„Meine Güte, es ist doch zum Schreien!“ „Lassen Sie sich nicht stören. Suchen Sie da etwas Bestimmtes?“ „Hören Sie doch auf, Sie stecken doch mit denen unter einer Decke!“ „Ich würde das nicht direkt abstreiten, ich wüsste nur gerne, worum es eigentlich geht.“ „Ich finde ihn nicht. Ich finde das verdammte Scheißding nicht!“ „Haben Sie Ihren Autoschlüssel verloren? Ihre Unschuld? Den Lottoschein?“ „Nein, den Markenkern der CDU!“
„Nehmen Sie’s locker, die Merkel weiß doch auch nicht mehr, wie das Teil aussieht.“ „Das ist doch der Punkt. Ich darf mir hier die Beschwerden von der untersten Parteiebene reinziehen, die wissen alle nicht mehr, was eigentlich der Markenkern der CDU ist, aber wenn ich denen sage, sie sollen halt auf die Kanzlerin hören, dann kann ich froh sein, wenn nicht die Hälfte der Besucher am selben Abend direkt austritt.“ „Oha!“ „Die wollen von mir wissen, warum sie in der CDU sind!?“ „Warum sind Sie denn in der CDU?“ „Weil dieser Laden mir das Gehalt zahlt.“ „Das käme ja an der Parteibasis nur so semidufte an, verstehe.“
„Aber mal ganz ehrlich, warum wollen die den Markenkern der CDU erfahren?“ „Eine Partei mit echter Perspektive auf die Zukunft? eine, die wirklich aus der DDR gelernt hat und erst recht aus dem Turbokapitalismus?“ „Ja,warum?“ „Eine Partei mit Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit und ganz viel spirituellem Überbau?“ „Das sind wir?“ „Nein, das ist die KPD. Schaffen Sie sich einen Markenkern an, dann müssen Sie nicht immer dieses Abgrenzungsgedöns hochwürgen.“ „Wollen wir doch gar nicht!“ „Und genau da fängt Ihr Problem an.“
„Haben wir denn einen Markenkern?“ „Momentan ja.“ „Na, dann ist ja alles…“ „Leider ist es gerade der sozialdemokratische.“ „Und die SPD?“ „Hat sich gerade den von den Grünen geborgt.“ „Die haben keinen mehr?“ „Sie wollten den von Kohl.“ „Ach.“ „Und der war dann schon weg, also haben sie den von der FDP genommen, oder eher: was davon noch übrig war.“ „Und die FDP?“ „Wozu braucht die einen Markenkern?“
„Wo kriegen wir denn jetzt einen Markenkern her?“ „Was fragen Sie mich? Ihre Kanzlerin ist doch mal sozialliberal und mal reaktionär und mal realsozialistisch. Die muss doch schließlich wissen, wie’s geht.“ „Was soll das denn werden? Immerhin haben wir einen hervorragenden Wert für die CDU, die weit oberhalb der sozialdemokratischen…“ „Sie haben vierzig Prozent, das ist ungefähr so viel, wie eine Opposition zum Ignorieren benötigt.“ „Und die SPD?“ „Ist nicht mal Opposition.“ „Aber die haben doch auch bald so viel wie die FDP vor ein paar Jahren.“ „Kein Wunder, die haben halt keinen Markenkern mehr.“
„Schauen Sie mal, wir haben doch die Kompetenz in Sachen Wirtschaft.“ „Das war die FDP, und das war entweder keine Wirtschaft oder keine Kompetenz.“ „Und wir haben die Bildung wesentlich…“ „… abgeschafft, stimmt. Das ist ein hübscher Schritt in Richtung Kernkompetenz, hat aber noch nicht viel mit der Marke zu tun.“ „Und die Abschaffung der Wehrpflicht?“ „Das war Markenkern.“ „Klasse!“ „Zerstörung des Markenkern, um’s genau zu sagen.“ „Und Mindestlohn?“ „Das war auch Markenkern.“ „Ja, ja, ja. Markenkern der SPD, wenn Sie’s genau sagen wollen.“ „Quatsch, das ist Markenkern der Linken. Wenn die SPD sich etwas ins Wahlprogramm schreibt, kann man doch davon ausgehen, dass sie es um jeden Preis verhindern will.“
„Was sollen wir denn machen? die Bürgerinnen und Bürger sind doch so anders geworden.“ „Das ist nur ein Problem. Das zweite ist, Sie haben es erst jetzt gemerkt.“ „Ach so.“ „Und das dritte: es ist Ihnen eigentlich auch egal.“ „Aber wir sind doch sehr für Klimaschutz und den Atomausstieg!“ „Aber Sie sind auch dafür, dass keine Windräder in Omi Müllers Vorgarten kommen, weil das fast so schlimm wäre wie ein Minarett.“ „Aber…“ „Aber wenn da nebenan ein Deutscher mit türkischem Vornamen einziehen würde, wäre das auch nicht schlimm, es sei denn, er würde sich nicht integrieren wollen, weil er schon seit seiner Geburt einen deutschen Pass hat.“ „Aber das…“ „Ich weiß, man kann das nicht vergleichen. Muss man aber.“
„Wie sollen wir uns denn jetzt ausrichten? Wir können doch nicht immer wieder das mit den Vertriebenen machen.“ „Muss ja auch nicht.“ „Also doch wieder nur freie Marktwirtschaft?“ „Warum so negativ?“ „Also, was machen wir jetzt?“ „Wissen Sie was? machen Sie es paradox.“ „Paradox?“ „Zeigen Sie den Leuten, dass Sie nur einen leeren Hut haben, das erhöht die Spannung und verstärkt das Zutrauen in eine positive Erwartungshaltung.“ „Wie soll das denn funktionieren?“ „Zeigen Sie den Leuten, dass Sie genau das nicht haben, worauf es ankommt, und dann werden sie Ihnen alles abkaufen.“ „Warum das denn?“ „Weil es nur besser werden kann.“ „Was zeige ich denen denn? Was haben wir denn?“ „Merkel.“
Satzspiegel