Hauptsache würdevoll

20 04 2015

„Ja, da muss man den Dingen ins Auge blicken. Das ist manchmal das Schwerste, wissen Sie, und unserer Erfahrung nach kommt das immer auch ganz plötzlich. Auch und gerade dann, wenn man sich lange und intensiv gedanklich auf den Abschied schon vorbereitet hat, gedanklich und im Gespräch, wenn man seine eigene Perspektive auch ein Stück weit überdacht hat und sich denkt, man hätte in der Vergangenheit vielleicht vieles ganz anders gemacht – aber wenn es dann so weit ist, das ist natürlich immer noch ein eigenartiger Moment.

Wobei, es soll jetzt um Himmelswillen nicht herzlos klingen, aber oft ist es doch auch so, dass man im zweiten Augenblick sagt: es ist doch besser so. Das Leiden, das so lange Kraft geraubt und die Situation hoffnungslos gemacht hat, es ist jetzt vorüber. Hat sich, wenn Sie so wollen, an einen anderen Ort transformiert, und wir können nur jetzt nicht erkennen, ob es da ein Fortleben gibt, eine Form von Fortbestehen, wofür man gelebt hat und geliebt und gestritten, wissen Sie, das muss dann jeder mit sich selbst ausmachen, da kann man keinem eine endgültige Botschaft mitgeben. Es kommt da sehrt auf das Individuelle an, wissen Sie, und unserer Erfahrung nach entdeckt man dann in der Vergangenheit plötzlich auch Dinge, die einem plötzlich sehr wichtig scheinen und die man vorher gar nicht so bedacht hatte. Was man besser noch gesagt hätte, bevor es zu spät war, oder vielleicht auch, was man besser noch verschwiegen hätte. Was man nicht mehr ändern kann, wissen Sie, und das ist unserer Erfahrung nach manchmal auch sehr viel. Wichtige Dinge, und die trägt man dann mit sich, auch wenn man weiß, dass es eine zusätzliche Last ist, von der man sich befreien muss.

Die Trauerarbeit können Sie gerne auch in den kommenden Wochen und Monaten dazubuchen, dann kostet das nichts extra. Wichtig ist jetzt erst mal, dass wir die richtigen Schritte gemeinsam gehen, in ein neues Leben, wenn Sie so wollen ist das der Gang, den die Verwaltung oder die öffentliche Hand auch vorgesehen hat, wir leben nun mal in einem Staat, in dem sehr wenig Rücksicht auf unsere tiefsten Gefühle genommen wird, aber unserer Erfahrung nach findet sich dadurch auch oft schnell eine neue Perspektive, eine Orientierung, wie das Leben weiterläuft, weil man nicht einfach die Hände in den Schoß legen kann. Sie werden sehen, das hilft.

Natürlich würdevoll, Hauptsache: in Würde. Man kann da ja auch schon für den kleinen Geldbeutel ein paar schöne Sachen tun, es muss nicht immer so groß und pompös sein, wissen Sie, unserer Erfahrung nach kommen doch gerade die kleinen Dinge von Herzen. Also Blumenschmuck würde ich uni nehmen, maximal zwei Farben, und nicht mehr als drei Stiele pro Trauergast. Naja, dann machen wir ein Gesteck mehr. Platz ist ja, der Sarg ist nicht gerade schmal. Wenn Sie mich fragen, klassische Form. Das ist dann auch schnell wieder entsorgt.

Nehmen Sie lieber das Kondolenzbuch hier. Abwaschbar, man weiß ja nicht, was man bei der Gelegenheit alles anfasst. Oder wen. Wissen Sie, unserer Erfahrung nach kommt es nur auf ganz wenige Dinge an, die man von so einem Abschied auch behält. Vieles lässt man doch zurück, weil man sich in so einer Situation nicht mehr mit den jüngsten Erinnerungen belasten will, mit den schweren Stunden, in denen man immer noch versucht, ein Lichtlein zu sehen in der Ferne, und dann ist man natürlich verzweifelt, wissen Sie, und unserer Erfahrung nach sind es dann diese ganz starken Symbole, Dinge für die Ewigkeit, die mit der Zeit auch ein eigenes Gesicht bekommen, einen eigenen Wert, und ich würde durchaus Granit empfehlen, der ist wetterfest. Die Vogelscheiße können Sie ganz einfach mit einem Papiertuch abwischen, etwas lauwarmes Wasser, oder notfalls eine milde Scheuermilch. Braun? Gute Wahl, das wird gerne genommen. Dies ist ja auch besonders schmuck, da ist so dunkel, man denkt sofort, dass es Schwarz ist. Ist aber Braun.

Lassen Sie sich damit noch ein bisschen Zeit, man ist da im ersten Augenblick immer etwas überstürzt, wissen Sie, und unserer Erfahrung macht man im unmittelbaren Abschiedsprozess auch die Fehler, die man hinterher am ehesten bereut. Es häuft sich in den vielen Jahrzehnten nun mal eine Menge Zeugs an, manches davon auch nicht unbedingt geschmackvoll und viele Dinge sicher auch von eher fragwürdiger Art, aber so ist das nun mal, wenn man ein Gesamtbild vor sich sieht – da soll man dann nichts beschönigen, das rächt sich sowieso, dann kommt man irgendwann mit einem objektiven Bild aus der Trauerarbeit wieder raus und kann auch wieder positive Gefühle zulassen. Ein bisschen bleibt immer, wissen Sie, und unserer Erfahrung nach ist das gerade mit dem Erbe so eine Sache. Man sollte sich immer auch fragen, was würde man selbst wollen, dass es nun in andere Hände fällt, und was möchte man dann für die eigene Nachfolge lieber ausschließen, und dann sollte man sich immer überlegen, wo ist denn das Eigentum am besten bewahrt, wer kann damit überhaupt etwas anfangen, wer möchte nur aus Eigennutz etwas besitzen?

Also nur eine Schleife? Gerne. Wir würden das gerne auf Naturmaterial arbeiten, das ist dann schneller wieder – haben Sie schon? Liebe SPD, es war besser so. Na, meinethalben. Wenn’s denn würdevoll aussieht.“