Voll-Beschäftigung

8 09 2014

„Und die kann man doch auch mal streichen, weil die haben ja genug zu tun.“ „Moment, das waren aber nicht die aus der Fortbildungsmaßnahme?“ „Doch, aber Bewerbungstraining gehört jetzt auch dazu.“ „Noch einen?“ „Gerne.“ „Na Kollegen, wie steht’s denn mit der Statistik? Alles am Werden?“ „Na sicher.“ „Unbedingt!“ „Sagen Sie mal, Sie trinken doch nicht etwa?“ „Nahaain!“ „Ach was!“

„Ist er weg?“ „Ja.“ „Mann, der kann sich aber auch anschleichen!“ „À propos, die Schwangeren könnten wir doch auch rausnehmen.“ „Und die Mütter mit Kindern bis zu drei Jahren.“ „Mit welcher Begründung?“ „Dass sie schon genug zu tun haben mit den Kindern, da gelten sie dann eben nicht als beschäftigungslos.“ „Cool!“ „Und wieder ein paar Tausend weniger.“ „Da wird sich die Geschäftsleitung aber freuen.“ „Noch einen?“ „Noch einen!“

„Wir sollten uns nämlich langsam mal auf eine neue Statistik vorbereiten.“ „Also auf die, die wir selbst machen?“ „Eben. Bis zur nächsten Wahl braucht die Regierung eine stufenweise Annäherung an die Vollbeschäftigung.“ „Fachkräftemangel ist aber weiter integriert?“ „Aber sicher, an dem Konzept haben wir zu langer gesessen, um es jetzt plötzlich nicht mehr zu verwenden.“ „Man könnte die ganzen Arbeitslosen im Bereich Mangelberufe aus der Statistik streichen.“ „Genial! Dann haben wir auf einen Schlag unheimlich viele Arbeitslose weg!“ „Und es gibt endlich einen statistischen Beweis für den Fachkräftemangel. Noch einen?“ „Immer her damit!“

„Sagen Sie mal, haben Sie hier irgendwo die – ich rieche hier doch irgendwas? Hauchen Sie mich mal an!“ „Möchten Sie auch so ein Pfefferminz?“ „Also irgendwas ist hier.“ „Ist er weg?“ „Moment noch.“ „Also ich könnte noch einen vertragen.“ „Gehen wir doch mal an die Rentner.“ „Die sind doch gar nicht arbeitslos.“ „Nicht? So kann man sich täuschen.“ „Doch, hier: immer mehr Rentner arbeiten.“

„Und wenn wir jetzt die Behindertenwerkstätten auch noch mit einrechnen?“ „Moment mal, für die sind wir aber gar nicht zuständig.“ „Würde ich auch so sehen. Ist das bisher jemandem aufgefallen?“ „Nö.“ „Dann sind wir ab jetzt für die zuständig.“ „Und die werden von uns nicht mehr als arbeitslos eingestuft?“ „Das waren die nie, deshalb sind – waren wir für die ja auch nicht zuständig.“ „Und jetzt sind wir das?“ „Auf jeden Fall sind das ab jetzt wir.“ „Aber die sind doch offiziell erwerbsunfähig.“ „Deshalb sind wir für sie als Erwerbslose ja auch zuständig.“ „Und was zahlen wir denen?“ „Ja gar nichts. Die haben ja schließlich Arbeit, und deshalb zählen wir sie ab sofort auch mit zu den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.“ „Und was haben wir davon?“ „Gucken Sie sich mal die Statistik an.“ „Oha! Noch einen?“ „Her damit!“

„Dann könnten wir Jugendhilfeeinrichtungen auch mit einrechnen?“ „Wird da gearbeitet?“ „Klar, das erhöht die Quote.“ „Dann gelten die als arbeitende Bevölkerung.“ „Strafgefangene?“ „Arbeiten.“ „Nebenerwerbslandwirte?“ „Klar, die arbeiten.“ „Bundesbeamte?“ „Arbeitende… nee, das geht doch nicht.“ „Egal, bissel Schwund ist ja immer.“ „Noch einen?“ „Klar:“ „Der geht aber ganz schön in die Birne.“ „Klar, aber unser Fachgebiet ist ja auch Voll-Beschäftigung, hähä!“ „Hähähä!“

„Wir haben da noch die Bumstis.“ „Die was!?“ „Na diese Zivis.“ „Also die Bufdis?“ „Sag ich doch.“ „Aber die kriegen doch auch nur ein Taschengeld.“ „Richtig so, das ist doch schließlich eine freiwillige Leistung. Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder fürs Arbeiten immer gleich Geld haben wollte?“ „Aber wenn es doch nur ein Freiwilligendienst ist, dann sind die doch gar nicht sozialversicherungspflichtig angestellt.“ „Die wollen immer nur Geld haben – ekelhaft! Am Ende reicht denen der Mindestlohn nicht mehr aus, und das als Freiwillige! Abstoßend!“ „Hallo?“ „Ich finde das einfach zum – was?“ „Das ist der Bundesfreiwilligendienst, da gibt es keine Sozialversicherungspflicht.“ „Natürlich nicht, das wäre ja wohl auch noch schöner!“ „Aber die kann man doch nicht als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer rechnen, wenn sie es gar nicht sind!“ „Arbeiten die?“ „So würde ich es nicht nennen, die sind doch eher…“ „Das ist eine volkswirtschaftlich äußerst wichtige Arbeit, also: arbeitend.“ „Moment, dann könnten wir doch auch gleich die Ein-Euro-Jobber in die…“ „Meine Güte, wie konnte ich die bloß vergessen!? Das hätte ja was werden können, das hätte ja was werden können! Neue Flasche?“ „Meinetwegen.“

„Dann bleibt uns – hupp! – nur noch eine Gruppe.“ „Aber die Rentner waren…“ „Nee, die Arbeitslosen.“ „Die sind dann aber nicht sozial, und beschäftigt, also pflichtbeschäftigt – meine Herrn, der haut jetzt vielleicht rein!“ „Die sind nicht beschäftigt, aber Pflicht ist, und wir sind auch nicht sozial.“ „Aber die tun die ganze Zeit irgendwas.“ „Notfalls schwarz.“ „Kann man das Gegenteil beweisen?“ „Ist das unsere Aufgabe? Kann man nicht einfach mal Vertrauen haben in dieser Gesellschaft?“ „Genau! Und darauf nehm ich noch einen.“ „Mir auch noch’n, ’n Doppelten aber, ich nehm auch noch’n.“ „Dann nehm ich auch noch’n.“ „Und die Arbeitslosen?“ „Gibt doch jetzt keine mehr.“ „Haben wir endlich Vollbeschäftigung.“ „Können wir mal, mal sehen, was diese Regierung, was die alle einfällt.“ „Donnerwetter. Da sollten wir jetzt aber auf jeden – “ „Da trink ich auch noch ein drauf.“ „Aber hallo!“ „So, fertig. Dann können wir morgen weitermachen.“ „Nee, nur gleich! Wir sind doch gerade so schön in Schwung, was?“ „Reicht der noch?“ „Im Kühlschrank ist noch ’ne Pulle.“ „Und wenn der Chef kommt?“ „Da sind noch Pfefferminz im Schreibtisch, oder?“ „Und was machen wir jetzt?“ „Ausrechnen, dass zu viel Ausländer in Deutschland sind.“