„Also steht es schon fest, dass dieses Energiegesetz in Karlsruhe scheitern wird?“ „Wissen wir nicht.“ „Aber Gabriel hat doch alles dafür getan.“ „Das stimmt. Aber nur dafür, dass es scheitert.“ „Und das war nicht vorher abzusehen?“ „Das steht noch nicht fest.“
„Die EU-Kommission war ja nicht so begeistert von der Arbeit dieser Regierung.“ „Wann war sie das schon mal.“ „Immerhin wird die Industrie doch wieder bevorzugt.“ „Na und?“ „Die SPD hat doch schließlich immer gegen die ganzen Ausnahmen und Privilegien aus der FDP-Gesetzgebung gewettert.“ „Falls es Ihnen entgangen sein sollte, es war dieselbe Bundeskanzlerin.“ „Das hilft ihr aber auch nicht weiter auf dem Weg, als Klimaretterin in die Geschichte einzugehen.“ „Als erstes braucht sie einen passablen Job in der Energiebranche, wenn sie nicht mehr antritt.“ „Und deshalb müssen sie jetzt plötzlich dieses Kapitalförderungsprogramm, getarnt als Ökostromgesetz, durchs Parlament mogeln?“ „Es ist Fußball-Weltmeisterschaft, was erwarten Sie.“ „Und deshalb winkt der Bundestag alles durch?“ „Nicht der Bundestag. Nur die Regierung. Das ist ein kleiner Unterschied.“ „Nur theoretisch.“ „Bitte, nein. Sie können doch nicht den ganzen Bundestag für die Demokratiedefizite der Regierung verantwortlich machen.“
„Hat denn dies Monstrum den Energiemarkt irgendwie geordnet?“ „Wissen wir nicht.“ „Aber die wollten doch die Ausnahmen besser strukturieren und den Strommarkt investitionsfreundlicher machen und…“ „Das steht noch nicht fest.“ „Wusste das denn der Bundestag nicht?“ „Das stand noch nicht fest.“ „Die haben also mal wieder ein Gesetz durchgewunken, das sie gar nicht gelesen haben?“ „Wissen wir nicht.“ „Die müssen doch wissen, ob sie es gelesen haben!“ „Das schon, aber wir wissen nicht, ob sie es schon wissen. Ich meine, zweihundert Seiten mit exakt null Minuten Zeit zum Lesen sind auch etwas zu kurz, um das zu beurteilen.“ „Wieso macht die SPD so etwas mit?“ „Keine Ahnung. Sie wollen Praxiserfahrungen sammeln, wenn das Freihandelsabkommen auf der Tagesordnung steht.“
„Gerade das wäre doch jetzt die Gelegenheit, sich zu profilieren.“ „Gegen die Industrie?“ „Gegen die Bundeskanzlerin natürlich.“ „Wozu denn? die haben ja gerade erst die gemeinsame Lösung mit Juncker gefunden, da verprellt man sich nicht die besten Partner.“ „Moment, hat nicht Gabriel erst mal vollmundig erklärt, dass er für den Rückzug von Schulz Opfer fordert?“ „Die Bundeskanzlerin arbeitet mit ihm zusammen. Was erwarten Sie denn noch? dass sich Merkel ein Ohr abschneidet?“ „Sie könnte ja wenigstens auf die Kritiker in ihren eigenen Reihen hören.“ „Hätte sie das je getan, wäre sie jetzt alles, aber nicht an der Regierung.“
„Wie kann sich diese Regierung überhaupt für so einen Unsinn hergeben?“ „Zugzwang.“ „Zugzwang?“ „Eine der Schwierigkeiten der Schwergewichtskoalition ist das Problem, dass sie die Opposition nicht jetzt mehr für ihr Scheitern verantwortlich machen kann.“ „Sie müssen sich also alle opfern?“ „Man opfert in erster Linie die Sachen, die man nicht mehr braucht.“ „Also das deutsche Volk?“ „Eher den Parlamentarismus. Den Wähler brauchen sie ja irgendwann wieder.“
„Wissen Sie, ich habe ja ohnehin einen völlig anderen Zugang zu dieser ganzen Sache.“ „Sie bezahlen keine Stromrechnung?“ „Quatsch, ich meine die SPD.“ „Na, für die zahlen Sie. Ob Sie wollen oder nicht.“ „Darum geht’s doch. Die sind nämlich auf dem Rückweg zur Macht.“ „Und wo sind sie jetzt?“ „Das weiß keiner, am wenigsten die Sozialdemokraten. Auf jeden Fall werden sie jetzt eine gewaltige Veränderung einleiten. Eine Revolution!“ „Die SPD und eine Revolution. Aha.“ „Glauben Sie mir!“ „Diese SPD war noch immer das wirksamste Mittel, um ihr eigenes Parteiprogramm zu verhindern.“ „Möglicherweise werden sie jetzt ja völlig anders.“ „Sie meinen, die Sozialdemokraten wirtschaften jetzt plötzlich für die Verbraucher, statt wie sonst die Unternehmen mit möglichst steuerfreien Gewinnen zu beglücken?“ „Jetzt werden Sie doch nicht gleich utopisch.“
„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann versaut Gabriel diesmal das EEG vorsätzlich?“ „Richtig, weil er nämlich eine große Vision hat.“ „Und was findet man beim, wenn er damit beim Arzt war?“ „Er bringt die Linke an die Macht.“ „Sind Sie sich ganz sicher, dass nicht Sie unter den Visionen leiden?“ „Glauben Sie mir, das wird eine der epochalen…“ „Nicht schon wieder, die Hartz-Gesetze haben schon gereicht.“ „… Entwicklungen, um die uns Europa beneidet und die…“ „Hören Sie mir überhaupt zu?“ „… als Exportschlager die deutsche Vorrangstellung in der EU festigen.“ „Dann wäre ja immerhin dies geklärt.“ „Was?“ „Dass Sie mir nicht zuhören.“
„Aber es hat doch nur Vorteile.“ „Immerhin wissen wir schon, dass Gabriel für größere Aufgaben vollkommen inkompetent ist.“ „Eben.“ „Und das sehen Sie als Vorteil?“ „Natürlich. Diesmal braucht er einfach die Linke. Oder er hat von der Bundeskanzlerin gelernt und macht es ihr nach.“ „Dass er sich Koalitionspartner sucht, mit denen er das durchziehen kann, was die CDU nicht mitmacht? Oder meinen Sie, er wolle die Linke plattmachen wie seinerzeit Merkel die FDP?“ „Das steht noch nicht fest.“
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