In der Strafkolonie

17 02 2015

„Natürlich, Frau Merkel. Gerne, Frau Merkel. Ich habe das damals ja gleich gesagt, Frau Merkel. Aber das konnte ja auch keiner wissen, Frau Merkel. Sie hatten bestimmt auch keine Ahnung, dass das, was Sie mal gesagt hatten, richtig war.

Das mit den Großstädten. Wir haben ja ein massives Problem, Frau Merkel, dass in diesen Großstädten – nein, nicht Celle. Hamburg ist größer als Celle. Nicht so groß wie Berlin, aber falls Sie die Region nicht kennen, es soll dort vereinzelt zu Urbanisierungstendenzen kommen. So am Rande. Ich weiß ja nicht, wie Ihr Verhältnis zu Hamburg – ernsthaft? Das wusste ich gar nicht. Sehen Sie, so wenig kennt Ihre Partei Sie, Frau Merkel. Dann ist ja auch klar, warum die Sie nicht mögen.

Aber das mit den Großstädten. Wir haben da eine etwas größere Auseinandersetzung, Frau Merkel. Die Bevölkerung ist teilweise sogar schon in der Realität angekommen. Okay, ein paar wählen noch AfD, aber die meisten sind geistig ganz gut in Schuss. Wir haben natürlich auf dem Land nicht so viel Diskussionen mit Gentrifizierung oder mit Ghettobildung von arbeitslosen Migranten, aber das ist es wohl eher nicht. Es ist ein Bildungsproblem, Frau Merkel. Die Union hat da tatsächlich ein Bildungsproblem, das gemeinsam mit demografischem Wandel und Generationenwechsel einen größeren Umschwung einleiten könnte. Wir müssen da sehr behutsam sein, dass wir den Anschluss nicht verpassen, denn nur der, der auch rechtzeitig Trends aufgreift, kann sie für seine soziale und politische Gestaltung in diesem Land –

Nein, Frau Merkel. Zu wenig Bildung ist ja gerade nicht das Problem.

Ich finde ja, dass der gute, der hervorragende, ganz außerordentlich exzellente Wahlkampf von den Hamburgern einfach nicht genug geschätzt wurde. Gemessen am Aufwand beispielweise, den diese Titanic-Partei gemacht hat, sind wir wirklich unterrepräsentiert. Die Hamburger sind es ganz einfach nicht wert, dass wir so ein herausragendes politisches Talent wie den Spitzenkandidaten – nicht? War mir neu, Frau Merkel. Sie hatten sich schon mal als Kanzlerin aller Deutschen bezeichnet, das stimmt. Aber dass das ernst gemeint war, das war damals nicht richtig kommuniziert worden. Also nicht von Ihnen, Frau Merkel! Nicht nicht von Ihnen, das muss, ich weiß nicht, aber an Ihnen hat es nicht –

Glaube ich nicht. Nein, dazu ist der Mann bedauerlicherweise zu klug. Als Spitzenkandidat macht er es unter Umständen wie Sie, Frau Merkel. Er wartet ab, bis Gabriel noch mal so richtig auf die Fresse fällt, und dann zieht er durch. Sie müssten da wohl noch ein paar Jahre warten.

Er hat so eine gewisse Langweiligkeit, Frau Merkel. Er ist der Mann mit dem gewissen Garnichts. Er steht für keine bestimmte Richtung, Frau Merkel, nur: vorwärts. Irgendwie so. Keiner weiß, wo das liegt, keiner weiß, was das soll und was das bringt, was das kostet, aber er kann es den Leuten verkaufen. Er macht den Leuten keine Versprechungen, aber dann hält er sie auch. Sie machen denen ja Versprechungen, und dann –

Ich wollte ja gar nicht sagen, dass er das besser kann als Sie, Frau Merkel. Das steht mir ja gar nicht an. Aber irgendwie kann er schon die Massen einschläfern und – begeistern, wollte ich sagen, begeistern – natürlich begeistern, nur der Kandidat unserer Partei war, wie soll ich sagen, irgendwie nicht der richtige Mann.

Außerdem sind wir jetzt mit der FDP zusammen in der Opposition. Und was unser Wahlergebnis angeht, das hat nicht einmal Westerwelle geschafft. Macht Sie das nicht ein bisschen stolz? Also so ein ganz kleines Bisschen? nicht?

Die Diskussion über Busbeschleunigungsspuren fand ich ja auch ganz charmant, Frau Merkel. Diese supertolle Idee, mehr Wohlstand zu versprechen und mehr Individualverkehr und mehr Umsätze in der Industrie und dann auch weniger Staus. Ganz groß. Da haben sich die Bewohner noch richtig mit der Stadt identifiziert. Oder mit dem Wahlkreis, wenn man das genauer betrachtet. Aber wie wollen Sie das auf Bundesebene umsetzen? Und was bringt das? Und wenn ja, warum?

Wir können Hamburg nur noch als Strafkolonie wiederbeleben, Frau Merkel. Wenn sich Röttgen nicht am Riemen reißt oder die Flintenuschi wieder die Klappe aufreißt, zack! Landesvorsitz. Einmal große Töne spucken, schon sitzen sie in der Führungsposition. Egal, was man macht, es ist falsch. Du hast zwar keinen Gestaltungsspielraum, aber dafür darfst Du für die Fehler der letzten zehn Amtsvorgänger geradestehen. Das wäre wenigstens in Bezug auf die Nachhaltigkeit der CDU mal eine vernünftige Entscheidung.

Und dann müssten wir uns überlegen, ob wir eine politische Partnerschaft eingehen für die nächste Zeit. Unser Landesverband hat damit ja hinreichend Erfahrungen gesammelt, und wenn wir geschlossen übertreten sollten, um wieder ein konservatives Profil in der Hansestadt zu vertreten, dann könnten wir uns das sehr gut –

Wieso SPD!?“