Olympisches Dorf

4 09 2014

„Haben Sie denn wenigstens einen Flughafen?“ „Jungchen, wollen wir witzig werden? Hat denn Berlin einen?“ „Aber wenn Sie keinen…“ „Und wenn Sie denken, bis dahin haben die das Ding auf die Reihe gekriegt: das können wir ja schon lange.“ „Aber liebe gnädige Frau, das ist…“ „Und falls Sie fragen, wir haben keine philharmonische Ruine in der Landschaft stehen. Gar nicht nötig.“ „Gut, aber ich kann das trotzdem so nicht aufnehmen.“ „Ah, verstehe. Oberhalb Ihrer Kompetenzstufe.“ „Bitte verstehen Sie mich doch – Olympische Spiele! Was sollen wir denn dem Komitee sagen? Soltau?“

„Also bis jetzt war das ja alles mau. Argumente sind Ihnen wohl ausgegangen?“ „Verstehen Sie mich doch – um die Olympischen Spiele auszurichten bedarf es großer infrastruktureller…“ „Kennen wir, sagt mein Mann ja auf der Sitzung auch immer. Am Ende wird’s dann immer etwas ungemütlich, weil ein paar Bauunternehmer das mit der Umsatzsteuer nicht genau genommen haben.“ „Aber das hier sind große Anstrengungen, und ich will Ihrem niedersächsischen Städtchen ja nun nicht zu nahe treten, aber…“ „Halt mal die Luft an, Du Kekstüte! Das Geraffel, das die in Berlin seit zehn Jahren nicht auf die Reihe gekriegt haben, das ziehen wir in sechs Monaten hoch! Hier kennt jeder den anderen, hier wird nicht versehentlich einer zum Bauleiter, der gar keine Ausbildung hat!“ „Gut und schön, aber alleine der Flächenbedarf ist doch schon…“ „Deshalb nehmen Sie lieber zugebaute Stadtstaaten, oder? Wenn wir erst mal anfangen, dann wackelt die Heide, Kumpello!“ „Aber Sie haben doch gar nicht…“ „Ach, haben wir nicht? Tetendorf, Oeningen, Leitzingen, Molde, da passt überall noch eine Schwimmhalle oder ein Reitplatz rein.“ „Das mag ja alles sein, nur bedenken Sie, die Wege für die Sportler müssen doch…“ „Die sollen mal fixing bisschen Trimmtrab zwischendurch machen, oder brauchen die für die paar hundert Meter auch noch eigene Buslinien? Sind das Sportler oder sind das Mäuschen, hä!?“

„Liebe, verehrte Frau, ich will Ihr Engagement gar nicht gering schätzen, nur ist…“ „Spar das Geschmuse, Jungchen. Der Verein hat seine Schmiergelder schon ausgegeben.“ „Ach wo! Es ist nur, wir müssen nur um das Wohl der Athleten besorgt sein, und ich glaube kaum, dass Ihre örtlichen Betriebe…“ „Jetzt halt mal die Luft an, Du Schnösel! Die paar Buletten, die kriegt unser Schlachter um die Ecke locker hin. Auf Wunsch auch ohne Fleisch.“ „Mag ja sein, aber unsere…“ „Eure internationalen Werbepartner wollen ihren eigenen Sägemehlpapp verkaufen? Dann frage ich mich, wozu wir überhaupt die Verpflegung alleine aufziehen müssen?“ „Aber wir müssen doch die Auflagen der internationalen…“ „Ihr müsst, wir nicht. Ihr wollt was von uns, klar?“

„Trotzdem glaube ich nicht, dass wir das hinkriegen.“ „Müssen Sie auch gar nicht. Wir schaffen das schon ganz gut alleine.“ „Also nichts gegen Soltau, aber Sie haben doch überhaupt keine Erfahrung mit solchen Veranstaltungen.“ „Und die Winterspiele in einem Seebadeort, das war natürlich eine Routinesache, was?“ „Nein, aber…“ „Das hat auch nur deshalb so gut geklappt, weil alle so geflasht waren, etwas technisch total Neues auf die Beine zu stellen, wie?“ „Nein, Sie müssen nicht denken, dass wir jetzt eine generelle Ablehnung gegenüber kleineren Städten haben, aber vielleicht sind die personellen Ressourcen ganz einfach…“ „Was ist das denn wieder für ein Dummfug? Jungchen, ist da einer zu Hause? Wissen wir eigentlich, wie groß London ist? dann können wir uns die Zimmermädchen und die Parkplatzwächter rein theoretisch aus Hamburg und Hannover reinholen. Kann es sein, dass wir ganz einfach nur jede Menge Probleme machen wollen, damit wir selbst nicht arbeiten müssen? kann das sein!?“

„Sie müssen doch aber zugeben, es braucht auch in den Metropolen natürlich viele Neubauten, und der Platzbedarf muss ökologisch…“ „Was wollt Ihr Dumpfbacken denn nun eigentlich? Ökobau oder Wirtschaftsaufschwung? Oder beides? Entscheidet Euch gefälligst mal für eine Marschrichtung, wir kriegen das sowieso hin – aber nur, wenn Ihr uns nicht mit Eurem Gejammer den letzten Nerv raubt.“ „Ich wollte ja bloß…“ „Jaja, und dann war wieder keiner schuld. Typisch Funktionär.“

„Natürlich muss dann auch ein Konzept vorliegen, wie die Bauten nach den Spielen genutzt werden.“ „Was stellen Sie sich denn so vor? das Leichtathletikstadion für Kunstflug und die Schwimmhalle zum Turnen?“ „Nein, ich dachte eher ans Olympische Dorf.“ „Da haben Sie recht, preiswerten Wohnraum kann man sich heutzutage ja gar nicht mehr leisten. Da muss Ihren Sponsoren natürlich sofort was einfallen.“ „Jetzt seien Sie doch nicht gleich so empfindlich!“ „Wer ist denn hier empfindlich? Vorgestern wollen Sie noch, dass jeder Kandidat so ein Stadion hat wie in Berlin, und gestern meinen Sie, das Ding muss eh neu gebaut werden. Was denn jetzt? Pommes und einen unterirdischen Bahnhof dazu?“

„Okay, Sie haben gewonnen.“ „Na, wer sagt’s denn? warum nicht gleich so?“ „Das ist die Liste mit den erforderlichen Unterlagen, und hier ist unsere Anschrift für eventuelle Rückfragen.“ „Schönen Dank auch. Ach, wo wir hier gerade so nett am Plaudern sind, diese Fußball-WM da in Katar – da geht doch noch was, oder?“