„Doch, wir kriegen das hin, ganz bestimmt. Vielleicht nicht alle Türklinken, und bei den Lichtschaltern müssen wir ein improvisieren, aber wir kriegen das hin. So ein enorm großes Bauvorhaben hat man nicht alle Tage, und ich sage Ihnen, wir arbeiten mit Hochdruck. Wir kriegen das hin. Sie müssen mir glauben.
Das Baugewerbe ist nun mal hart. Da geht es nicht immer nur um sachliche Entscheidungen – doch, geht es auch, aber zum Großteil ist es eine persönliche Herausforderung, dass die Sache fertig wird. Es gibt so viele Dinge, die sich unterordnen müssen, so viele persönliche Bedürfnisse. Gut, nicht meine, aber so allgemein eben halt. Wir bringen alle Opfer, und wir geben so vielen Menschen die Gelegenheit, mit gutem Beispiel voranzugehen und sich solidarisch zu zeigen für die große Sache.
Es werden so viele Dinge gebaut auf unserem Planeten, da muss man sich doch wegen ein paar Kleinigkeiten nicht aufregen, oder? Denken Sie etwa, die Leute hätten sich damals aufgeregt, weil der Eiffelturm nicht die richtige Farbe gehabt hätte? oder keine Klimaregulierung? Oder denken Sie, die Chinesische Mauer hätte man nachhaltig bauen sollen? Haben denn die Leute damals eine Volksbefragung gestartet, ob man das Lincoln Memorial verkehrsgünstiger hätte hinklotzen sollen? Meine Güte, in welcher Welt leben denn Sie?
Richtig, man muss auch mal an die Wirtschaft denken. Vor allem an die vielen Leute, die sie am Laufen halten. Und zwar nicht nur die ganzen Aufsichtsratsvorsitzenden und die Vorstände und das mittlere Management. Die natürlich auch, klar. Aber letztlich ist das doch auch immer eine politische Entscheidung, und da ist es auch unsere Pflicht als Demokraten, dass wir die Träger unserer Verantwortung – nein, lassen Sie es mich so sagen: die, die wir gewählt haben, damit wir die Verantwortung tragen, dass die, die wir gewählt, oder wenigstens sind die in Ämter hineingeraten, und das kann man ihnen ja auch nicht unbedingt zum Vorwurf machen, oder? Oder!?
Überhaupt, die ständigen Korruptionsvorwürfe – sagen Sie mir doch mal, wo bekommen Sie denn heute noch eine Genehmigung umsonst? Erzählen Sie mir nicht, das sei nur ein Problem mit den Gesetzen, das ist für uns ein Problem mit den Gesetzen, ja, aber anders, als Sie das meinen. Wir tun ja schon unser Möglichstes, damit wir alles einhalten können. Zeitpläne und so. Und die Vorstellungen unserer Investoren. Und da muss man schon mal Abstriche machen.
Natürlich auch an die Funktionalität, das ist ja ganz klar. Zeigen Sie mir die Kathedrale, in der es nicht eine Ecke gibt, die so ein klein wenig zugig ist. Wo Sie nicht direkt bis in die Kuppel schauen können. Oder wo das Licht etwas unvorteilhaft sein könnte, wenn Sie fotografieren. Da haben die Baumeister halt ein bisschen geschlampt. Aber reißen wir dafür etwa gleich den Petersdom ein? Sehen Sie, ich wusste gleich, dass Sie vernünftig sind. Was würden wir den Leuten damit auch antun. Wir leben in einer mobilen Welt. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen, dass manche Leute um den halben Globus reisen, und dann sollen wir sie im allerletzten Augenblick enttäuschen? Wir?
Wir haben uns das nämlich zertifizieren lassen, weil da immer wieder Presseberichte auftauchen. Lohndumping, ausländische Gastarbeiter, die um ihre Entgelte betrogen werden, arbeitsrechtliche Bestimmungen werden nicht eingehalten, keine Schutzmaßnahmen, wissen Sie: man hat ja viel Verständnis. Aber wissen Sie, was das kosten würde, wenn man hier immer mit dem Gesetzbuch unter dem arm herumlaufen würde? Das möchte ich nicht in der Zeitung lesen. Dann reden sie nämlich alle wieder über Verschwendung und was das alles kostet.
Natürlich haben wir ein Problem mit diesen Marionetten, die da an der Spitze stehen, die sind doch das Sinnbild für Korruption, Selbstherrlichkeit und Größenwahn. Natürlich wären wir die gerne los, nach Möglichkeit noch heute. Aber mal ganz ehrlich, auch wenn das alles scheiße läuft und nicht fertig wird und teurer wird und völlig unsozial ist uns letztlich absolut überflüssiger Renommierkram für ein paar superreiche Drecksäcke, die sich die Kohle gegenseitig auf die Schwarzgeldkonten schaufeln: ohne die hätten wir doch den Zuschlag nie gekriegt. Es geht halt um die große Sache.
Wir haben ja auch schon einen Schuldigen gefunden, wenn es nicht klappt. Ich meine, es wird natürlich alles fristgemäß, und da können Sie sicher sein, und da müssen Sie uns einfach glauben. Aber wenn wir bei der Eröffnung nicht in der ersten Reihe sitzen, dann können Sie sich ausrechnen, dass wir auch nicht vor jedem Publikum auftreten.
Wenn Sie Interesse an einem guten Management haben, würde ich vorschlagen, dass wir in Kontakt bleiben. Sie werden ja irgendwann mit dem Planungsstadium so weit sein, dass Sie genaue Vorstellungen von einer Baudurchführung haben. Meine Adresse ist Ihnen ja bekannt, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie gegebenenfalls ein Angebot für Ihre – wie? Nein, nicht Katar. Woher haben Sie denn das? Ich bin hier für die Elektrik im Flughafen Berlin Brandenburg der ausführende – hallo? Hallo!? Aufgelegt.“
Satzspiegel