Begräbnisstimmung

15 07 2014

„Genauen Zeitplan haben wir noch keinen. Aller Wahrscheinlichkeit nach 2015, aber das ist auch noch nicht ganz klar. Natürlich können wir Ihnen einen genauen Zeitplan zufaxen, aber dann warten Sie bis einen Tag vor Merkels Amtsverzicht, ja?

Hören Sie, wir sind nicht das Hinterzimmer in der CDU-Bundeszentrale, wir sind das Kanzleramt. Da kriegt man halt nicht so viele Details aus der Regierung mit. Die Hauptsache ist doch, dass wir im Falle eines Falles wirklich alle darauf vorbereitet sind. Dann müssen wir alle so nach ihrer Pfeife tanzen, als hätte sie uns selbst – doch, stimmt eigentlich. Tun wir ja jetzt schon.

Doch, wir wüssten es auch gerne. Aber uns verrät ja keiner was. Wenn unser Draht zur CIA besser wäre, dann vielleicht. Die wissen angeblich immer schon vorher, was man selbst erst lange hinterher noch nicht weiß. Aber es steht fest, Merkel zieht sich zurück. Ganz plötzlich. Sie stellt die Partei vor vollendete Tatsachen, wie immer, und dann überlegt sie es sich noch mal anders, und dann geht sie doch. Weil das dann irgendwann alternativlos ist.

Die Partei muss sich auch verjüngen. Deutlich sogar, die ganzen Rentner brauchen doch auch mal was Frisches zum Angucken. Deshalb muss die CDU auch weiblicher werden. Und eben viel jünger. So knapp über fünfzig, da gucken Sie mal in den Landesverbänden. Da müssen ein paar Tanten sein, die man in den Bundesvorstand hieven könnte. Nicht gerade intellektuelle Überfliegerinnen, finden Sie wahrscheinlich sowieso nicht, und möglichst aus Hessen, damit die Pappnasen Ruhe geben. Eine Quotenlesbe nicht vergessen. Und diesmal alle Dissertationen vorher überprüfen lassen. Wir können uns nicht schon wieder so eine Blamage erlauben.

Das mit den Gedenksendungen lassen wir mal besser. Am Ende redet sich unser Staatsfernsehen noch heraus, dass es parteipolitisch nicht genau zu verorten sei, und dann kommen wieder langwierige Diskussionen. Nein, das ist blöd. Briefmarken wären eine nette Idee. Oder eine paneuropäische Ein-Euro-Münze. Damit wir im Gedächtnis behalten, wem wir das alles zu verdanken haben.

Ach nein, kein Hochamt. Sie ist doch nicht der Papst. Ein simpler Parteitag, der sie wie eine Erlöserin feiert, würde völlig ausreichen. Vielleicht noch ein paar wehklagende Töne im Vorfeld, und dann sind alle voll des Lobes, dass sie ihre Nachfolge so außerordentlich klug geregelt hat. Es darf nur keine – wieso Begräbnisstimmung? Wer hat etwas von Begräbnisstimmung gesagt? Wir dürfen nicht öffentlich zeigen, dass die CDU sich ein zweites Loch in den Hintern freut.

Man könnte es durchaus mit einem Ritual zur innerparteilichen Reinigung verbinden, ja. Das hat so etwas Quasireligiöses. Die Große Vorsitzende geht, und zurück lässt sie rauchende Trümmer. Man könnte einen ihrer Kritiker aufbewahren und in epischer Breite plattmachen. Dann hat sie sich gegen den letzten Feind in den eigenen Reihen durchgesetzt und kann die Partei in die Zukunft entlassen.

Aber das ist natürlich kein Rücktritt. Sie würde nie im Leben zurücktreten. Eher würde sie den Kohl machen und überall erzählen, sie hätte bei der NSA versprochen, keinen zu verpetzen. Die tritt nicht zurück.

Wieso von der Leyen? Nein, die wird doch noch gebraucht. Als Übergangskanzlette. Denken Sie doch mal logisch: Merkel wird von einer Frau auf dem Chefsessel ersetzt, und das ist dann zufällig wieder so ein Superweib, das Deutschland von einer goldenen Ära zur nächsten führt? Da haben Sie sich aber geschnitten. Die wird es gründlich versemmeln, dafür sorgen schon Merkels getreue Fallensteller. Ein Vierteljahr, dann fordert die Springerpresse Uschis Kopf. In Sülze. Nach Mutti kommt erstmal gar nichts.

Die sitzt das aus. Doch, die sitzt das so was von aus, dagegen war Mappus das personifizierte ADHS. Wenn eines Tages die Erderwärmung sämtliche Gletscher simultan abschmelzen, der Reformstau die Überreste Europas über die Landschaft hobelt und de SPD nicht rechtzeitig beiseite springt, dann seien Sie froh, dass die Frau im Weg sitzt. Dann findet der Weltuntergang nicht statt. Die sitzt das aus.

Niemals ein Risiko eingehen. Wenn das Bundesverfassungsgericht uns zwingt, Snowden in Deutschland zu verhören, dann besteht immer die Gefahr, dass er plötzlich die Wahrheit aufdeckt. Dann wird das möglicherweise doch noch eine Beerdigung. Oder er verrät uns die größte Schweinerei, die seit dem 11. September auf deutschem Boden geschehen ist. Oder seit 1989. Oder davor. Man weiß ja nicht, in welcher Liga die Kanzlerin spielt.

Wie gesagt, wir haben noch keinen genauen Zeitplan. Lassen Sie uns einfach in Verbindung bleiben, wir setzen Sie auf unseren Mailverteiler, und dann erfahren Sie es sofort. Versprochen. Nein, wir wissen es wirklich nicht. Vorher könnte eine Landtagswahl kommen. Nein, nicht mehr dieses Jahr. Und auch nicht zu Weihnachten. Nein. Und ganz sicher nicht, bevor bei den Energiekonzernen ein Aufsichtsratsposten frei ist.“