„Und Sie meinen, er gibt auf?“ „Ich kann das leider nur so bestätigen.“ „Wieso leider?“ „Na, über die Jahre hinweg ist man der Partei verbunden. Da ist es schon schade, wenn einem ausgerechnet der Vorsitzende jede Perspektive nimmt.“ „Aber das ist bei Gabriel ja nun nichts Neues.“ „Stimmt. Er sagt es nur diesmal selbst.“
„Ist das nicht traurig? Der Vorsitzende sagt selbst, dass wir über lange Jahre hinweg nicht den Kanzler werden stellen können?“ „Natürlich ist das bedauerlich, aber wir können es nun mal nicht ändern.“ „Ach was.“ „Entschuldigen Sie meinen Fatalismus, aber…“ „Weil Sie schon zu lange in der SPD sind?“ „Nein, ich kenne Gabriel zu gut.“ „Ich verstehe. Der ist zu lange in der SPD.“ „Nein, auch nicht.“ „Die SPD hat schon zu lange Gabriel?“ „Ja, das dürfte in etwa hinkommen.“
„Weiß man denn schon, woran es liegt?“ „Dass Gabriel aufgibt? Nun, er wird wahrscheinlich die langfristigen Prognosen gelesen haben, in denen die Sozialdemokratie nicht mehr…“ „Das war mir schon klar, aber ich meine: weiß man schon, warum die SPD in den kommenden Legislaturen so gut wie keine Chancen mehr auf die Kanzlerschaft hat?“ „Es wird wohl an der Art der Politik liegen, die sich an Grundsätzen der Sozialdemokratie ausrichtet, an Familienfreundlichkeit und Fördern von Leistung, Weltoffenheit, Wirtschaftsnähe, Zukunfts- und Gesellschaftsperspektiven für unser Land, das in einer gemeinsamen…“ „Hören Sie mal, damit verlieren wir doch keine Wahlen als SPD?“ „Wer spricht von uns? Ich meine die Union.“
„Kann man das nicht auch inhaltlich lösen?“ „Was fragen Sie mich?“ „Ich meine, die Themen liegen doch auf der Straße. Dieses bescheuerte Freihandelsabkommen, der NSA-Skandal, Löhne und Mieten, die Vorratsdatenspeicherung, diese verdammten Rechtspopulisten, wer kümmert sich denn darum?“ „Wir können uns ja leider nicht um diese Themen kümmern.“ „Weil wir nicht Kanzler sind?“ „Nein, aber für linke Politik sind wir nicht mehr zuständig.“ „Aber für Sozialdemokratie?“ „Hören Sie mir nicht zu? Das macht die Union.“ „Was machen wir denn überhaupt noch?“ „Den Rest. Ein Gesetz, nach dem Toaster nur noch einen Schlitz haben dürfen, damit der Stromverbrauch erhöht wird.“
„Wobei noch zu fragen wäre: wer gibt auf?“ „Naja, Gabriel.“ „Also gibt Gabriel die SPD auf?“ „Kann man so und so sehen.“ „Und wie sehen Sie das?“ „Wie Gabriel.“ „Hä?“ „Er ist halt die Partei.“ „Aha, dann gibt er also die SPD auf…“ „… weil er sich in erster Linie selbst aufgibt.“ „Das finde ich jetzt gar nicht mal so schlimm.“ „Wie kommen Sie denn darauf?“ „Also wenn Gabriel und die Partei eins sind…“ „Es ist ja immer nur für eins Platz.“ „… dann hieße das ja im Umkehrschluss, dass die Partei auch den Vorsitzenden aufgibt.“ „Stimmt. Das wäre tatsächlich ein Hoffnungszeichen.“
„Sie meinen also, wir könnten das Problem lösen, indem wir einen neuen Vorsitzenden finden?“ „Mit der jetzigen Personalstruktur dürfte das eher kompliziert werden. Das sind keine Vorsitzenden, allenfalls Vorgesetzte.“ „Sie meinen, das seien alles Führungspersönlichkeiten?“ „Nein, die werden uns vor die Nase gesetzt, und wir dürfen dann so tun, als hätten wir es nicht mit einer Truppe geistig minderbemittelter Schwätzer zu tun.“ „Das Problem hat die Union allerdings auch.“ „Stimmt. Aber Sie müssen bedenken, wenn die Union einen Besenstiel zum Spitzenkandidaten ausruft, bekommt sie immer noch mehr Zustimmung als die SPD mit dieser Personaldecke.“ „Einen Besenstiel?“ „Notfalls würde auch die Bundesursel reichen, wenn gerade keiner in der Gegend herumsteht.“
„Was machen wir denn nun konkret?“ „Fragen Sie nicht mich. Für konkrete Lösungen ist diese Partei nicht zuständig.“ „Und für ideologische?“ „Wenn Ideologie eine Lösung wäre, warum ist dann die FDP untergegangen?“
„Aber jetzt wird ja die junge Garde aktiv. Haben Sie gelesen, was Schwesig mit Schäuble vor hat?“ „Ich werde davon vermutlich erfahren, wenn Schäuble sie hinter sich hat.“ „Nur so können wir unserem sozialen Anspruch gerecht werden, wenn die Alleinerziehenden nicht leer ausgehen beim Kindergeld.“ „Sie wird sicher ihrem sozialen Anspruch, oder was immer sie dafür halten sollte, mehr als gerecht, wenn sie in einem epischen Endkampf statt vier ganze sechs Euro mehr Kindergeld rausholt, die mit dem Hartz-IV-Satz verrechnet werden.“ „Dabei ist das doch gerade ein ganz typisches Gewinnerthema!“ „Hartz IV? Ja, da könnten Sie sogar recht haben.“
„Jedenfalls freue ich mich, dass wir uns diesmal den sinn- und inhaltslosen, lähmenden Wahlkampf sparen können. Keiner will das mehr sehen.“ „Wieso das denn?“ „Man macht doch keinen Wahlkampf mehr, wenn man sowieso weiß, dass man nicht gewinnt.“ „Was erwarten Sie jetzt? Die weiße Fahne?“ „Jedenfalls keine rote mehr. Weiß-rot wäre ganz okay.“
„Aber wahrscheinlich haben Sie recht. In dieser Partei wird nichts mehr passieren.“ „Sagen Sie das nicht – ich sehe schon, dass im Endspurt noch einmal ein großartiger Sieg greifbar ist. Ich sehe schon, wie er kämpft und sich durchsetzt: Sigmar Gabriel gegen die Altersarmut!“ „Bei den Wählern?“ „Pfff! bei Sigmar Gabriel natürlich.“
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