Gernulf Olzheimer kommentiert (CCLXXX): Bessermenschen

27 03 2015
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Kaum hat sich der durchschnittliche Teilnehmer an den internationalen Zivilisationsfestspielen in seiner Leistungsklasse knapp in die B-Mannschaft herangearbeitet, da droht auch schon wieder die Disqualifikation wegen klinischer Doofheit. Wieder und wieder schafft er sich ein ethisches Grundbewusstsein drauf, ratzt dreimal ab im Volkshochschulkursus Altruismus für Dummies, versagt bei der praktischen Prüfung, weil ihm noch die BILD aus der Manteltasche ragt, hangelt sich mühsam wieder auf den Boden der Tatsachen und stellt schließlich fest: Ngongo aus dem zweiten Stock ist ja gar kein Neger, der Transferleistungen schmarotzt, sondern verdient als Kommunalbeamter genau die Kohle, die einem das Amt an jedem Ersten kommentarlos rüberschiebt. Plötzlich scheint das mit der Bildung gar nicht mehr so kompliziert, einmal in der Woche, dann einmal am Tag hält der Bürger kurz inne und fragt sich, was er da eigentlich tut, und warum. Und schon, noch ist das frisch gepinselte Transparent zur Rettung des Regenwaldes nicht richtig trocken, nölt ein Kalkhirn aus der dritten Reihe dazwischen. Die Schafe im Brömkenröder Forst, der Kaffeeanbau auf den Bergen von Nuki-Nuki, hinter den sieben Zwergen, weiß der Fuchs, auf jeden Fall drückt uns der plärrende Prolet im Hühnerbrustton der eigenen Überzeugung noch eine deutliche Warnung rein. Seine Sicht der Dinge ist wichtig, allein zur ethisch fundierten Diskussion geeignet und ansonsten der Nabel der Welt. Er ist nicht allwissend, das heißt: nicht nur allwissend, er ist auch moralisch immer und überall überlegen. Er ist der Bessermensch.

Was immer beim Zelten auf dem intellektuellen Standstreifen etwas zu viel Teile ins Kreuz kriegt, jodelt schmerzbefreit das Gutmenschentum an, jene von ihrem großen Vorbild hervorgegoebbelte Kaste der faktisch Überlegenen, die man von unten anspeien konnte, solange die Reichskanzlei noch nicht unterirdischer als unterirdisch war. Was als Koordinatensystem eines halben Volkes prima funktioniert, da es sich jenseits bewährter Ideologie und ohne behelfsmäßigen Drogenkonsum auch für die andere Hälfte der Besiedelung eignet, wird von den selbst ernannten Bedenkenträgern in Grund und Boden gepöbelt, weil sie ihre eigenen verquasten Ideologeme über die wehrlose Mitwelt klötern lassen, eigentümlich frei von Schmerz und jenem Bewusstsein, das höhere Arten vom Schmadder der billigen Nachzucht unterscheidet.

Natürlich guckt der übliche Dumpfdepp nur bis zum Rand seines Ursuppentellers, in dem er Schwimmen gelernt hat, und ahnt nicht einmal, warum er den anderen Kram ausblendet. Die Hauptsache ist, er kann seine Aggregatzustände von Beklopptheit frei in der Gegend entsorgen. Gegen die Bürgerinitiative Buschwindröschen? In Afrika verhungern Kinder! Für sauberes Trinkwasser in den Anden? Links hinterm Knörzelbachtal fehlt ein halber Krötentunnel! Jeder geistig noch nicht zum Pflegefall gewordene Mensch, der sich mit Absicht einen Staubsauger kauft, wird feierlich zum Kapitalistenschwein erklärt, denn unterdessen dümpelt irgendwo auf den Weltmeeren noch ein Teppich von Plastiktüten herum und wartet auf die unerschrockenen Aktivisten, die das Zeugs mit bloßen Händen in ihre Jutetaschen aus fairem Anbau und veganem Design stopfen. Kaum schippert der Tross auf den Pazifik, wird eben diese Meute vom Wachturm herunterblöken, dass der Analphabetismus in Sierra Leone die Stabilität der nordhessischen Rübenzüchter gefährdet. Und so weiter.

Aber für die Heulbojen der Endzeit reicht auch das nicht aus. Heiligkeit scheint das Gebot, denn nur so kann der willfährige Diener jener moralisch überlegenen Kreaturen an drei Orten gleichzeitig hungernde Kinder mit schadstofffreiem Dünger versorgen, genfreien Mais in linksdrehenden Ölteppichen züchten und simultan pro Tag einen Marathon laufen, um auf die Unterdrückung des westpolnischen Klappschenkelwalrosses aufmerksam zu machen. Doch schon ist der verdammte Bessermensch da, knuspert sein aus Recycling hergestelltes und glaubhaft glutenfreies Müesli, knirscht dazwischen getrockneten Verbaltofu hervor und wundert sich, wenn die Nase plötzlich blutet. Sie rechnen nicht damit, dass ihnen einer zuhört, ihr dümmliches Geschwalle mit einer sinnvollen Lautäußerung verwechselt und die Spitzhacke locker sitzt. Anfänger zücken wohl ihre Dalai-Lama-Plakette, schwenken die durch Greenpeace akkreditierten Eier von glücklichen Kühen und beweisen mit Fotos aus dem Westjordanland, dass sie bereits sanften Tourismus in Krisenregionen praktizieren. Fotos auf einem in chinesischen Sweatshops hergestellten Telefon von und für Turbokapitalistendreckschweine.

Wozu diese ganze Kasperade? Bevor man als verzweifelter Billigtextilienträger nach Gründen sucht, packt man eine dieser Nervensägen am Kragen und fragt, wann sie das letzte Mal gegen den Krieg war. Die Antwort ist logischerweise immer falsch. Und ja, da darf man dann reinhauen. Wir tun es ja für die gute Sache.