„Wundervoll!“ Umständlich klebte sich Herr Breschke ein Stück Heftpflaster auf den Daumen. „So scharf hatte ich meine Küchenmesser ja noch nie!“ Ich hätte ihn doch besser warnen sollen, dass der Wetzstein sein Versprechen halten würde. Stattdessen kramte er mit der lädierten Linken schon wieder in der Jackentasche.
„Eine Münze“, klagte der pensionierte Amtsrat, „ich muss Ihnen doch die erste Münze geben, die ich finde. Sonst schneidet es unsere Freundschaft entzwei.“ „Das muss südliches Ostwestfalen sein“, befand ich. „In den anderen Landstrichen meiner Heimat pflegt man nur bei Scheren zu bezahlen, und auch dann, wenn man sie sich kaufen lässt.“ Er nuschelte noch immer, was auch am Daumen in seinem Mund lag. „Mein Urgroßvater mütterlicherseits, aber den werden Sie nicht mehr kennen, und der hatte ebenfalls, und damals gab es noch nicht einmal den Euro.“ Immerhin hatte er nur ein Kupferstückchen in der Tasche gefunden, es blieb bei der symbolischen Bezahlung. Dennoch fand ich es merkwürdig. Seit wann war er derart abergläubisch? „Ich würde ja heute nicht mehr den Rasen mähen.“ Über den Platanen sammelte sich graues Gewölk, es sah nach leichten Schauern aus. „Wissen Sie, donnerstags zwischen den Eisheiligen und den Hundstagen, das bringt ja meist eine schlechte Ernte.“ Horst Breschke schielte auf seine Rosen. Ich schielte auf sein Apfelbäumchen, zwar klein und noch nicht zu mehr bereit als zu einer spärlichen Blüten, aber gucken konnte man ja mal. „Und mit dem Wässern wäre ich auch sehr vorsichtig. Wenn man nach dem Regen gießt, hört an angeblich die Frösche lachen.“ „Jaja“, beeilte sich der Alte. „Das weiß man doch.“
Schnell hatte ich noch den Rechen umgedreht – wer in eine Harke tritt, die an der Hauswand lehnt, muss sieben Tage lang mit Kopfschmerzen rechnen – und den Werkzeugkasten am Fuße der Kellertreppe inspiziert, da kam auch schon der Hausherr. „Wegen des Apfelbäumchens, ob man da nicht – “ „Vor allem sollten Sie keine Wäsche im Garten aufhängen.“ Er guckte irritiert. Tatsächlich hing da ein Handtuch über der Teppichstange, aber das reichte aus. „Stellen Sie sich vor, eine Frau in guter Hoffnung liefe unter der Teppichstange durch.“ „Sie würde sich den Kopf stoßen.“ Ich blickte ihn an. Er schwieg betroffen.
Das Haus hielt einer genauen Überprüfung nicht lange stand. „Das Hufeisen an der Kellertreppe hängt ein bisschen schief“, informierte ich den Hausherrn. „Sie sollten wissen, dass das nicht nur den finanziellen Status beeinflusst, auch Ihre Gesundheit könnte davon in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Breschke druckste herum. „Sie glauben nicht daran?“ Verschämt schüttelte er den Kopf. „Macht nichts“, tröstete ich ihn. „Es soll angeblich trotzdem helfen.“
Bismarck lag friedlich in seinem Weidenkorb und schlummerte; der eigenwillige Dackel störte sich nicht an dem Aufruhr. Möglich, dass er der Vernünftigerer der beiden war. „Glauben Sie an Wasseradern?“ „Ich habe bisher noch keine gesehen“, gab ich amüsiert zurück. Bestimmt gehörte dies zu Breschkes Inventar, und ich müsste das Gespräch in eine ganz neue Richtung lenken, um ihn zum Umdenken anzuregen. Andererseits würde ich mit einem Grundriss von Feng-Shui-Lehre und Erdstrahlen nur schlafende Hunde wecken, und Bismarck wäre keiner von ihnen. „Am besten bewegen Sie den Korb nicht, während er darin schläft.“ Der alte Mann kratzte sich an der Stirn. „Dann also, wenn er gerade im Garten ist?“ Ich wurde überzeugend bleich. „Bloß nicht! Er will sich doch hinterher wieder hineinlegen!“ „Meine Frau meinte das auch schon“, gab Breschke kleinlaut zu. „Neulich wäre sie fast über den Korb gestolpert, weil jemand ihn verrückt haben muss. Und dann ist sie beim Staubsaugen auch ständig dagegengekommen.“ Es musste einen Grund geben, warum dieses Tier sich so unruhig benahm, an manchen Tagen mehrmals bellte und an anderen viel schlief. Welche eine günstige Fügung , dass ich gerade an diesem Tag sein Haus inspizierte.
„Das muss einmal ein Werbegeschenk gewesen sein“, grübelte Herr Breschke. „Oder unsere Tochter hat es irgendwann mal mitgebracht von einer Reise.“ „Es hat aber bisher noch keine negativen Einflüsse ausgeübt?“ Er schüttelte den Kopf. „Wir hatten einmal einen Wasserschaden, aber das kann auch daran liegen, dass ich damals den Hahn nicht ganz zugedreht hatte.“ Ich drehte das Kettchen mit dem Blechamulett zwischen den Fingern. „Es könnte sich durchaus um einen Unglücksmagneten handeln.“ Da er noch skeptisch blickte, musste ich die Sache präzisieren. „Die negative Strahlung muss ja irgendwohin – das leuchtet Ihnen doch ein?“ Er nickte unwillkürlich. „Dann müssen wir es vergraben.“ „Hier im Garten?“ Ich winkte energisch ab. „Und das ganze Grundstück verseuchen? Nichts da. Das Ding vergraben wir schön beim Nachbarn.“
Allein Bismarck zeigte sich einige Zeit lang recht interessiert an der Ligusterhecke. Gut, dass man wenigstens sein Körbchen in Ruhe ließ.
Satzspiegel