
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
So schwer hatte es Uga. Alle wollten wissen, warum die zutraulichen Vierbeiner, die so allerliebst bellen konnten, keine Eier legten. Warum der Alte, der schon seit einem halben Jahr nichts mehr gesagt hatte, so aufdringlich roch. Und wie das mit den Bienen und den Blümchen funktionierte, wenn man zum Frühstück Honig aus Massentierhaltung haben wollte. Einer, der sich dazu eignete – und anfangs musste er sich tatsächlich dazu geeignet haben – übernahm diese wichtige soziale Funktion, alles zu wissen, alles zu begreiflich zu machen, die Erkenntnisse des an sich schon hirnrissigen Lebens einigermaßen nach unten zu transformieren, damit ein nennenswerter Anteil an Dumpfnulpen sich ihrer befleißige, zu welchem Ausgang auch immer. Der gebildete Stand war in seinen Fundamenten geboren, und wurde er nicht Priester, Wahrsager oder Talkshow-Moderator, er verfiel zusehends in die sozialen Niederungen. Er wurde Erklärbär.
Die Rolle wird heute von den Medien begierig übernommen. Jeder, der schreibt, sendet, Bilder in den Äther pustet, ruht wie ein Gravitationszentrum innerhalb der allwissenden Müllhalde über dem gemeinen Volk, das die komplexen Fragen fragt, um (nach Meinung der Medien zumindest) mit den billigsten Antworten sediert zu werden. Sinnt das intellektuelle Prekariat über kryptische Botschaften wie Inflation oder ein geringer ausfallendes Außenhandelsdefizit in Lummerland, schon wuppt aus der Grasnarbe ein Männchen auf, das die Nachricht innerhalb des Horizonts mangelhaft lobotomierter Torfschädel kommuniziert, und zwar so eindringlich, dass die Beknackten sie verlustfrei untereinander weitererzählen können. Wahlkampf und Werbekampagnen werden seither auf diesem Prinzip bestritten – auf diesem Niveau übrigens auch – und sie haben noch nicht zum Verlust der Macht geführt. Warum auch, schließlich rührt ihr Einfluss darauf, dass jeder an sie glaubt, dem man sie nur einmal richtig erklärt hat.
Dabei steht die Bizarrerie der Erklärungsversuche in einem geradezu aparten dialektischen Verhältnis zu der an den Zahnhälsen schmerzenden Blödheit der Hirnvollverdübelten, die sich ihr seifiges Weltbild aus den Argumenten der geistigen Vorturner schwiemeln. Auf einfachste Muster getrimmt und mit dem Sozialentzug für die kommenden Generationen geradezu versöhnt, so lebt es sich auf beiden Seiten mit dem identischen Nervenschmerz, der sich bei heftigen Bewegungen unter der Schädeldecke meldet. Solange die Fakten entweder zu schwierig sind oder aber das deutende Paradigma einen Schulabschluss voraussetzen könnte, läuft die Konstellation Gefahr, in einer schwunghaften Verdeppung des Publikums zu enden, die den Beleuchtungsfachmann für die innere Finsternis gleichsam auf die Stufe eines Dealers hebt, der nur die schlimmsten Nebenwirkungen des Entzugs zu beseitigen weiß. Hat er es nicht im Griff, der Abstieg ist nur noch eine Frage des Lichts.
Selbst wenn das Leben auf dieser rotierenden, sich rasch erwärmenden Müllhalde schwierig sein sollte, unsere Hoffnung sieht sich gespiegelt im Bedürfnis nach einfachsten Universalmodellen, die Gravitationsanomalien und Ölpreis, die Beliebtheit von Helene Fischer und den immensen Drang der Schmeißfliege, sich im Dreck zu vermehren, gleichermaßen systematisch unter einen Hut kriegt. Es endet nicht alles in Parteipolitik und Religion, manchmal entkommen die vermeintlichen Intensivtäter in Richtung Fußball, werden US-Amerikaner oder machen für zweifelhaftes Müesli Reklame. An den Rändern des Abfalls, wo sonst auch, lauert die Esoterik, die nicht einmal ein gutes Antwortmuster braucht, aber dafür mit komplexen Erfahrungen aus dem Jenseits bzw. dem Hochfrequenzbereich, dem Himalaya oder der Zeit vor dem Urknall aufwartet. Mit etwas Glück halten sie ihren grippalen Infekt für die Lungenpest, betonieren sich vor Ort ein und verschwinden so sanglos, wie sie aufgerollt waren. Wer sollte es ihnen verübeln, wenn er eh keinen sehen mag.
Daneben tut sich die immense Gefahr auf, dass die Weltsicht immer komplexer werden könnte – wo sie es jetzt schon ist, werden auch die Interpreten rar – und mit dem Wechselspiel von blökendem Mob und leise verkalkendem Elitengranulat gleicht sich auch das Gefälle langsam an, das den Job überhaupt nötig macht. Vermutlich werden in wenigen Jahrzehnten keine Experten mehr nötig sein, und wenn, dann werden sie nur noch Herrschaftswissen verteidigen: Kopfrechnen, Kartoffeln schälen, unfallfrei aus dem Fenster gucken. Wir rollen zurück ins Zeitalter der puerilen Metaphysik, und irgendwann wird es wieder Opferpriester geben, zum Beispiel vor der Wetterkarte. Wir werden wissen, warum.
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