Trassismus

5 03 2015

„Sie schreiben jetzt gefälligst, dass es in München gar keinen Stromausfall gegeben hat, klar!? Das war bloß ein Spannungsabfall, ein vollständiger. Das schreiben Sie jetzt, verstanden? Wir haben immer noch die Pressefreiheit – wir Bayern können frei entscheiden, was die Presse so schreiben darf.

Das war doch auch alles ein Zufall. An der Nordsee hat der Wind ein bisserl zu stark geweht, da muss es die Umspannwerke getroffen haben, und der Strom, der hier gar nicht erst in unsere Leitungen eingespeist wurde, der ist natürlich nicht nach Bayern geflossen. Weshalb er auch keinen Stromausfall verursacht haben kann, gell?

Überhaupt, was wollen wir Bayern denn mit Windkraft aus SPD-regierten Ländern? Das ist artfremde Energie! Sie, damit zersetzen Sie noch die traditionelle Wirtschaft im Entwicklungsraum Bayern! Damit können Sie aber keine fränkische Brauerei betreiben, der Betrieb liefert Ihnen doch sofort Berliner Weiße!

Außerdem war es ja nur ganz kurz. Das fing am Montag in der Früh an, und bedingt durch den Stromausfall hat es unser Ministerpräsident schon am darauffolgenden Mittwoch erfahren. Wenn Sie schon mal neben der Bundeskanzlerin gestanden haben sollten, in Mecklenburg wäre das auch nicht viel schneller gegangen. Wir wollten ja schon darüber berichten, dass die Landesregierung für die Situation ganz und gar Entwarnung gibt und dass wir überhaupt keine Befürchtungen zu befürchten haben, aber so ganz ohne Strom? Das Technische Hilfswerk kann auch nicht zaubern. Schon gar nicht, wenn sie auf Thüringen kommen und wegen des Stromausfalls keine Grenzkontrollen mehr möglich sind.

Jetzt hören Sie aber mal auf mit Ihrem Gehetze! Wir sind selbst schuld? Das ist doch Trassismus! Wir werden uns das von Ihrer Redaktion nicht länger gefallen lassen, und wir werden dafür sorgen, dass Ihr Blatt – erscheint in Frankfurt? Das ist vernünftig. Da soll’s ja gute Autobahnen geben.

Unsere Vision ist ja klar: Gas geben. Wir werden den ganzen Freistaat, und das ist mal klar, das schreiben Sie jetzt gefälligst, und zwar im Fettdruck, weil das ist eine richtige Schlagzeile! Bayern hat die Energiezukunft gesichert!

Nein, nicht von Bayern. Von Seehofer.

Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir mit fremdtrassigen – Sie brauchen gar nicht so zu lachen! – Gasleitungen unseren Freistaat zubauen, um Strom für irgendwelche Computernerds zu erzeugen? Die sollen sich ihren Akku ruhig irgendwo in Berlin aufladen, aber nicht bei uns! In Bayern geht es noch sauber zu!

Denn schauen Sie mal, so eine Kuh, in die geht ja nicht nur etwas rein, aus der kommt manchmal auch etwas heraus. Und da muss man dann auch mal wirtschaftlich denken – wir haben das auch gleich an eine ausländische Firma outgesourct, weil das schneller geht – und dann fragt man sich früher oder später: wenn wir dieses Bundesland seit Jahrzehnten mit naturbelassener Scheiße regieren, warum kann man dann nicht auch unsere Zukunft damit in den Griff kriegen? Gut, auf den ersten Blick klingt das jetzt etwas peinlich, und wir haben das auch sehr schnell begriffen: den Söder kann man mit so einer Message nur schwer in den Wahlkampf schicken. Das beziehen die Wähler auf den Söder, und der Söder dürfte der einzige sein, der das wieder nicht mitkriegt. Aber sonst?

Schreiben Sie, dass wir unsere wirtschaftliche Expansion zur Gasgewinnung starten. Wir sind nicht mehr scharf auf die großen Energiereserven der Pufferstaaten, uns liegt die Auseinandersetzung um fossile Rohstoffe fern – wir brauchen nur Platz für gut siebenhundert Milliarden Kühe. Wenn wir schon die Ukraine annektieren, dann wenigstens nicht aus schnöden territorialen Besitzansprüchen.

Außerdem schreiben Sie mal, dass die CSU damit die Finanzen des Freistaats gerettet hat. Weil durch die Leitungen, die gar nicht erst gebaut werden, der Strom viel knapper wird, und dann wird er teurer, und wenn wir keinen teuren Strom mehr verbrauchen, und dann keine Leitungen mehr bauen, durch die der teure Strom nach Bayern transportiert werden muss, dann sparen wir doppelt. Ich habe das mal für Sie ausgerechnet, hier: dreitausend Jahre Stromausfall, dann können wir uns endlich die Infrastruktur leisten. Für die Infrastrukturabgabe von Dobrindt.

Aber die soll ja sowieso von selbst laufen. Also nicht finanziell, und juristisch – egal,aber wenn wir schon Autos fotografieren, dann müsste man die Energie, die sie auf den Autobahnen erzeugen, auch wieder reinholen können. Wir wissen zwar noch nicht, wie das funktioniert, aber die CSU hat schon mal angekündigt, dass wir die Beschlussvorlage im September fertig haben. Und dann machen bei uns die ausländischen Autos den Strom für die Verkehrsampeln in der –

Stromtrassen? gut, da müsste man jetzt neben jede Autobahn einen Strommast stellen. In jeder Richtung und so ungefähr alle hundert Meter. Aber das bedeutet ja auch Arbeitsplätze für Bayern und Subventionen des Bundes für sicherheitspolitisch notwendige Maßnahmen. Natürlich ist das eine sicherheitspolitisch durchaus notwendige Maßnahme – wenn wir das nicht machen, dann dreht uns am Ende noch der Seehofer durch.

So schreiben Sie das. So und nicht anders. Und könnten Sie gleich unten im Foyer vielleicht noch eine Stunde auf das Trimmrad steigen, ja? Wir können uns sonst die Herdprämie nicht leisten.“