Gernulf Olzheimer kommentiert (CCLXXIV): Der gute Rat

30 01 2015
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Irgendwann hatte es Nggr satt. Die ewigen Mücken, die Schnaken, das Gewürm. Nicht einmal der Sud aus verfaulten Fischgräten, den Uga ihm für eine ganze Handvoll Muscheln angedreht hatte, war noch in der Lage, seinen Nachtschlaf zu sichern. Der Dorftrottel hatte schon seine Entspannungsübungen angepriesen, aber was hieß das schon. Er gab auch bei Migräne, Tötungswahn und eingewachsenen Zehennägeln nur diese eine Empfehlung. Mehr konnte man nicht machen. Nun war guter Rat teuer. Was immer auch sich für einen guten Rat hielt.

Natürlich sind nicht alle Situationen im Leben des Beknackten so schwierig, wie er sie sich selbst ausmalt. Doch im Grunde ist es nicht viel mehr als ein bisschen Kopflosigkeit, die uns von einem überlegten Handeln trennt. Der Verstand setzt sich nach einer Viertelstunde durch, die Wirklichkeit bleibt erhalten, und schon sind die Ereignisse wieder gerade gerückt. Dazu bedarf es keines therapeutischen Ansturms, aber das war ja vorher bekannt.

Der gute Onkel, der für sich selbst und aus eigenem Ansporn die Nichtschwimmer lobt, obwohl er selbst nur im Wald verhandlungsfähig ist, zählt nicht dazu. Die vielseitig ungebildeten Schnackbratzen, die sich zum Scheinheiligtum aufschwingen, sind nicht eben geeignete Ratgeber. Eine Rotte Popelpriester streckt hektisch die dreckigen Zeigefinger aus, um sich etwas besser zu fühlen als die Gebeutelten, die der Unterstützung bedürfen, mehr sind sie auch nicht. Es existiert wenig widerlicheres Getier als die verschwiemelten Bessermenschen, die qua eigener Moralvorstellung möglichst nur die unterlegenen Supplikanten zu knechten verstehen, nicht aber dem elenden Mitbürger eine Handreichung zu spenden bereit sind. Allein ihre Verworfenheit erkennt man daran, dass sie dem Bittsteller ehrlich eine Verbesserung seiner Lage wünschten – wie ein systemtheoretisch korrekt funktionierendes Arbeitsamt sich vor allem Arbeitslose wünscht, um nicht selbst arbeitslos zu werden, so giert eine ab Werk glitschig geplante Abteilung vor allem, dass die Unterwürfigen nicht zu schnell souverän werden und weiterhin nach dem Meister rufen, der ihre Schwierigkeiten aus dem Weg räumt.

Manche sind kaum besser als das Fiepen aus dem Winkel. Keiner der Verantwortliche sollte es schlechter wissen, die meisten wissen es besser, deshalb lassen sie schnell noch einmal die Sau raus, um sich am Schmerz der anderen zu verlustieren. Wie ein Arzt, der in Anbetracht seiner sinkenden Umsätze dem chronisch Kranken zum Abschluss des Quartals gute Besserung wünscht, so höhnt der Besserwisser dem Bedürftigen hinterher.

Die Steigerung der realitätsverweigernden Haltung sind pseudojournalistische Erzeugnisse im – wollja! – Ratgeberteil grassierender Printmedien, wie sie die faktenresistente Publikumspresse vom Stapel lässt. Schlank in vier Wochen grätscht es vom Titelblatt, und: Mehr Zeit für die Familien trotz Vollzeitjob, und: Die Hartz-IV-Diät: Satt werden trotz Sanktionen. Der von jeder Sachkenntnis ungetrübte Hirnplüsch salbadert ungehindert vor sich hin, empfiehlt den Einsatz grober Steckschlüssel und reinsten Knochenleims, kümmert sich aber ansonsten um nichts, weil seine Existenz gerade nicht zur Disposition steht.

Und nicht nur dies leistet der gesellschaftlich geächtete, aber hübsch verdienende Teil der Nachtjacken, wie sie das geistig-moralische Jammertal auf der anderen Straßenseite zusammentreten. Ein vernünftiges Feedback ist stets punktgenau, den Verbesserern jedoch reicht ein undifferenziertes Eintreten in die Vorderfront. Konsequenzen, auch wenn sie die eigene Nase betreffen, sind gefragt. Wer würde auch einen Berater verbessern wollen, der die Schere um den eigenen Lebensfaden hält.

Die Berater im engsten Umfeld – das Umfeld also, in dem auch Berater es aushalten – wissen genau, dass jeder noch bekloppte Ratschlag zu Konsequenzen führt. Wer aber anderen seinen Rat aufdrängt, ohne zugleich die Folgen seiner eigenen Hirnfehlleistungen zu überblicken, sollte sich einen ruhigen Beruf in der Höhlenindustrie suchen. Oder im politischen Business, wo nur der gewinnt, der seine Gegner oft genug ins Messer laufen lässt. Aber wer will schon selbst als Rippchenmahlzeit enden.


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