
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Jede Firma hat ihre angenehmen Seiten, die Kantine, in der freundliche Menschen matschige Bratkartoffeln auf ungespülte Teller hieven, den Empfang, wo ein chronisch schlecht gelaunter Pförtner die Besucher anschnauzt, und den Vorstand, der sich die Boni gegenseitig in diverse Körperöffnungen schiebt und ansonsten mit der Wirklichkeit nicht konfrontiert zu werden wünscht. Es gibt eine Rechts- und eine Personalabteilung, eine Lohnbuchhaltung und einen Fuhrpark, einen Werkstattleiter, der im Sondermaschinenbau viel besser aufgehoben war als in der Pharmabranche, und eine Chefsekretärin, die sämtliche Termine im Kopf hat. Und es gibt jene Bereiche, die nur durch ein verwinkeltes System aus Gängen überhaupt erreicht werden können. Tageslicht wäre hier reine Verschwendung. Wer in diesem Verlies hockt, scheint gestraft, doch hat es nicht besser verdient. Diese Abteilung ist auch durch großflächige Napalmanwendung nur aufzuwerten. Es ist die Gegenwelt, die jede makellose Unternehmung braucht, um ihre Machenschaften an der Oberfläche rein zu erhalten. Es ist der Vertrieb.
Nichts gegen die Werbung, die uns mit heiter-sympathischem Stumpfsinn die Vorzüge von Joghurt und Langstreckenraketen nahebringt. Jede Industrie will leben, aber das will der Verbraucher auch, und je besser man den Schmadder wegklicken kann, desto netter findet man ihn bei einmaliger Berührung. Erst die stupide Wiederholung, die dem Verkäufer der Schlüssel für den durchschlagenden Erfolg zu sein scheint, die flächendeckende Penetranz und die billige Konditionierung des Ausbieters auf das Ausbleiben von Schlägen vervollkommnen das trübe Bild, das das Management von seinen Mitarbeitern und also von seinen Kunden hat. Sie schwiemeln Ware in den Markt, von Idioten für Idioten, und sie lassen die Arbeit dazu von Idioten erledigen.
Gewöhnlich beginnt die Vertriebsanalyse des neuen Produkts mit einer Risikobewertung, und das größte Risiko ist immer der Kunde, vielmehr: der subtile Verdacht, dass der potenzielle Käufer schon bei flüchtiger Beschäftigung mit der Thematik eines Neukaufs zur Waffe greift, um via Katharsis den universellen Rechtszustand wiederherzustellen. Wie immer der Vertriebler den voraussichtlichen Käufer erreicht, ob an der Haustür, am Arbeitsplatz, am mobilen Endgerät, er weiß, dass er auf geballten Hass stoßen wird, wenn er sich mit seinem faden Marketinggewölle ins Ohr der Genervten popelt. Kein geistig gesunder Mensch täte sich die pseudopsychologisch geschniegelten Tiraden an, die ein Paradies in der Versandhauskatalogversion durch den Äther jodeln – alles ist supi, das Ding wackelt, das muss aber so, und wenn’s nicht geht, machen das die Kollegen aus der Abteilung Katastrophenbeseitigung.
Die Kundenbindung des Vertrieblers ist die Krone der Einseitigkeit: diese Scheiße kriegt man einfach nicht vom Schuh. Die ewig grinsenden Kotzbrocken halten ihre eigene Lästigkeit für eine Göttergabe, stolzieren wie Honigkuchenpferde im Vollbesitz der letzten Wahrheiten über verbrannte Erde und verfolgen lediglich das Interesse, als Arschkrampe des Jahres im limbischen System des Gegenübers Stellen zu erreichen, von denen Hitler geträumt hätte. Endgültig gewonnen hat der, der sein Ungezieferpräventionsgesicht in einem beliebigen Treppenhaus in eine beliebige Wohnung hängt und als Einpersonendrückerkolonne das anwesende Opfer als Endgegner des zivilisierten Zustandes mit Marketingmüll zukübelt, bis der Mensch schon aus Verlangen, irgendwann mal in Ruhe sterben zu können, mundgeklöppelte Hamsterbettwäsche aus Biobambus zu kaufen bereit ist, im Dreijahresabo ohne Rückgaberecht, Vorkasse und bar, natürlich unter Verzicht auf jegliche Regressansprüche, falls der Schmodder beim Öffnen der Umverpackung die Zimmerpflanzen in die Ewigkeit schickt. Dafür erhalten sie Punkte, kleine Herzchen und einen neuen Klingelton, denn womit sonst könnte man diese Aggregatzustände des Dämlichen sonst noch steuern, wenn nicht durch kontrolliert beigebrachten Schmerz oder alkoholische Grundversorgung. Auch Braunalgen entwickeln in diesem Milieu sehr subtile Verhaltensmuster, sie sind im Gegensatz zu den Vertrieblern nur nicht so leicht zu manipulieren.
Es ist ein Kraut gewachsen gegen dieses Unheil. Einfache Belästigungen sind durch reflexhaftes Auflegen des Telefons zu stoppen, in schwereren Fällen wirkt eine Tür aus Massivholz beruhigend, wenn sie im Kieferbereich des Blödföhns eine nachhaltige Materialkaltverformung auslöst. Gepriesen jedoch, wer den Lichtschalter findet und das Geziefer gleich an der Quelle bekämpft. Wer ein zu weiches Herz hat, dämpft sein Leiden in der Vorstellung, dass auch klampfende Kollateralmaden in der U-Bahn Vertriebler sind und gegen eine klare Ansprache sicher nichts einzuwenden haben. Was man als Verbraucher auch immer zurückgeben sollte. Man ist ja schließlich serviceorientiert.
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