„Nee, können Sie knicken. Wir machen uns doch hier nicht zum Affen, nur weil Sie einer sind. Das können Sie voll vergessen. Sie kriegen jetzt ein beschleunigtes Asylverfahren – drei, zwo, eins, raus – und dann bleiben Sie gefälligst da, wo Sie hingehören, Kretschmann. Nämlich überall da, wo nicht Berlin ist.
Das ist nun mal das Wesen des Kompromisses, das müssen Sie als ehemaliger Hoffnungsträger doch verstehen. Die einen haben nicht gewonnen, dafür verlieren die anderen. Haben Sie ein Problem damit? dann ist ja gut, dann ist es wenigstens nicht meins. Sie wollten diesen Deal, gute Ausländer, schlechte Ausländer, und jetzt haben Sie ihn. Also Fresse halten, wenn Sie mit mir reden. Meckern können Sie immer noch im Wahlkampf, falls Sie den jemals erleben sollten. Die Chancen stehen jedenfalls sehr gut, schließlich ist Stuttgart total gut aufgestellt. Sagen Sie doch selbst immer. Dann bleiben Sie halt da, Kretschmann, und jedem ist gedient.
Dafür könnten Sie natürlich rein theoretisch arbeiten, wenn man Sie einreisen ließe, nicht wahr? Es muss zwar für jede zu besetzende Stelle erstmal kein Berliner da sein, und wir haben sowieso für jede Stelle ein Dutzend Berliner, und außerdem haben wir gar keine zu besetzenden Stellen, aber Sie dürfen gerne mitmachen. Dürften. Sie kommen hier ja nicht rein.
Doch, raus dürfen Sie jederzeit. Falls die in Bayern etwas für ein katholischen Dumpfschädel frei haben, reisen Sie ruhig ein. Wie Sie ein Visum kriegen, das ist mir allerdings völlig wumpe. Wenn Ihnen Ihre Vergangenheit als Kaderkommunist auf die Füße fallen sollte, berufen Sie sich ruhig darauf, dass das in einem freien Land kein Hindernis sein dürfe. Auf dem Papier ist ja Bayern ein Rechtsstaat, genau wie Berlin. Aber wenn Sie nun mal den Radikalenerlass am Hals gehabt haben, dann werden wir Sie keinesfalls aufnehmen können. Schließlich haben Sie sich nach anderswo und damals geltendem Recht strafbar gemacht oder zumindest falsch verhalten. Für Sie als gelernten Ethiker sicher einzusehen, nicht wahr?
Rein theoretisch bekämen Sie jetzt auch mehr Geld und weniger Sachleistungen. Statt pro Mann am Monatsanfang eine Palette Eier auszuhändigen kriegen Sie jetzt sechs Euro dreißig. Wenn Sie sich das Mehl, einen Esslöffel Salz, Küchenmaschine und Kochtopf und Herd und Geschirr und Besteck dazudenken, ist eine vierköpfige Familie davon eine Woche lang versorgt. Eine Handvoll Spätzle, Kretschmann, mehr braucht doch einer wie Sie nicht. Armut, die fängt doch für Sie wesentlich darunter an.
Sie müssen uns aber auch mal verstehen. Dieses ganze Multikulti und so, das ist gescheitert. Ihr Maultaschenfresser gehört einfach nicht hierhin, ist doch klar. Ihr könnt Euer Brauchtum, Kehrwoche und Bahnhöfe verbuddeln und so, das könnt Ihr doch alles schön zu Hause machen. Werdet Ihr zu Hause von den Nachbarn ethnisch verfolgt? Seid Ihr auf wirtschaftliche Unterstützung durch den Sozialstaat Berlin angewiesen, weil Eure Kinder sonst verhungern? Und jetzt kommen Sie mir nicht damit, dass Sie im Winter frieren müssen. Den Schlossplatz haben Sie ohne fremde Hilfe abgeholzt.
Sehen Sie es ein, Baden-Württemberg ist ein sicheres Herkunftsland. Wenn Ihnen da die Polizei mit dem Wasserwerfer die Augen raus schießt, dann ist das folkloristisch gemeint. Und Sie sind meines Wissens auch ein weißer, heterosexueller Katholik mit akademischem Hintergrund, oder? Sehen Sie, was wollen Sie da groß auswandern. Von der Sorte haben wir in Berlin schon genug. Und die können sogar Hochdeutsch!
Nein, das gilt hier nicht, Kretschmann. Ihre Eltern können meinetwegen aus der Mongolei eingewandert sein, Sie können sich hier nicht als Heimatvertriebener durchmogeln. Ihnen ging’s im Schwabenland immer gut, Sie waren politisch geduldet, und jetzt wollen Sie urplötzlich raus? Nach Ihrer Theorie kann das doch nicht sein, Sie gehören doch per Definition zu den nicht verfolgten Personen? Jetzt bitte keine Wortklaubereien, Kretschmann. Sie müssen unbedingt einwandern können, damit von denen, die Ihres Erachtens nach überhaupt nicht einwandern sollen, mehr durch das beschleunigte Abweisungsverfahren fallen? Machen Sie sich doch nicht noch lächerlicher als sonst, Kretschmann. Ist doch alles dieselbe Zigeunersoße. Wir haben eben dieses Verfahren, weil Sie und Ihre Kumpels keine Einzelfallentscheidungen mehr wollten, sondern eine wahlkampfkompatible Tür-zu-Regelung. Und jetzt jammern Sie mir die Ohren voll, weil Sie unter Ihrer eigenen Entscheidung zu leiden haben? Demokratie heißt also bei Ihnen, Hauptsache, der eigene Arsch ist gerettet?
Für die Ossis, die sich regelmäßig beschweren, weil man ihnen mit parlamentarischer Demokratie auf den Sack geht, für die haben Sie doch Platz? Das ist ab jetzt so, wenn die einmal den Luftraum überm Ländle betreten haben, dann kriegen Sie die nicht mehr los. Schengen und so. Arschkarte, Kretschmann. Das haben Sie jetzt von Ihrer Bananenrepublik. Übrigens, nach Gelb kommt Braun. So, und dann schieben Sie mal ab, hier wollen noch ein paar andere in den Genuss staatsrechtlicher Instrumentarien kommen. – Der nächste, bitte!“
Satzspiegel