Integrationskurs

23 07 2014

„Natürlich ist das eine ehrenvolle Aufgabe für Sie als Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, ich wäre stolz, meinem Vaterland so einen Dienst erweisen zu dürfen. Abgesehen davon bin ich ziemlich froh, dass Sie das tun. Ich bin ja zum Glück keiner von diesen Scheißausländern.

Bitte nennen Sie das nicht Missbrauch, das könnte letztlich dazu führen, dass wir unsere doch verhältnismäßig integrationsfreundliche Haltung Ihnen gegenüber nochmals gründlich überdenken. Sie müssen doch zugeben, Sie haben es nicht schlecht hier. Sie sind zwar ein Scheißausländer, aber man lässt Sie größtenteils in Ruhe. Hat man Sie in den letzten vierundzwanzig Stunden auf der Straße angespuckt? Dann sollten Sie wissen, was Sie zu tun und zu lassen haben, damit das so bleibt.

Sehen Sie das nicht als Diskriminierung an, das ist es gar nicht. Eher als eine Art exklusives Angebot, das wir nur Ihrer Bevölkerungsgruppe unterbreiten. Wie eine Art Sprachunterricht zum Beispiel, den brauchen ja echte Deutsche auch nicht. Gut, in Sachsen vielleicht oder in Bayern. Aber die echten Deutschen nicht.

Sie haben ganz direkt die Chance, die Wirtschaft zu verbessern. Nicht nur die deutsche, also im Grunde genommen ist es eigentlich gar nicht so sehr die deutsche, aber es ist die Wirtschaft, und wir haben viele Verbündete, beispielsweise die USA. Die haben herbe Rückschläge hinnehmen müssen in letzter Zeit. Sogar von höchster Stelle hört man, dass wir denen gar nicht mehr so richtig helfen können. Keine Drohnen, keine Nacktscanner, und dies Verfassungsgericht macht denen ständig alle Investitionspläne kaputt. Unser Verfassungsgericht, wenn man es genau nimmt. Da muss man doch mit seinen Verbündeten einschreiten, oder?

Und genau so ein Verbündeter sind Sie jetzt. Als Staatsbürger mit sichtbarem Migrationshintergrund. Jetzt haben Sie sich doch nicht gleich so, man sieht doch, dass Sie aus der Wüste kommen. Merkt man am Namen. Typisch muslimisch. Ach, sind Sie gar nicht? Erzählen Sie das dem Papierkorb. Für alle, die Sie nicht kennen, sind Sie halt einer von diesen Scheißausländern. Sie können sich gerne dagegen wehren, es nützt Ihnen nur leider nichts.

Ich will Ihnen gegenüber ganz offen sein: wir brauchen Sie. Ja, wir brauchen Sie wirklich! Sie sind für uns unverzichtbar, weil nur Sie diese so wichtige Rolle ausfüllen können, die unsere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit den Verbündeten stabilisiert und nachhaltig fördert. Sie sind das fehlende Puzzlestück. Ohne Sie wären wir aufgeschmissen. Wir brauchen Sie wirklich. Und Ihre Herkunft, Ihr Aussehen, das, was wir alle von Ihnen denken und halten und als was wir Sie betrachten, macht Sie zu etwas ganz Besonderem.

Sie sind doch ein gesellschaftliches Nichts. Sie sind eine Last für den Sozialstaat, weil sie faul und ungebildet und – tatsächlich? Na egal, dann nehmen Sie eben einem deutschblütigen Chefarzt seinen Job weg. Sie sind ein Scheißausländer, aus der Nummer kommen Sie nicht mehr raus. Tun Sie sich doch selbst einen Gefallen und opfern Sie sich auf. Für eine sichere Gesellschaft. Für ein besseres Miteinander. Und dafür, dass wir in unseren Sonntagsreden immer wieder gerne betonen, wie weit die Integration vorangeschritten ist und dass die meisten Fremden gar nicht so schlimm sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen.

Wir brauchen Sie als Personifikation des Bösen. Schauen Sie, einer muss doch der Terrorist sein. Einer muss es machen. Und glauben Sie mir, wir haben schon viele Alternativen ausprobiert. Nazis aus dem Verfassungsschutz, deutsche Konvertiten und jugendliche Computerspieler mit Zugang zu schlecht verschlossenen Waffenschränken – können Sie alles in die Tonne treten. Der gute alte Muslim mit Migrationshintergrund, der ist einfach nicht zu schlagen. So einer wie Sie. Gut, dann eben einer, der so aussieht, wenn man aussieht, wie Sie aussehen, ist doch egal. Ihnen traut man eine Flugzeugentführung oder eine Kofferbombe am Bahnhof nun mal eher zu als einem bärtigen Kölner mit roten Haaren, der etwas Hokuspokus veranstaltet. Sie haben halt diese gewisse Glaubwürdigkeit, die man für so etwas braucht.

Zahlen können wir Ihnen nichts, das ist richtig. Aber darum geht es doch auch gar nicht. Zumindest uns nicht. Ihnen bietet sich hier die einmalige Gelegenheit, die Sicherheitsindustrie zu stärken. Wir brauchen Sie als Buhmann. Die Innenpolitik braucht Sie. Die Medien nicht zu vergessen – Ihr Gesicht in einer Boulevardzeitung, da ruft doch der anständige Deutsche sofort nach den Arbeitslagern. Freuen Sie sich. Sie stabilisieren Deutschland. Das kann man von den vielen echten Deutschen, die nicht die Bildungsvoraussetzungen dazu haben, nicht immer behaupten. Fühlen Sie sich gebraucht. Sie sind es nämlich.

Also denken Sie auch mal an Ihre Familie. Ihre Kinder sollen es doch einmal besser haben als Sie, oder? Gut. Dann sind Sie bitte morgen pünktlich beim Einsatz, bringen Sie den Zünder mit, widersetzen Sie sich bei der Festnahme, und dann könnten wir bei der Vergabe einer Lehrstelle ein paar Beziehungen spielen lassen. Denken Sie an Deutschland. Sie wollen doch dazugehören.“