Cyber! Cyber!

10 06 2014

„Das liegt jetzt aber nicht am Cyber-Sicherheitsrat, der ist ja meistens informiert. Die tun zwar nichts, die wollen nur spielen, aber wenn wir mal eine Art Gefährdungslage – konkrete Fälle? Nein, kann ich nicht sagen. Hier kennen sich die Leute mit diesen Computern nicht so aus. Im Cyber-Abwehrzentrum sind wir eher für Großalarm und so zuständig.

Weil, hier arbeitet ja auch keiner. Also die Leute sind schon da, es ist eben eine Behörde, aber haben Fachkräftemangel. Die meisten hatten das richtige Parteibuch, aber wir mussten noch mehr Planstellen besetzen, und da haben wir dann auf Kräfte ohne politische Erfahrung setzen müssen. Gut, dass das Innenminister Friedrich nicht gelesen hat. Der hat ja seine Berichte meistens nicht –

Sie müssen bedenken, es ist ein deutsches Abwehrzentrum. Wenn hier nicht immer alle bei der Lagebesprechung anwesend sind, dann liegt das nicht nur daran, dass wir diese Posten mit allen in Frage kommenden Leuten besetzen mussten, die sich mit dem Thema Interwebnetz und Computer nicht auskennen, damit keiner von denen beleidigt ist. Das gibt das in deutschen Behörden so beliebte Kompetenzgerangel, und daran sieht man dann, dass alle auf Augenhöhe arbeiten. Nichts funktioniert, aber es funktioniert wenigstens politisch ausgewogen nicht. Wieso zweiter Grund? Ach so, das meinen Sie. Das liegt natürlich dann auch daran, dass wir hier ausschließlich Fachleute beschäftigen, die ihre bisherigen Posten nicht so einfach aufgeben konnten. Wenn Sie in einer Firma für, sagen wir mal, Sicherheitssoftware arbeiten, und dann bekommen Sie, sagen wir mal, einen Posten in einer Bundeseinrichtung, auf dem Sie entscheiden, ob und wie viel Geld an welche Unternehmen für Sicherheitssoftware ausgegeben wird, dann werden Sie doch nicht einfach aus dem Aufsichtsrat verschwinden, oder? Wenn solche Schwächungen in der Wirtschaft erstmal einreißen, dann haben die Terroristen doch quasi schon gewonnen, oder nicht?

Immerhin werden wir jedes Jahr von den Fachleuten informiert, was es Neues im Internetz gibt. Wir könnten auch selbst nachgucken, aber Sie wissen ja, am Ende hackt uns einer dabei. Und dann ist unser Sicherheitszentrum nicht mehr sicher. Das können wir doch nicht riskieren.

Außerdem gehen wir streng methodisch vor. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bewertet mögliche Angriffe technisch, das Bundesamt für Verfassungsschutz findet heraus, ob es sich möglicherweise um einen ausländischen Angriff gehandelt haben könnte, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bewertet die Auswirkungen auf die Infrastrukturen, und dann überlegt sich irgendwer, ob wir da etwas unternehmen. Nein, diese Sicherheitsleute sind jetzt nicht die Hellsten, was die Technik angeht, aber dafür haben die Schlapphüte vom Verfassungsschutz bei ausländischen Nachrichtendiensten auch keinerlei Kompetenz. Wir wissen dann innerhalb kurzer Zeit, dass wir alle keine Ahnung haben, und das entspricht dann wie zu erwarten dem Sachstand des Bundesinnenministers.

Wenn Sie so wollen, könnte man unser Abwehrzentrum natürlich auch ersatzlos streichen, weil wir noch gar nicht angegriffen worden sind. Also nicht so, dass wir uns dagegen hätten wehren können wollen, wenn wir gedurft hätten. Aber dann kann man auch die Bundeswehr zumachen, weil wir bisher noch keinen ordentlichen Krieg hatten. Eben, das ist eine politisch Entscheidung, und die Politik hat nun mal dafür zu sorgen, dass dieser Angriff auch als halbwegs realistische Chance für –

Das ist eine Frage der Kompetenz. Wir sind hier bisher noch nicht tätig geworden, weil das Abhören des Kanzlerinnentelefons keine Gefährdung für die nationale Sicherheit darstellt. Keine Gefahr für die nationale Sicherheit, kein Einschreiten des Nationalen Abwehrzentrums. Klar, oder? Das macht jetzt der Generalbundesanwalt. Wird ein bisschen dauern, wir hoffen, er hat bis Ende des Jahres gerafft, was ein Telefon ist. Die Kollegen haben dann mit Sicherheit einen Burnout, und dann übernimmt das nächste Team. 2022 hat er dann kapiert, dass Datenpakete nicht mit der Postkutsche ausgeliefert werden.

Wir geben unsere Informationen dann auch nur einmal im Jahr weiter, verstehen Sie? Das ist natürlich alles Teil der Strategie. Stellen Sie sich doch mal vor, wir werden von irgendjemandem gehackt, und dann machen wir das sofort publik. Das ist doch kontraproduktiv, dann wissen diese Terroristen ja sofort, dass wir das herausgefunden haben. Dann tun wir doch lieber so, als hätten wir nichts gemerkt, dann geben die Hacker vielleicht Ruhe. Wobei, wenn wir es wirklich nicht merken, dann sagen wir natürlich auch nichts. Aber das darf ich Ihnen ja eigentlich gar nicht –

Aber sicher sind wir effektiv. Wir haben unsere Aufgabe doch bestens in den Griff gekriegt. Wir wehren ab, dass dieses Cybernetz in Deutschland einen nennenswerte Rolle spielt. Darum ging es Friedrich doch. Oder was hatten Sie gedacht?“