zu hieven, damit sie nicht nur beim Volkslauf in Eistadt an der Dotter und nicht nur von harmlosen Teenagern bejohlt werden. Sondern von uns allen, die nicht wegrennen können, weil uns immer einer auf den Fersen ist. Einer, der läuft.

Was sich aber auch irgendwann erledigt hat. Mit dem Schwinden der Scham, sagt Sigmund Freud, setzt der Schwachsinn ein. Oder Nordic Walking.





Dauerhafte Integration

22 05 2014

„… sei die Bundesregierung nach wie vor an zügigen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten interessiert. Merkel habe versichert, dies sei ein durchweg positives…“

„… die deutsche Industrie sich durchweg wenig interessiert zeige, TTIP anzunehmen. Eine Branche nach der anderen verabschiede sich von den Verhandlungen, da es zu keiner wirklichen…“

„… Handelskommissar de Gucht erklärt habe, dass das Chlorhühnchen überhaupt nicht…“

„… nochmals betont, dass das Abkommen für die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen nur Vorteile…“

„… vollkommen uninteressant. Es sei nicht relevant, welche Farbe die Blinker hätten, solange Kraftfahrzeuge mit Rechts- oder Linkssteuerung auch nicht durch eine vertragliche Angleichung…“

„… nun auch die Geflügelzüchter sich ausgeklinkt hätten. Ohne Chlorhühnchen, so der Verbandssprecher, sei TTIP weder wirtschaftlich attraktiv noch eine echte…“

„… habe die Kanzlerin unmissverständlich klargemacht, dass TTIP für sie und die Mitglieder der Bundesregierung absolut alternativlos…“

„… auch die Finanzbranche ausgestiegen sei. Der Verband habe erklärt, er wolle nicht riskieren, Boni in Höhe der US-amerikanischen Banken zahlen zu müssen, da sonst eine schwere Krise…“

„… nicht richtig, dass es zu einer Vermehrung der Arbeitsplätze in Europa komme. Die Wirtschaft sei darauf angewiesen, Lohnkosten einzusparen, weshalb sie TTIP nur zustimmen könne, wenn es seine gesetzten Ziele vollkommen verfehle oder aber…“

„… weder Ochs noch Esel aufhalten könne. Merkel versichere, dies sei eine unumstößliche…“

„… die Staubsaugerproduktion bereits für die kommenden drei Produktzyklen geplant hätte. Der Unternehmenssprecher habe mitgeteilt, man werde die Umsetzung der aktuellen Standards nicht für ein Abkommen neu organisieren, in dem nicht einmal die Subventionen für umweltfreundliche…“

„… nicht alle Nachteile auch wirklich als Nachteile betrachten müsse, da man dafür eine noch viel engere Bindung an die USA…“

„… um eine völlig falsche Aussage handle. Gabriel habe darauf hingewiesen, dass die SPD sich als Verhandlungsführer grundsätzlich mit vielen Dingen nicht beschäftige, weil sie von ihnen keine Ahnung habe und sich nicht ausreichend…“

„… auch viele Vorteile im Vertragswerk. Die Bundesregierung werde diese sofort nach der Unterzeichnung des Abkommens öffentlich kommunizieren, vorausgesetzt, sie erhalte Einblick in das geheim ausgehandelte…“

„… sich die deutsche Wirtschaft dem Investitionsschutz durchaus öffnen wolle, falls dies zugleich bedeute, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen wolle, deutsche Investitionen vor dem Zugriff der USA zu…“

„… diene der Völkerverständigung. Sollte sich die Mehrzahl der Vergünstigungen auf die USA beziehen, so habe Europa immer noch den großen Vorzug, sich uneingeschränkt solidarisch zeigen zu können, womit die transatlantische Freundschaft auf ein noch höheres Niveau…“

„… seien private Gerichte grundsätzlich zu begrüßen. Die Arbeitgeberverbände würden diese Konstruktion jedoch solange ablehnen, wie die Kosten für die Wirtschaftsgerichte nicht vom Steuerzahler…“

„… die Verträge vor allem deshalb unkündbar seien, weil sie eine dauerhafte Integration Europas in die US-amerikanische…“

„… als platte populistische Schlechtrednerei bezeichnet. Die US-amerikanische Wirtschaft sei auf die Unterstützung der EU angewiesen, so dass es eine patriotische Pflicht sei, TTIP zu ratifizieren, wolle man sich nicht dem Verdacht aussetzen, den Terrorismus durch Unterlassung zu…“

„… vollkommen unsinnig, den einheitlichen Blinker als Vorteil des Freihandelsabkommens zu bezeichnen. Keiner der Konzerne des Bündnisses Freie Deutsche Produzenten (FDP) werde auf die horrenden Gebühren verzichten, die bei der gesetzlich vorgeschriebenen Umrüstung zur Zulassung im US-amerikanischen…“

„… keine direkte politische Isolation angedroht. Steinmeier habe jedoch erfahren, man werde die EU wie den Iran, Nordkorea oder Kuba auch künftig nicht in die…“

„… Warnhinweise gegen Alkoholmissbrauch aufzudrucken habe. Sollte das in TTIP vorgeschriebene Etikett im ausgeklappten Zustand das Architektenformat 1118 × 1727 Millimeter jedoch überschreiten, so dass Weine generell nur noch im Kunststoffkanister angeboten werden dürften, sei eine Unterstützung durch die deutschen Winzer so gut wie…“

„… sei das Freihandelsabkommen deshalb so unverzichtbar, weil es der Wirtschaft überall helfe, sich eine…“

„… nutze die Bundesregierung auch jede von den US-amerikanischen Partnern zur Verfügung gestellte Argumentationshilfe, da diese sehr klare Gründe dafür angeben würden, warum man besser die von den US-amerikanischen Partnern zur Verfügung gestellte Argumentationshilfe…“

„… werde die Agrarindustrie ein Abkommen boykottieren, in dem es Klagemöglichkeiten gebe, um den standardisierten Gurkenkrümmungsgrad durch ausländische Verbände zu…“

„… schon deshalb der Wirtschaft helfe, weil das Abkommen so unverzichtbar…“

„… wolle die Bundesregierung selbstverständlich die sensiblen Kernpunkte aus dem Freihandelsabkommen gewissenhaft verhandeln. Was ein Gewissen sei und wessen dabei zum Tragen komme, wolle die Bundesregierung allerdings vorher bei den US-amerikanischen Verhandlungspartnern noch einmal gesondert…“

„… natürlich begrüßenswert und durchaus bereits Realität, dass die Gesetze von der Wirtschaft und ihren Lobbyisten geschrieben würden, nur wolle man damit maximal bis Brüssel fahren und nicht für jede Änderung einen transatlantischen…“

„… dass Investoren TTIP nur als Einfalltor zur Absenkung von Umwelt- und Verbraucherstandards ansehen würden. Gabriel habe betont, die Bundesregierung brauche dazu kein…“

„… eine mittlere zweistellige Milliardensumme. Die Sprecher der DAX-Konzerne seien sich einig, dass die Investition in die Unterlagen gut und zukunftssicher sei, man wolle Merkels Stasi-Akte zeitnah der Öffentlichkeit…“