Grün hebt

30 11 2014

Agathe sieht sich im Profil.
Sie kann es gar nicht fassen.
Das also hat, es ist nicht viel,
die Jugend hinterlassen.
Sie sucht vor allem, weit und breit
die Schäden zu bedecken.
Was trägt sie nur? ein langes Kleid
wird ebendies bezwecken.
    Ein bisschen Gelb, ein bisschen Rot,
    das bringt die Sache nicht ins Lot.
    So spricht sie, und der Busen bebt:
    „Ich nehme Grün. Grün hebt!“

Herr Doktor Kunze denkt schwer nach.
Es muss doch etwas geben!
Wie streicht er bloß sein Schlafgemach,
die Gattin zu beleben?
Vorbei die Jahre, wo ihr Mund
ihn herzt und dabei lächelt.
Sie senkt sich in die Kissen und
entschlummert, schnarcht und röchelt.
    Ein bisschen Gelb, ein bisschen Rot,
    das bringt die Sache nicht ins Lot.
    So spricht er. Die Tapete klebt.
    „Ich nehme Grün. Grün hebt!“

Der Kanzlerin ist’s monoton.
Sie ist so satt und müde,
sie kennt diese Geschichte schon,
Ausgang und Attitüde.
Der Langeweile Hunger stillt,
die Stimmung zu verbessern,
in Fett gebacken, luftgefüllt,
der Schreck von vielen Essern.
    Ein bisschen Gelb, ein bisschen Rot,
    das bringt die Sache nicht ins Lot.
    So seht, was auf der Gabel schwebt.
    „Ich nehme Grün. Grün hebt!“





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCXX)

29 11 2014

Julito ahnt in Apalit,
dass man ihn nicht hört, aber sieht.
Stets öffnert er Türen
und Fenster; die führen
dazu, dass es dann gründlich zieht.

Abdallah, der suchte in Dscha’ar
nach einem, der tatsächlich da war.
Es führten die Spur ihn
nach nirgends, und nur ihn
noch kümmert, von wem dieses Haar war.

Warlito war in Antipolo
berüchtigt. Er galt als ein Prolo,
der gern in der Bar war,
und wenn es das war, war
er dann bis auf Weiteres solo.

Narcisse, der beschwert sich in Mamfe.
Doch nicht über lautes Gestampfe
(das kennt er angeblich),
es stört ihn erheblich
im Tiefgeschoss lautes Geklampfe.

Als Reverend Chua in Banna
im Kühlschrank nachsah, fand er Manna.
(Es war zwar nur Toast, doch
gab der reichlich Trost noch.)
Er rief darauf laut: „Hosianna!“

Flomena, die lieh sich in Pate
ein bisschen zu viel. Ihre Kate
hat Fenster noch Türen
nicht. Wo soll das führen
dahin? Und es fehlt manche Rate.

Es fröstelt Ghalib in Atok.
Doch zögert er nicht, und ad hoc
sucht er bei den Tassen
sich eine zu fassen
nebst Zucker und Rum, und braut Grog.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCLXVIII): Marktforschung

28 11 2014
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Man stelle sich eine Heilige Messe im ausgehenden Mittelalter vor. Der Kleriker leiert die Liturgie vor sich hin, das Volk schluckt routiniert den gebügelten Mehlpapp mit einem wänzigen Schlöckchen Tütenwein – und sofort wispert ein Ohrenbläser auf die Meute ein. Ob der Wein zu süß, etwas zu süß, etwas zu wenig süß oder gerade recht gewesen sei? die Oblate ordnungsgemäß dünn, viel zu dünn, nicht so sehr dünn oder ich-weiß-es-doch-auch-nicht ist? Und ob das immer so sei, und wenn es so sei, wäre das gut, besser, schlechter oder wen-interessiert-eigentlich-der-Scheiß? Und was man von Markennamen wie Eat & Pray hielte? Leichnam to go? Und ob man sich, der metaphysischen Dimension des Brot-und-Wein-Spektakels inne, für das Abo-Modell mit dreimal Schlucken und viermal Absolution erwärmen könnte, Herrenfeste inklusive? Der Mord im Dom wäre nur eine Frage der Zeit gewesen (zu schnell, etwas zu schnell, zu langsam, könnte schneller sein, gerade richtig, bitte fragen Sie meinen Nachbarn oder Schnauze jetzt), die Erfindung der Marktforschung war auch eine. Keine gute übrigens.

Von der Idee, Brot in Scheiben zu schneiden, über den supidupi Slogan Schnittbrot provoziert – Schnittbrot regt auf bis zur Verkostung von Voll- und Mehr- und Sechskornbrot schwiemeln sich die Hohlschwätzer eine Daseinsberechtigung aus den Rippen. In alten Zeiten, als noch ordentlich Brot verkauft und nicht lineare Absatzmärkte penetriert wurden, maß man den Erfolg an der Nachfrage. Inzwischen muss das reale Wachstum an der Dinkelkrustenfront die Erwartungen des Vorjahresquartals um mindestens zwei Prozentpunkte toppen, sonst steigen die Aktien zwar auch, aber nicht schneller (viel schneller, erheblich viel schneller, etwas schneller) als erwartet. Außerdem müssen sie wissen, ob chronische Mehrkornkauer auch blaue Bömmel an den Verpackungen tolerieren, weil Einheitsfarbe im Jahr eine Menge Produktionskosten sparte. Und ob es mehr oder weniger als fünf Prozent sind, denen das Verschlussteil an der Sitzfläche vorbeigeht.

Das Selbstgespräch der verhaltensauffälligen Deppen aus der Marketingabteilung kultiviert seine paranoiden Züge größtenteils durch Projektion auf die Kundenschicht. Wird der Verbraucher den Teppichreiniger und seine Schaumentwicklung auf einer Skala von eins bis sieben mit einer fünf bewerten, am Ende gar höher? Wird er den Schaum als fest, seine Konsistenz gar als sahnig, grobporig oder voluminös bezeichnen, vollkommen abgesehen von der Tatsache, dass die Plempe den Dreck auf dem Flokati holt? Wumpe. Zehn Jammerlappen schreien sich gegenseitig an, denn sie wissen, dass die Hälfte von ihnen nach dem Relaunch des Scheuerzeugs an die Frischluft gesetzt werden wird, sie wissen nur noch nicht, welche Hälfte. Möglicherweise sind die drei darunter, die für den Farbton Citro plädiert hatten, statt das Gebräu (farbidentisch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle) als Blasser Sonnenaufgang über einem flandrischen Frettchenfriedhof zu taufen. Wenn der Mist floppt und der Vorstand einen Sündenbock braucht, dann ist die Verkaufsabteilung froh, dass die jemanden dafür kreuzigen können.

Ebenso wird die Werbung an die Wand gestellt. Den Vorstandsgnom ficht nicht an, dass er das Verbalgewölle abgenickt haben könnte, er will nur lauthals den epochalen Unterschied zwischen knusperfrisch und knabberknackig herausarbeiten, weil er den durchschnittlichen Keksesser für gewillt hält, sich einer ontologischen Grundsatzdiskussion zu unterziehen, bevor er sich die Backware hinters Zäpfchen zwirbelt. Die Realität als immer wieder gerne für marktrelevant gehaltene Variable hat hier keine Chance, und wer hätte dafür schon Verständnis? Sicher keiner, es sei denn, er habe sich vorher im Vorübergehen mit grassierender Politik, Bankenwesen und anderen Verschwörungstheorien befasst.

Sollte der durchschnittliche Verbraucher im Supermarkt seines geringsten Misstrauens bald das Tablett mit Käsewürfelchen unter seiner Nase finden, er wird bestimmt pro Happen eine meterlange Liste ausfüllen, die ihm datentechnisch in die Poren kriecht und nur eines herausfinden will: ob er blaue Verschlusspfriemel hinnimmt und trotzdem seinen Teppich schamponiert. Gerne, sehr gerne, ausgesprochen gerne, widerwillig oder gezwungenermaßen, weil der ganze Krempel eh dieselben Drecksäcke reicher macht, denen sowieso schon alles gehört. Wozu sollen diese Hohepriester des sinnlosen Konsums noch wissen, welchen Käse wir kaufen, wenn ihnen längst jede Kuh gehört. Sollte der durchschnittliche Verbraucher demnächst am Telefon von einer säuselnden Stimme aufgefordert werden, sich zu erklären, wie gerne er die Fragen beantwortet, er, der Verbraucher, sollte die Antwort mit einer Trillerpfeife geben. Gern, sehr gern sogar, und ausgesprochen gern immer wieder.





Infrarot

27 11 2014

„Leiser – lauter.“ Breschke drückte mit aller Macht auf die Knöpfe. Die Donautaler Schlunzgurgler jodelten ihren Beitrag zum Nachmittagsprogramm mit derselben Inbrunst, die eines Knopfdrückens nicht bedurft hätte. Der Hausherr hielt das machtvolle Gerät in Richtung Fernseher, allein: nichts tat sich. Weder laut noch leise.

„Es ist nämlich eine Universalfernbedienung, die die anderen Dinger überflüssig machen soll.“ Die Verpackung deutete in einem Kauderwelsch aus russisch gefärbtem Altportugiesisch mit Hindi- und Quantenphysikzeichen die Zweckbestimmung des Kunststoffknochens an, und der Rückseite entnahm ich recht schnell, dass Breschkes Tochter sie wieder im Internet bestellt haben musste. Schwer entflammbares Kaminholz, biologisch abbaubare Atombomben, alles fand sie dort oder auf einer Reise durch die Touristenzentren dieser Welt. Diesmal ein Infrarotgerät. „Man hält dieses Teil so an die richtige Fernbedienung“, demonstrierte er mir, „und dann drückt man hier, und dann drückt man da, und dann blinkt es.“ Es blinkte nichts. Nicht hier, da schon gar nicht. Vermutlich handelte es sich nicht um eine drahtlose Beziehung zwischen den elektronischen Geräten, sondern um den Zauber, der sich eben doch nicht einstellen wollte, wenn man ihn auch so ersehnte.

Ich hielt das Gerät aufs Geratewohl in die Gegend. „Sie müssen ja die…“ Horst Breschke verstummte schlagartig. Ich auch. Dafür ließ das Radio die sonore Ansagerstimme hören, die ein Azorenhoch verkündete. „Vermutlich haben Sie die Tasten doppelt belegt“, schloss ich. „Oder es gibt eine Überlagerung.“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Das ist technisch gar nicht möglich.“ Mild lächelte ich, die Ausflüchte des pensionierten Finanzbeamten gewohnt. „Kurz vor dem Weltuntergang werden ein paar Experten…“ Er zog sofort die Stirn in Falten und mich vor den Rundfunkempfänger. Ich erschrak. „Und dieser Apparillo soll Infrarot kriegen?“ Er hatte recht. Das Modell stammte aus seiner Jugendzeit.

Bismarck, den dümmsten Dackel im weiten Umkreis, konnte das alles nicht rühren. Er lag in seligem Schlummer auf dem Sessel und ignorierte den Volksmusiklärm, der sich nur per Hand wieder leise stellen ließ. „Dabei kann man die Kanäle doch rauf und runter schalten“, grübelte Breschke. „Was mache ich nur falsch?“

Da klingelte es aus der Küche. „Horst“, mahnte eine Stimme, „Du sollst doch nicht wieder spielen?“ Die Gattin hatte es sich ein paar Tage lang schweigend angesehen. Schließlich aber war ihre Geduld erschöpft gewesen, als das Drückding die Mikrowelle nach Belieben in und außer Betrieb nahm. Teilweise schaltete das Radio sich synchron ein und aus, teilweise um, teilweise letzteres auch zeitgleich mit dem Fernseher. „Es muss dieselbe Frequenz sein“, jammerte Breschke. „Wenn ich hier drücke, dann…“ Schlagartig wurde es dunkel. Allerdings nicht in Breschkes Haus. Die Lichter verloschen jenseits von Gabelsteins Hecke.

Die beiden verband ein besonderes Verhältnis. Natürlich hatte Breschke mit Hilfe seines zu stark eingestellten Laubsaugers das nachbarliche Haus schon in einen herbstlichen Matschhaufen verwandelt, vereinzelt Pflaumen über den Zaun hängen lassen, ohne sie rechtzeitig zur Reife vom Baum zu pflücken, und Bismarck war tatsächlich einmal auf den frisch geharkten Rasen des jähzornigen Justizangestellten getrippelt, hatte sich kurz umgesehen und das Terrain als zu langweilig wieder verlassen. Aber Gabelstein hatte aus Wut über den plötzlichen Wintereinbruch auch Breschkes Gehsteig mit Schnee zugeschaufelt und wegen eines Rasensprengers, der ab und an einen Tropfen auf seinem Wohnzimmerfenster hinterließ, die Polizei in Aufruhr versetzt. Es herrschte kein Friede zwischen ihnen.

„Ich habe aber doch gar nichts getan“, sagte der Alte hastig, „wirklich nicht! Vielleicht habe ich die Fernbedienung ein bisschen zu sehr in diese Richtung – man könnte ja mal ausprobieren, ob es das überhaupt – und ich bin mir natürlich keiner bösen Absicht bewusst!“ „Das schließt sich ja auch meist aus“, antwortete ich lakonisch. „Wir sollten es trotzdem noch einmal probieren.“ Verstört blickte mich Breschke an. „Kippen wir das Fenster“, riet ich, „und dann halten Sie voll drauf.“

Sekunden später hatte Gabelstein wieder das gewohnte Licht. Wieder ein paar Augenblicke, dann schaltete sich sein Fernsehgerät ein. Das Azorenhoch war in der Wetterkarte angekommen und versprach neben leichten Niederschlägen jede Menge heißer Luft. Von atmosphärischen Störungen war nicht die Rede. Ich drückte. Keine drei Takte hatten die Moosbichler Unterholzbazis von sich gegeben, da heulte der Anwohner in voller Entrüstung auf. Jeden Versuch, seinen Fernseher am Rändelknopf leiser zu stellen, konterte ich mit einem nonchalanten Druck auf die große Plus-Taste. Noch zehn Sekunden bis zum Bersten der Fensterscheiben. Oder zur Hirnembolie. „Zurück!“ Ich zog Breschke auf die Seite. Gabelstein tobte nach vorne ans Fenster. Offenbar trug er sich mit dem Gedanken an einen Massenmord. Ich knipste mit der Fernbedienung das Licht aus. „Infrarot“, konstatierte ich. Breschke nickte. „Hoffentlich kriegt er keinen Herzschlag.“ Ich reichte ihm die Fernbedienung. „Eine Minute“, mahnte ich. „Jeden Tag nur eine Minute. Höchstens.“





Gemeinsame politische Linie

26 11 2014

„Absurd. Sie werden es nicht erleben, dass wir ein Bündnis schließen werden, das nicht von tiefem Respekt und einer gemeinsamen politischen Linie und der Verwirklichung von Visionen, die wir schon lange zuvor in der Opposition – wie war noch mal die Frage? es ging doch um die Große Koalition?

Ach so. Nein, wir werden nie mit den Linken eine Regierungskoalition eingehen, wenn wir nicht als die – also inhaltlich sind wir ja schon die bedeutende Partei, weil es uns eben viel länger gibt, und wir können schließlich nicht mit irgendwelchen Juniorpartnern koalieren, die sich zufällig aus unserer Richtung – jetzt hören Sie doch mal auf mit Ihrer Stänkerei! Selbstverständlich sind die Grünen als politische Partei mittlerweile ganz eigenständig, darum können wir mit denen auch, und das haben wir in der Bundesregierung unter Schröder und Fischer auch, und wir werden das wieder, wenn wir, und natürlich werden wir die stärkste Fraktion. Also im Vergleich zu den Grünen. Doch!

Wieso Pragmatismus? Ich weiß nicht, was Sie unter Pragmatismus verstehen. Unter Pragmatismus verstehe ich jedenfalls, dass wir nicht ohne ein stabiles ideologisches Fundament in einen Wahlkampf hineingehen. Das unterscheidet uns von den Linken, beispielsweise. Die haben auch ein Fundament, aber die sind viel zu ideologisch. Und nicht einmal originell sind die. Die haben doch nicht einmal Ideen. Mindestlohn, oder äääh… also Mindestlohn beispielweise, das ist ja ein ganz alter Hut. So alt, den haben wir jetzt mal, und das auch in der Bundespolitik, damit es da keine Ausnahme, und wenn, dann sind nicht wir, aber mit den Grünen hätten wir das nie geschafft. Nein, hätten wir nicht. Weil die Grünen eben nicht an der Regierung sind, deshalb konnten wir das leider machen, nein halt – konnten das leider nicht mit den Grünen machen.

In dieser Koalition geht es beispielsweise nicht um Europa und nicht um Friedenspolitik. Deshalb kann man da schon so eine Regierung mit denen, aber ich will Ihnen nicht verschweigen, dass ich dagegen bin. Man könnte es auch mit der Union verhindern, aber wir haben ja auf Landesebene leider keinen Bundesrat zur Verfügung. Wegen der Friedenspolitik. Wir können uns doch unsere Friedenspolitik nicht von den Linken kaputt machen lassen! Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie viele Arbeitsplätze das kosten würde?

Der Prozess ist mit einer Koalition auf Bundesebene nicht zu vergleichen. Überhaupt nicht. Da würden wir nie ein Bündnis eingehen, ohne die Verantwortung für die Regierung zu haben. Weil wir als erfahrene demokratische Partei immer die Verantwortung für unser Handeln verantworten wollen. In der Regierung. Hinterher natürlich nicht mehr, ist doch klar.

Das Problem bei diesen Parteien ist doch, dass sie Politik im Auftrag derer machen wollen, die sie gewählt haben – wenn wir die Möglichkeit haben, das bei den Grünen zu verhindern, dann müssen wir das aber auch machen! Wenn wir als stärkste Fraktion, und dann sind wir ja auch die ältere Partei, die die längste Erfahrung in demokratischer, und auch auf die Koalitionen bezogen, und bisher hat es einen anders gelagerten Fall ja noch nie gegeben.

Gut, Hamburg. Aber daran sehen Sie mal wieder, dass Koalitionen auf Landesebene immer von falschen Voraussetzungen ausgehen und nie in der Bundespolitik wiederholt werden. Das sehen Sie schon daran, dass Schill nie im Bundestag war. Gut, einmal.

Als Druckmittel? Das würden wir natürlich nie nutzen, weil wir sehr erfolgreich mit, ich meine, wir sind schon gegen die Union, insbesondere gegen die Kanzlerin, und wir sind auch nur aus politischer Verantwortung, weil wir als die kleinere Fraktion, die sich dadurch viel mehr Verantwortung, und natürlich wollen wir keine Experimente. Und weil das ja ein Bündnis, das von tiefem Respekt und einer gemeinsamen politischen Linie und der Verwirklichung von Visionen, die wir schon lange zuvor in der Opposition, und da war die Union gerade mal seit zwei Legislaturperioden an der Regierung, davon eine mit uns, und wir sind ja auch die erfahrenere Partei. Und wir haben das im Bund auch nur mal so probiert, um zu sehen, ob das für die Landespolitik taugt.

Wobei, wir würden es ja versuchen, auch mit den Grünen, und vermutlich auch, aber das kann ich jetzt noch nicht sagen, und von mir haben Sie das nicht, verstanden? Man kann das mal probieren, auch auf die Gefahr hin, dass es wieder nur eine Große Koalition wird, aber wenigstens mal einen Wahlkampf lang, und dann könnten wir als erfahrene Partei doch mal sehen, wie wir weitermachen. Also ohne Gabriel.“





Einstweilige Erschießung

25 11 2014

„… sei der Zwölfjährige auf dem Spielplatz erschossen worden, weil er eine Waffe…“

„… nicht passiert, wenn nach internationalem Standard Waffe und Munition in getrennten…“

„… mit der Hautfarbe des Jugendlichen nicht in Verbindung zu bringen sei. Man schieße sofort, ohne sich um die ethnische Herkunft eines…“

„… eine Diskussion über den Besitz von Schusswaffen in privater Hand schon deshalb völlig fehl am Platz sei, da es sich um Spielzeug…“

„… sofort nach dem Einsatz beurlaubt worden. Den beiden Beamten sei es nach diesem Erlebnis nicht mehr zuzumuten, sich ohne Begleitung…“

„… in den Medien verbreitet werde, dass es sich bei bewaffneten Jugendlichen vornehmlich um Kindersoldaten im Dienst der…“

„… nicht zur Rechenschaft gezogen werden könnten, da sie nicht gewusste hätten, dass es sich bei dem Kind um einen zwölf Jahre alten…“

„… durch RFID-Chips identifizierbar gemacht werden müssten. Eine Waffe ohne eigene IP-Adresse sei nach diesem Modell legal und könne auch ohne permanente Kontrollen des Staates…“

„… nicht die Schuld der Polizeibeamten. Bei schwarzen Kindern und Jugendlichen könne man oft das genaue Alter nicht erkennen, so dass zur Vorsicht…“

„… ein Gesetz geben müsse, das beim Führen einer Spielzeugwaffe zugleich das Tragend einer kugelsicheren…“

„… den farbigen Heranwachsenden nicht mit Hilfe einer Elektroschockpistole außer Gefecht gesetzt habe. Man habe befürchtet, dass es bei dem Angreifer zu Gesundheitsschädigungen oder…“

„… die Bürger der anderen Bundesstaaten beruhigt habe. Die Polizei von Ohio sei nicht kinderfeindlich, auch ein Erwachsener könne jederzeit durch eine Polizeikugel…“

„… sehr schlecht für das Weihnachtsgeschäft. Üblicherweise seien in den Monaten auf der Zielgeraden des Einzelhandels Schusswaffen in Pink, Grün und…“

„… nicht für ihr Kind gehaftet hätten. In Bezug auf die mangelnde Rechtsgrundlage sei es jedoch schwierig, die Mutter für eine einstweilige Erschießung…“

„… man der Unterstellung eines latenten Rassismus ganz entschieden entgegentreten müsse. In den afrikanischen Staaten sehe man immer wieder viele Jugendliche mit echten Schusswaffen, und sei ihre Hautfarbe eindeutig als…“

„… bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei der Waffe um keine echte handeln müsse. Die Polizei habe dies vor Ort jedoch auf Grund der Hautfarbe des Delinquenten für eine Abwägung der nationalen…“

„… ein Warnschuss viel zu gefährlich gewesen sei. Ein in die Luft abgegebenes Projektil könnte durch seine Fallgeschwindigkeit Unschuldige…“

„… habe keine Identifizierung der Waffe stattgefunden. Der tödliche Schuss sei notwendig gewesen, um eine Gefahr, die sich im Nachhinein nicht als…“

„… nicht auf die Waffe ankomme. Da es sich um einen Farbigen handele, sei auch eine möglicherweise auftretende Korrelation zu chronischem Drogenmissbrauch sehr…“

„… um Arbeitsplätze in der US-amerikanischen Spielwarenindustrie. Die lebensecht gestalteten Schusswaffen seien von ihren schussfähigen Repliken oder den tatsächlichen Originalen nicht zu unterscheiden, dadurch werde pro Jahr ein Umsatz von mehr als…“

„… den Verkauf von Küchenmessern durch ein polizeiliches Führungszeugnis zu…“

„… US-amerikanische Jugendliche besser überwachen müsse, um den Polizeibeamten derart traumatisierende Erlebnisse zu…“

„… für eine Liberalisierung der Waffengesetze eintreten werde. Solange jeder farbige Unterschichtenjunge mit einer echt aussehenden Pistole herumlaufen dürfe, sei es das Recht der weißen Oberschicht, sich mit richtigen…“

„… auch farbige Aufkleber zur Identifikation von Spielzeugwaffen verboten werden müssten. Die Gefahr, dass bewaffnete Bankräuber ihre Pistolen mit gefälschten Kennzeichnungen versehen könnten, sei viel größer als das Risiko, vereinzelte Unterschichtkinder auf Spielplätzen…“

„… nicht so schlimm wie in anderen Kulturen. So seien islamische Kulturen bereits in der Lage ohne Berücksichtigung von Nationalität, Herkunft und politischer Überzeugung nur wegen der religiösen Zugehörigkeit ihre Opfer…“

„… das Führen sogenannter Anscheinswaffen verboten sei. Man müsse daher jede Straftat, und sei sie auch nur nach menschlichem Ermessen im Bereich des Möglichen, als eine reale Gefährdung des…“

„… als reine Hysterie bezeichnet habe. Wenn die Nachbildungen realer Schusswaffen einen derart hohen Anteil besäßen, dass man mit einem Verbot die Spielwarenindustrie in Bedrängnis bringen könne, existiere überhaupt keine überhöhte Zahl an Schusswaffen in den US-amerikanischen…“

„… die Polizei von Cleveland seit mehreren Monaten unter Beobachtung stehe. Man wolle jedoch noch zwei bis maximal drei Tötungsdelikte abwarten, bevor eine gerichtliche…“

„… Softairpistolen generell aus demVerkehr gezogen werden müssten, da sie, wie das jüngste Beispiel aus Cleveland zeige, durch tragische Missverständnisse unbescholtene Polizeibeamten zu Straftätern machen könne. Nicht berührt davon jedoch seien echte Schusswaffen, wie sie jeder aufrechte Bürger der Vereinigten Staaten von…“





Kindermund

24 11 2014

„Pro Kind eine Stimme mehr?“ „Sehe ich noch nicht.“ „Das hat die Schwesig wieder richtig gut hingekriegt.“ „Leute, Sie kennen das doch – ich erwarte einen vernünftigen Vorschlag zur sozialen Anpassung des Wahlrechts.“ „Könnten wir das nicht einfach übergehen?“ „Wer ist hier der Vorgesetzte?“ „Sie, aber…“ „Nix aber. In unserer Partei herrscht Ordnung.“

„Und Kindermund.“ „Hat das was mit Wahrheit zu tun?“ „Nee, aber ich kann mir partout nichts vorstellen, wofür die Schwesig sonst Beauftragte sein könnte.“ „Die ist doch Ministerin.“ „Ach so, ja. Ich hatte das einen Augenblick lang erfolgreich verdrängt.“ „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass unsere Kommission bis halb sechs einen vernünftigen Vorschlag unterbreiten muss, wie wir ein sozial ausgewogeneres Wahlrecht…“ „Das ist doch sowieso ein Sockenschuss.“ „Warum, weil die meisten Kinder aus Haushalten mit höherem Nettoeinkommen stammen?“ „Nein, im Gegenteil. Und wenn Sie jetzt als alleinerziehende Mutter…“ „… am Flughafen einsteigen, dann sind Sie ja quasi in einer Stunde am…“ „Lassen Sie gefälligst den Klamauk!“ „Wieso, wer hat denn mit dem Unsinn angefangen? Ich oder die Schwesig?“

„Wir könnten das doch mit direkter Demokratie kombinieren.“ „Stimmt, wir lassen die Kinder direkt wählen.“ „Das kriegen Sie in Karlsruhe nie durch.“ „Ich weiß, wegen Wahlalter.“ „Nee, dann gibt’s Kuddelmuddel wegen Staatsbürgerschaft oder so.“ „Zweimal wählen dürfen doch nur Italiener?“ „Leute…“ „Aber auch nur in Hamburg.“ „Jetzt hören Sie mal mit den Spinnereien auf und liefern Sie mir eine praktikable Lösung.“ „Na, Sie sind ja lustig!“ „Selber haben Sie wohl keine?“ „So kennt man das, große Reden schwingen, und dann?“ „Aber dafür…“ „Heißluft! Nichts als…“ „… bin ich auch im SPD-Bundesvorstand.“ „… Heißluft, sag ich doch!“

„Andererseits dürfen wir dem rechten Flügel auch keine Steilvorlage liefern.“ „Wieso, haben die etwas gegen Kinder?“ „Denken Sie doch mal nach.“ „Er meint die Kopftuchmädchendebatte aus der Sarrazinfraktion.“ „Aber das ist doch längst gegessen.“ „Für Sie vielleicht, aber nicht für den rechten Flügel.“ „Auf dem Niveau diskutiere ich nicht.“ „Falls es Sie erheitert, Sie werden da nicht gefragt. Die diskutieren mit Ihnen, nicht umgekehrt.“ „Und wenn ich nicht mit denen diskutieren will?“ „Dann viel Vergnügen im nächsten Wahlkampf. Wird sehr einsam für Sie.“ „Was haben denn die Ausländerkinder mit der SPD zu tun?“ „Es sind zu viele für den rechten Flügel. Schlicht und ergreifend zu viele.“ „Entschuldigen Sie mal, jetzt erzählen Sie aber wirklich Quatsch.“ „Er war neulich bei einem Lucke-Vortrag, das färbt ab.“ „Denken Sie doch einfach mal nach! So viele Kinder in Deutschland, und keins darf wählen. Da machen wir uns doch als Sozialdemokraten, die mehr Integration fordern, total unglaubwürdig.“ „Na, wenn das Ihr einziges Problem ist…“ „Ich würde es als Win-Win-Situation bezeichnen.“ „Hä?“ „Unglaubwürdige Politik und zukünftige Wähler verprellen, das haben wir zuletzt mit Hartz IV hingekriegt. Das ist ein Volltreffer für die SPD!“

„Jetzt kommen Sie mal langsam wieder runter, wir müssen uns hier nicht auf den Kindervorschlag versteifen, wenn Ihnen etwas Besseres einfällt.“ „Wenn.“ „Und wenn wir wieder was mit Autos machen?“ „Also ein Investitionsprogramm für Elektromobile?“ „Nein, auch zum Wählen.“ „Wie sollen denn Autos wählen?“ „Aber ich meine…“ „Vielleicht sind diese Elektrodinger klüger?“ „Deshalb kann Gabriel die ja auch nicht ab.“ „Nein, ich meine doch die Fahrer!“ „Die können doch jetzt schon wählen.“ „Was meinen Sie, wenn der ADAC für den Bundestag kandidieren würde.“ „Die haben das Ergebnis allerdings auch schon vor der Wahl fertig.“ „Ich meine doch, wenn man Autofahrern eine zusätzliche Stimme geben könnte.“ „Aha.“ „So nach Hubraum und PS und…“ „Und dann gibt’s Stimmengewichtung nach Schadenfreiheitsklasse und zwei Bonuspunkte für deutsche Fabrikate, oder was?“ „Ja, so ähnlich.“ „Haben Sie dem die Pillen vertauscht?“ „Der war neulich bei Dobrindt.“ „Ach so, naja.“ „Aber…“ „Leute, wir kommen doch so nicht weiter!“ „Das war ein vollkommen legitimer Vorschlag!“ „Sie werden hier gleich zu den Grünen entsorgt, klar!? Und ich will ab jetzt Ergebnisse!“

„Nur mal theoretisch…“ „Au weia!“ „Wenn er so anfängt, kommt wieder was Hirnrissiges.“ „Genau.“ „Wie viele Hunde…“ „Bingo.“ „Lassen Sie es. Bevor ich mich mit Ihnen auf eine verwaltungsrechtliche Schlacht einlasse, ob Katzen- oder Pferdehalter dieselben Rechte haben, jage ich mir lieber gleich eine Kugel in den Kopf.“

„Das mit den Lebenspartnerschaften, das ist auch so ein Problem.“ „Wieso?“ „Naja, gleiches Wahlrecht.“ „Das gibt es dann doch nicht mehr.“ „Ach so.“ „Und Pflegeeltern?“ „Auf jeden Fall muss man das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen.“ „Also ich wäre ja dafür, die Kinder entscheiden zu lassen.“ „Und wenn die zu klein sind?“ „Dann entscheidet ein Vormund, ob die leiblichen oder die…“ „Und bei Arbeitslosen?“ „Was haben denn die damit zu tun?“ „Wir können doch nicht plötzlich der ganzen Unterschicht die politische Macht in die Hand geben. Die wählen die Linkspartei und richten unsere Wirtschaft zu Grunde!“ „Dann müsste man die einfach von der Wahl ausschließen.“ „Die Kinder?“ „Quatsch. Die Arbeitslosen natürlich.“
„Hier, Leistung!“ „Wie jetzt?“ „Wir machen das mit der Leistung!“ „Sind Sie’s, Herr Westerwelle?“ „Wenn sich die Leistung wieder lohnen soll, dann kann man doch die Leistungsträger unserer Gesellschaft mit einer größeren politischen Verantwortung…“ „Hört, hört!“ „Endlich mal ein vernünftiger Vorschlag, Leute!“ „… ausstatten und denen mehr Macht geben, die hier sozusagen den Laden…“ „Es war auch nicht alles schlecht an der sozialliberalen Koalition.“ „Nur war die FDP damals ja leider noch liberal.“ „Seien Sie nicht ungerecht, wir waren ja auch sozial.“ „… am Laufen halten, finden Sie nicht? Wenn wir den chronisch unterbezahlten Arbeitnehmern in den Pflege- und Erziehungsberufen eine…“ „Was rauchen Sie denn!?“ „Leute…“ „Der Typ ist doch nicht mehr ganz dicht!“ „Aberaber…“ „Wobei, wenn man das richtig anpackt mit der Leistung – doch, ja. Kann man machen.“ „Ich will Ergebnisse sehen!“ „Einkommen?“ „Einkommen.“ „Okay. Nächster Punkt: Gabriel hat aus Versehen den Koalitionsvertrag in die Finger gekriegt. Ich erwarte von Ihnen eine kreative Lösung.“





Krieger, grüß mir die Tonne

23 11 2014

Ursula von der Leyen, das Barbiepüppchen der Rüstungskonzerne, sowie der Präsidialgockel aus Bellevue weihten und weihten, und dann war sie schließlich eingeweiht, die Gedenkstätte auf dem Gelände des Einsatzführungskommandos in Geltow bei Berlin. Wald der Erinnerung. Ein Friedwald für verbrauchtes Kanonenfutter, denn Uschi weiß: „Der Soldat oder die Soldatin hat nicht die Wahl. Sie müssen gehen.“ Vermutlich ins Licht. Doch nicht nur als Reklame für den nächsten Krieg dient diese, dochdoch, konstruktive Auseinandersetzung der Bundesregierung mit den Folgen ihrer verfassungswidrigen Politik. Sie denken nachhaltig. Irgendwas müssen doch nach dem nächsten Krieg mit deutscher Beteiligung auch wieder die jungen Menschen durch Spendensammeln und Grabpflege in Schuss halten. Alle weiteren friedenssichernden Kampfeinsätze wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • was bedeutet möppcken: Man bezeichnet mit Ausdruck eine kleine Moppe. Weiß man doch.
  • häkelpulli vorne gedreht: Also hinten ohne Zopfmuster.
  • drehwurmkrankheit hasen: Tritt auf, wenn sie zu viele Schafe fressen.
  • unterschied zwischen knüppel und schrippe: Wenn ich die backe, hinterlassen beide blaue Flecken.
  • rollbehälter fremdwort: Kfz.
  • gengemüse kreta: Servieren wir zu Analogfilet Toskana.
  • häkelschwan: Vielleicht wird sie ja doch noch mal Präsidentin.
  • fachwort für das geräusch das der delfin von sich gibt: Fiepen. Oder Quieken. Nein, Fiepen. Fiepen ist richtig.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCXIX)

22 11 2014

Wenn Dermot sein Auto in Cobh
besichtigen lässt, ist es top.
Die Zubehörleute,
die wittern die Beute
und schleifen ihn doch in den Shop.

Dimitrios lässt sich in Sikyona
als alter Gemeindebewohner
nicht schröpfen. Die Eichen,
die soll er begleichen
mit Steuergeld für Bäumeschoner.

Da freute sich Gerald in Quin
in der Lotterie zum Gewinn.
Nur ließ man dieKosten
für den Vorstandsposten
abziehen, das war dann schon drin.

Tiburcio lieh sich in Nacaome
viel Geld, um beim Wohnen am Strome
geschickt anzulegen.
Die Bank war dagegen.
Die bauten davon nur drei Dome.

Für Daisy fuhr mancher in Knock
gern zwei bis drei Mal um den Block.
Man lieferte stäte
und Schwerste pakete
auch gern in den neunzehnten Stock.

Es fragte sich Rob in Roseau,
ob uralter Wein in Depot
den Platz nicht verschwende.
Das fand nun ein Ende,
er gab ihn schlicht weg, einfach so.

Es baute sich Donald in Dingle
samt Druckknopf an die Haustürklingel,
die man ihm empfohlen.
Dafür kriegt Kohlen
sein Hausrarzt, fürwahr was ein Schlingel.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCLXVII): Technikangst

21 11 2014
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Schon recht früh trennten sich die Wege der Hominiden. Während die eine Horde fröhlich Hieb- und Stichwaffen schwartete, um Säbelzahnnashorn à la crème für die Höhlenbelegschaft zu bereiten, müffelte die andere missmutig an ihren Pizen herum, starb zwischendurch ein bissel aus, kurz: sie änderte den Gang der Geschichte nicht. Sie hockte nur griesgrämig an der Felswand und knirschte mit den verbliebenen Zähnen, denn sie wusste, es würde ja alles ein böses Ende nehmen, wenngleich sie auf eine andere Art Recht hatte. Sie verschwand so gut wie. Bis auf die Botschaft, die tief verwurzelt im ihrem Gejammer noch heute vom Himmel hallt, wenn es Teile regnet. Die Angst vor der Technik macht sie paranoid, und der Rest muss es leiden.

Irgendwo im Nirgendwo wird ein Metallmast in die Ebene geschwiemelt. Stunden später schallt die Steppe von winselnden Anrainern, die in ihrem bohrenden Kopfschmerz eine Bürgerinitiative gegründet haben, den tödlichen Mikrowellensmog auszumerzen. Scharen von Knalldeppen wälzen sich durch die schuldlose Landschaft, bis der Abteilungsleiter der Landschaftsschutzbehörde erklärt, dass der Laternenmast erst in frühestens drei Jahren ans Stromnetz angeschlossen wird. Fahrkartenautomaten, beschichtete Bratpfannen, Hosenknöpfe – was Fortschritt ist, bestimmt das Bezugssystem, und das hat immer einen Rand von Dummklumpen.

Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte haben die vernünftigen Bürger mit dem Einheitsargument des gesunden Menschenverstandes™ zugebracht, den sorglosen Mitbürgern die hinterhältigen Segnungen der Zivilisation auszureden. Erst waren es die schlimmen Eisenbahnen, die jeden ab einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde unweigerlich erst doof und dann tot machen würden, hernach das Automobil, das durch die Kompression der inneren Organe nicht mehr als 50 km/h zulassen sollte, und schließlich war es das Flugzeug, reisend in Höhen, bei denen dem durchschnittlichen Passagier sofort die Gedärme zu den Ohren herausquellen würden, während sein Blutdruck durch die Poren jodelt. Sie haben natürlich alle Recht behalten, und dass wir beim aktuellen Fernreiseverkehr und seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit noch nicht jede Woche eine Hälfte der Menschheit kompostieren, liegt sicher daran, dass man in diesem Mainstream die Wahrheit nicht einfach so aussprechen dürfe.

Natürlich kann man mit diesen tragbaren Telefonen prima einen Bankraub verabreden, zur Weltrevolution aufrufen oder heimlich verschreibungspflichtige Medikamente in Verkehr bringen, aber das kann man in Fernsprechzellen und mit dem Bleistift auch, und wer würde dafür schon den Bleistift an sich verbieten wollen. Außerhalb des Wahlkampfes in obskuren rechtspopulistischen Parteien jedenfalls.

Wie albern ist das angesichts der geradezu hörigen Affirmation, die die konservative Schicht in höchster Ekstase hechelt, sobald große Brudervölker Waren und Technologien bereits vorgekaut haben. Fracking? super Idee, die Amis hatten auch schon keine Zeit, sich damit zu befassen. Schnuller aus Weichmacherplaste? solange es von impotenten Chinamännern hergestellt wird, kann es für unsere teutonischen Säuglinge gar nicht schlecht sein. Nanopartikel im Deospray? sicher nur Streubelege, die dem Hersteller von Wissenschaftlern untergejubelt werden. So feiert auch die Klimaerwärmung ihren Siegeszug, weil sie zum Augleich schönen Schnee im Winter bringt, glücklicherweise auf anderen Kontinenten.

Der auf die Segnungen des immer Gleichen genordete Bekloppte nimmt also Teerstraßen bereits als Teil der Natur wahr, lehnt aber Windräder als neumodisches Teufelszeug ab, weil niemand das in Mutter Erde gewachsene Plutonium ersetzen kann. Die Produkte der chemischen Industrie lehnt der denkabstinente Dauerallergiker ab, es sei denn, sie lassen die bunten Stückchen in der gallertartigen Salatsauce schweben, die fertigkanisterweise im Discounterregal lauert. Malaria und Grippe sind bäh, aber Hauptsache, wir gebrauchen keine Biotechnologie, um den Schmadder loszuwerden. Und wenn doch, dann lassen wir andere Länder das Geschäft erledigen, am besten die, denen wir auch die Schnuller abkaufen, denen wir Hektoliter an giftiger Plempe überlassen, die mangels unserer Umweltschutzgesetze lässig in den Boden suppt und ganze Nationen zu Kloaken umfunktioniert. Gut, dass das nicht hier passiert. Mit Windkraft und Internet sind wir ja schon genug überfordert. Und mit der Frage, von welcher der beiden Horden wir nun wirklich abstammen. Und warum. Und wie lange noch.