„Wir arbeiten daran. Doch, wir wollen das so schnell wie möglich geklärt haben, und dann werden wir die Konsequenzen ziehen, hier beim Bundesnachrichtendienst und natürlich auch auf personeller Ebene in der deutschen Politik. Sonst ist die Fußball-WM vorbei und wir sind wieder ständig in den Nachrichten.
Das wussten wir ja nicht. Wir wussten nur, dass unser Mitarbeiter seine Informationen an die amerikanischen Behörden weitergibt, also an die NSA, und die würde das sicherlich an die CIA weitergeben oder an sonst irgendeinen Verein. Das wussten wir. Dass er aber seine Informationen an eine amerikanische Behörde weitergibt, das wussten wir nicht. Nein, falsch. Ich erkläre es Ihnen noch mal: er hat die Informationen nicht geheim weitergegeben, das ist ja schließlich sein Job. Wir sind schließlich ein Geheimdienst. Er hat sie, also ich würde mal sagen, geheim weitergegeben, aber so, dass das für den Geheimdienst, dem er sie im Geheimen, und das ist jetzt der eine, nicht der – hören Sie mir überhaupt noch zu? – also so eine Art Geheimnisverkrämerei. Da ist jetzt etwas schief gelaufen, ja. Und da stellen sich uns natürlich zwei Fragen: wer wusste davon, und wem können wir die Schuld geben?
Weil das auch ein Unterschied zwischen den USA und Deutschland ist. Da drüben herrscht auch ein politischer Pluralismus, aber eben ganz anders. Wir sind ein Bundesstaat, die sind ein Staatenbund. Wir haben den BND, die haben echte Geheimdienste. Also mehrere. Man muss hier nach einem sehr differenzierten Modell von Wertigkeiten denken, das sollten Sie doch wissen: 80 Millionen Bundesbürger sind nicht relevant, 20 Mitglieder des Deutschen Bundestages schon. Sie kennen das sicher aus Rechenaufgaben mit einem US-Bürger und sämtlichen Insassen von Guantanamo Bay.
Reagieren müsste man schon, das ist richtig. Wir haben uns aber noch nicht entscheiden, was wir tun sollen. Es gäbe da, grob gesagt, zwei unterschiedliche Szenarien. Nach dem ersten würde sich der Innenminister öffentlich positionieren und verlautbaren, dass das alles überhaupt nicht im Rahmen der bisherigen Erkenntnisse verlaufen ist, und dann wird der Generalbundesanwalt sagen, dass er noch gar nicht rausgekriegt hat, warum die NASA ständig auf der Erde herumtelefoniert, und dann wird die Bundeskanzlerin sagen, sie habe zwar absolut keine Ahnung, dafür interessiere sie das Thema allerdings auch nicht. Den Zeitplan kriegt man schon hin, oder wir improvisieren, oder Pofalla fragt mal nach, ob Friedrich schon etwas rausgekriegt hat. Fall eins. Ich finde, das ist eine gute Alternative. Geradezu alternativlos. Ja, zu Fall zwei doch: wir machen erstmal gar nichts, und dann ist auch endlich gut.
Sehen Sie auch mal die Vorteile. Früher musste man ja alles nach der Konferenz erst mal kopieren. Ich erinnere mich noch lebhaft damals an meine Ausbildung, diese endlose Schlange vor dem Kopierer – nein, ich war da schon zu Hause, das macht immer die Schreibkraft, wozu ist die eine Frau – und dann fehlte da eine Seite, und dann muss man da etwas austauschen, und heute? Die schreiben das einfach mit, wir drucken aus, fertig. Sehen Sie auch mal das Positive.
Immerhin hat der Kollege keine internen Papiere ausgespäht. Das sagt die NSA. Ja, kann man schon so sehen, dass es dann eigentlich keine echte Spionage war. Wir könnten die ganzen Untersuchungen jetzt einstellen, und dann kann das Außenministerium weiterhin so tun, als würden sie mit den USA den Dialog suchen, und dann wird das ein schönes rhetorisches Selbstgespräch, und dann ist der Sommer auch irgendwann wieder vorbei und es kommen die wichtigen politischen Fragen zurück. Aber auf der anderen Seite hieße das ja, wir haben den Amerikanern etwas nicht geliefert. Die sitzen da und warten, dass wir ihnen Material zur Entlastung schicken – mitgefangen, mitgehangen – und dann kommen wir denen mit dem Grundgesetz? Grundgesetz, da lachen die doch! Für die ist Grundgesetz Ground Zero, da haben die keinen Bedarf, das sind für uns transatlantische Verpflichtungen, und das heißt auf Deutsch: Amerikanische Freundschaft. Mit denen ist man ja immer gleich friends, man braucht die gar nicht zu kennen, man will nichts von denen, aber wenn sie einen denn in Frieden lassen: friends. So ist das eben.
Nur die CSU hatte wieder mal keine Ahnung. Aber das ist normal. Wenn ich Doppelagent wäre, würde ich auch zuerst den CIA beliefern und dann die Russen. Und dann vielleicht die CSU. Das ist keine Frage des Geldes. Aber ein bisschen Ehre hat man doch auch noch im Leib, oder?
Am besten wäre das ja, der Verfassungsschutz würde hier einmal unkompliziert Amtshilfe leisten. NSA, NSU, das nimmt sich doch nichts. Dann könnten wir auf eine Zeugenaussage unseres ehemaligen Mitarbeiters verzichten, die würde dann nicht nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, und wir könnten den Fall komplett abschließen. Einmal müssten wir die Sache noch vorsichtig hochkochen lassen, um kurz vor dem Wahlkampf die Vorratsdatenspeicherung gegen die EU-Richtlinie durchzusetzen, aber wie die EU kurz vor dem Wahlkampf aussieht, das ist dann auch schon wieder sekundär. Und stellen Sie sich mal vor, die US-Regierung wäre über Deutschland verärgert. Wollen Sie das etwa riskieren?“
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