
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Mehr oder weniger die ganze Evolution basiert auf Nachahmung. Der Wurm krümmt sich, der Käfer dreht fleißig Pillen, der Fisch kommt bereits im Wasser zur Welt – praktischerweise, mag man sagen, wer würde ihm das Schwimmen beibringen. Mit der Steigerung der Intelligenz, genauer: der Bandbreite dessen, was eine Art als jeweils intelligent ansieht, wächst auch der Radius dessen, was derjenige Phänotyp noch als sinnvolles Handeln einstuft. Bei manchen mag regelmäßiges Nachtanzen des bürgerlichen Namens die Schwelle zum Hirnschmerz nicht überschreiten, bei anderen sind kollektiver Singsang, Teilnahme an nationalen Erweckungsmythen oder synchrones Lutschen von Globuli (unter Meditationsmusik) nicht umstritten. Sie sind glücklich, sie sind froh. Wo der Hominide intellektuell seinem Vorfahren über den Weg humpelt, da finden wir ein schönes Beispiel reiner Beknacktheit, wie sie nur selten getriggert wird durch grobe Reize. Der Beknackte macht alles nach, was sein Guru ihm gebietet. Aus welchem Grund auch immer.
Glücklich ohne Gluten, fleischlos fröhlich, jeden Tag einen Kilometer auf dem Einrad durchs Eiswasser. Nur so ist diese beschissene Existenz überhaupt einer Erwähnung wert, wenn Swami Rømpømpøm uns die Seligkeit vortrommelt. Wir haben bedingungslos zu folgen, sonst wird’s Essig mit dem Paradies auf diesseitiger Ackerkrume.
Nicht die großen Geister der Menschheit, Siddharta, Mahatma oder Madiba, üben ihren Einfluss auf die potenziell erwerbsfähige Menge der Konsumenten aus; es sind durchschnittliche Volksschulversager mit anderthalb Semestern Ökotrophologie und einem Wochenende Stilseminar im Hermine-Bumskötter-Institut für angewandtes Häkeln, die unserer gesellschaftlichen Mitte perfide in die Knie treten. Knochenaufbau dank Brötchenjonglage, mehr Durchblick dank Nachtschlaf im Liegen, Lohnsteuerjahresausgleich für Nebenerwerbsterroristen – alles geht, man muss es nur wollen. Unter den Steinen ploppt es hervor, Hirnprinzen und Dumpfschlümpfe, Hohlschwätzer allesamt, die aber wissen, wie man sofort die Hälfte des Körpergewichts verliert, im Schlaf Tennis lernt und seine Thrombose in die Tonne tritt. Je nach Vorleistung und Beklopptheit schafft der normale Depp es mit Orangenschale, Kniebeugen oder der Zauberformel des Osiris, die bis zur Zahlung von neunundvierzig Öcken geheim bleibt und hernach aus Orangenschale und Kniebeugen besteht. Die Gurus sind unter uns, und sie haben auf alles eine Antwort.
Vor allem erhellen die Methoden der Schwachstromerleuchter das denkende Publikum nur in Maßen. Wer zufällig weiß, dass der von den Massenmedien hochgespülte Getöseproduzent als Erbe eines Klobürstenkonzerns zwanzig Jahre lang Motorboot gefahren ist, bevor er in stillem Gebet die einzig wahre Technik erfuhr, Autolack von eingetrockneten Insekten zu befreien, der ordnet die Absonderungen der Hohlschwätzer ganz anders ein. Die wenigsten, die eine Flachzange zu kultischer Handlung in die Griffel nehmen, haben vorher damit gearbeitet; ihre verschwiemelten Ansichten über kardiovaskuläre Vorkommnisse, quanten- und ähnliche mechanische Zusammenhänge oder den baulichen Zustand von Nasszellen sind ähnlich belastbar. Allein das stört das Publikum nicht. Es ist dankbar für jede Verstörungstheorie, ahmt nach, turnt auf Anweisung und freut sich hübscher Anregungen, wie man sich schnell und schmerzfrei die Birne entkernt.
Langsam und leise driftet es ab in den allgemein akzeptierten Fetischismus, Laktose- und ähnliche Intoleranzen nicht mehr mit kassenärztlich erprobten Maßnahmen zu bekämpfen, sondern zu Heilseminaren zu pilgern, die zunächst dem Erkrankten die Schuld geben – er musste in dieser Inkarnation ja unbedingt mit einem Ekzem an den Start gehen – und dann die ganze Grütze auf seinem Rücken abladen. Leiden mit System und Spaß dabei verspricht die Methode; dreimal täglich handgerührtes Dingdong mit Trallala, dazu ein schamanisches Ruffduffduff, unbedingt Sonne und schlunzstängeliges Bocksfeuerkraut vermeiden, wenn man im Frühjahr wieder gesund werden will, und dann klappt’s auch mit den Nachfahren, die einen nach Depression, Mangelerkrankungen und Pickelbildung von der Klippe kippen wollen.
Gurus machen das Leben leicht und gut. Und wahrlich, Leicht- wie Gutgläubige haben einen Religionsersatz gefunden, wo die Popelpriester sich an vorgekauten Seelen austoben können, weil es keinen stört, wenn sie in geistigem Brachland holzen und bolzen. Wahrscheinlich ist der Vatikan selbst schuld, wenn er kein organisiertes Heilfasten mit Kardinal Klöbenspeck anbietet, inklusive Video, Blog, Buch, Wochenendkurs und lebensgroß gefertigtem Starschnitt für die Wohnküche. Die Identifikationsmuster lassen nach. Kein Wunder, wenn die Gesellschaft sich von innen zersetzt; kein Wunder, wenn ihr Kniebeugen und Orangenschale ausreichen, um den Krieg zu gewinnen. Auf der anderen Seite steht ja nicht mehr viel.
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