Teufels Küche

8 05 2014

Er konnte miserable Laune haben und mit den Zähnen knirschen, er konnte kochen – manchmal sogar vor Wut – und bekam dies charakteristische Zittern in seinen Schnurrbartspitzen, wenn er sich aufregte. Bruno Bückler, langjähriger Meister des gleichnamigen Landgasthofs, da er Aal in Gelee servierte und Schwarzsauer, von Freunden und Kritikern ehrfürchtig Fürst Bückler genannt, Bruno war außer sich. Und das von hochkarätigem Publikum.

„Ich lasse diese dahergelaufenen Clowns nicht in meine Küche“, schrie er. „Keiner von denen hat eine Gesundheitsprüfung!“ Der Aufnahmeleiter wedelte mit dem Vertrag. „Herr Dingens“, näselte er, „wir können auch gerne mit unseren Anwälten wiederkommen, aber wir würden doch lieber mit dem Dreh anfangen, ja?“ Hansi drückte sich an der Wand entlang und war schon fast im Trockenlager, als ich ihn am Kragen packte. „Das hast doch wieder Du eingefädelt“, zischte ich. Er wand sich. „Sie zahlen doch gut“, stammelte er, „und dann die Werbung – das ist die Auftaktsendung.“ „Und dafür verkaufst Du mal wieder Deinen eigenen Bruder?“ Er ließ den Kopf hängen. Wie oft hatte Hansi mit seinen Schnapsideen alles auf den Kopf gestellt, statt sich auf den Service zu konzentrieren. Es war ein Wunder, dass der Laden noch nicht drei Dutzend Male pleite gegangen, abgebrannt, in die Luft geflogen oder in Grund und Boden geklagt worden war. „Wir bräuchten einen neuen Spüler, und dann der Weinkeller, und wenn wir uns das neue Besteck kaufen wollen…“ Ich ließ ihn gehen. Würde er Bruno jetzt unter die Augen geraten, die Sache ginge auf keinen Fall gut aus.

„Hier ausleuchten“, kommandierte der Typ mit der Schirmmütze. Die Kabelschlepper schleppten Kabel, die Beleuchter warfen Schein, und schon strahlte es sonnenhell in die Küchenecke. „Mein Gemüse“, klagte Petermann. Der Entremetier, die rechte Hand des Chefs, blickte kummervoll auf Spargel und Blattsalate. „Wenn die Scheinwerfer nicht bald verschwinden, welkt mir die Hälfte unter den Händen weg!“ „Mir doch egal“, raunzte der TV-Macher, „dann kaufen Sie den Scheiß doch neu. Ich brauche mehr Licht. Für meine Süße.“ Keine Geringere als Heidemarie Weißlurch, notorisch in jedem mittelmäßigen Fernsehfilm sichtbar – die meisten Filme waren schon vorher mittelmäßig, bei den anderen wurden sie es durch ihre Präsenz – und nicht begabt fürs Gemüseputzen, stellte sich etwas an mit der Kartoffel. „Das ist ein Schinkenmesser“, stöhnte Petermann. Heidemarie kümmerte es nicht.

„Wenn ich es richtig verstanden habe, werden ein Dutzend Schauspieler und sonstige Pappnasen hier Kochen spielen.“ Bruno nickte. Sein Bart vibrierte. Im Hintergrund kippte Mick Schnickers, der Untalentierteste unter den schlechteren Schlagersängern, eine ganze Flasche Balsamico über dem Kopfsalat aus. Bruno ballte die Fäuste. Ich konnte ihn gerade noch zurückhalten. „Ich werde fragen, welche Rolle Du als Küchenmeister hier spielst.“

„Gar keine“, schmatzte der Aufnahmeleiter, während er mit den Fingern auf der Platte mit dem frischen Kalbsbraten herumwühlte. „Die Vorspeise für dreißig Personen“, sagte Petermann tonlos. „Kann ich alles in die Tonne treten.“ Hansi rang die Hände. „Wir kommen nicht aus dem Vertrag raus“, jammerte er. „Was fangen wir nur an?“ Unterdessen zerlegte die Truppe Vorräte und Gerätschaften. Bruno fauchte jeden von ihnen an. „Macht er toll“, höhnte der Glotzenbonze. „So ohne Drehbuch, also echt Respekt. Den Mist schneiden wir dann rein, so zwischendurch.“ Der Nachwuchsrapper mit dem nicht aussprechbaren Namen hatte gerade die Gewürze entdeckt. Zumindest das Salz hatte es ihm angetan. Fassungslos sah Petermann zu, wie der Hampelmann auch noch die Kalbsbouillon zugrunde richtete.

„Das Format heißt Teufels Küche“, berichtete Hansi. „D-Promis verwandeln ein Spitzenrestaurant in eine Irrenanstalt, und danach zeigen sie, wie die Ergebnisse von Feinschmeckern verkostet werden.“ Ich kratzte mich am Kinn. „Mir ist nicht bekannt, dass ein renommierter Kritiker sich das antun würde, wenigstens nicht freiwillig.“ „Vielleicht hat einer von ihnen so hohe Schulden, dass – “ Petermann winkte ab. Wie Heidemarie eine Karotte nach der anderen in die Raspelmaschine stopfte, hätte jeden Fresspapst vom Stuhl gejagt.

Wieder langte der Fernsehfritze zu, diesmal mit ungewaschenen Fingern in den geräucherten Lachs. Die Beiköchin griff instinktiv zum Beil. „Schade“, mampfte er, „dass wir diese Folge gar nicht senden können. Dabei hätte ich Ihnen das Honorar so gegönnt.“ Bruno klappte der Kiefer nach unten. „Normalerweise haben wir immer ein paar Gäste, denen wir den ganzen Müll hier vorsetzen, aber Sie müssen ja heute unbedingt Ruhetag haben. Und wir können schlecht die Weißlurch mit Trüffelresten filmen. Nehmen Sie’s sportlich, Herr Dings. Dafür kommt Ihre Bude hier auch nicht in unsere Sendung.“

„Moment mal.“ Der Aufnahmeleiter sah mich fragend an, dann etwas weniger fragend, schließlich mit einer Spur von Panik in seinem Blick. „Sie sind doch auch noch da. Und wir könnten schnell einen Ecktisch im Gastraum ausleuchten, nicht wahr?“ Die Beleuchter waren schon zu lange im Geschäft, um sich irgendeinem Befehl zu widersetzen. Rasch sengte grelles Wüstenlicht über dem blütenweißen Damast, und Hansi tischte auf. „Möhrenrohkost auf Essigsalat“, annoncierte er, den Teller mit dem unangenehm gesprenkelten Blattwerk vor den Gast hievend. Der stocherte etwas lustlos in der Sache umher, wobei ihm der Schweiß um so heftiger von der Stirn rann. „Und ein Teller Kalbsbrühe extra.“ Bruno stand hinter der Kamera, die Kelle schlagbereit in der Rechten. „Und das wird jetzt gelöffelt. Bis zum letzten Tropfen.“

Der ungebetene Gast war auf dem Weg zur Kanalisation ein paar Mal mit der Wand kollidiert, hatte dann aber den Hinterausgang erreicht. Man hörte nur sehr gedämpft, wie er sich brüllend in den Ausguss erbrach. Die bebeilte Beiköchin stellte sicher, dass alles gefilmt wurde. Bruno tupfte sich mit dem Halstuch das Gesicht ab. „Und wenn er Glück hat“, knurrte er, „kommt er damit nicht ins Fernsehen.“


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