Grundgesetz GmbH

22 04 2015

„Das ist unerhört! Unerhört finde ich das!“ „Jetzt regen Sie sich mal wieder ab.“ „Unerhört! Man sollte dieses Arschloch…“ „Vorsicht mit den Beleidigungen, das Amt ist knapp unterhalb des Staatsoberhauptes angesiedelt.“ „Und das ist ja heutzutage auch nichts mehr wert.“

„Aber Sie müssen doch zugeben, dieser Lammert hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Er fordert öffentlich, das Bundesverfassungsgericht zu entmachten!“ „Wenn die Mehrzahl seiner Parteigenossen das alle drei Tage unter Ausschluss der Öffentlichkeit fordern, würde Sie das nicht besonders erstaunen.“ „Aber er fordert es eben öffentlich!“ „Und das regt Sie so auf? Gehen Sie jedes Mal in die Luft, wenn ein Politiker sich als plärrender Pausenclown outet?“ „Der Mann ist doch schließlich ein Verfassungsorgan!“ „Regen Sie sich halt ab, dann darf er andere Verfassungsorgane doch anpinkeln, oder?“

„Wenn wir alle lästigen Kontrollmechanismen einfach abschaffen, was wird denn dann aus dem Staat?“ „Sie tun ja gleich so, als wolle der Mann uns ein Freihandelsabkommen aufschwatzen.“ „Jetzt werden Sie nicht auch noch ironisch! Wir haben doch dieses Gericht nicht aus Versehen, das ist doch bitter notwendig, wie Sie sehen!“ „Naja, er wird sich halt ein bissel geärgert haben, dass die Verfassungsrichter nicht alle Kopftuchmädchen aus den deutschen Schulen rausschmeißen wollen. Für einen bekennenden Christdemokraten ist es auch schwer, wenn man sich an die Verfassung halten muss.“ „Dafür wird er jedenfalls nicht bezahlt.“ „Wie auch, oder haben Sie im Reichtag schon mal einen Lobbyisten von der Grundgesetz GmbH herumturnen sehen?“

„Ist diesen Idioten denn nichts heilig?“ „Wir gehen ja gewöhnlich von säkularen Kategorien aus, aber sonst: nein. Ist es nicht.“ „Sie müssen sich mal überlegen, wir statten diese Politiker mit einer Macht aus, die sie auch noch missbrauchen, und dann langt es ihnen immer noch nicht.“ „Versuchen Sie doch mal positiv zu denken und schieben Sie es auf den deutschen Nationalcharakter. Blitzkriege, Exportweltmeister, wir leben halt auch ein Stück weit von der Ausdehnung.“ „Läppisch! Die Regierung hat doch genau das hier mehr als einmal provoziert!“ „Naja, Sie dürfen hier nicht Ursache und Wirkung verwechseln.“ „Die Ursache ist jedenfalls, dass der Bundestag größtenteils politischen Bockmist absondert und ihn dann vom Bundesverfassungsgericht in halbwegs grundgesetzkonforme Gestalt bringen lässt.“ „Das ist die Wirkung. Die Ursache ist, dass die viertklassigen Juristen im Bundestag gerne fünftklassige Juristen im Verfassungsgericht sitzen haben würden, aber das entscheidet leider nicht der Bundestag.“

„Nein, Sie haben das nicht verstanden. Das ist in meinen Augen ein deutlicher Versuch, die Demokratie in Deutschland abzuschaffen, das ist ein…“ „Geht’s nicht etwas leiser? der Mann möchte nur einmal ungestört vom Volk regieren, dafür müssen Sie doch Verständnis haben.“ „Was bitte!?“ „Sie als souveränes Volk möchten doch manchmal die Politiker auch gerne loswerden, oder haben Sie sich noch nie darüber geärgert, was die aus ihren Wahlversprechen machen?“ „Wir sollten jedenfalls auf diese Kampfansage mit einem ganz klaren Bekenntnis zur Gewaltenteilung und zur Demokratie…“ „Ja, das machen Sie mal. Immer machen Sie das mal, das hilft Ihnen hinterher sicher weiter, wenn Sie sagen können, dass Sie eigentlich dagegen waren.“

„Vor allem: er fordert dafür auch noch eine Grundgesetzänderung!“ „Na logisch. So ist das nun mal in einem Rechtsstaat.“ „Ach was, Rechtsstaat – er will, dass das Bundesverfassungsgericht sein eigenes Todesurteil unterzeichnet!“ „Meine Güte, wie romantisch.“ „Das ist doch wie…“ „Sagen Sie’s nicht, aber meinetwegen: die sind auch auf legalem Weg an die Macht gekommen. Und wissen Sie was? die wurden sogar gewählt.“ „Lammert nicht.“ „Dann wird er ja noch viel schlimmer sein, meinen Sie nicht auch?“

„Der Bürger verliert doch noch das letzte bisschen Vertrauen in die Politik.“ „Und das bringt ihm ein Verfassungsgericht, das Gesetze kippt, die danach nie wieder richtig verabschiedet werden?“ „Jedenfalls zeigt doch diese Angst vor den Verfassungsrichtern, dass die Politik eine noch zu gut funktionierende Demokratie fürchtet.“ „Also funktioniert sie noch gut, und deshalb haben Sie Angst, dass sie nicht mehr funktionieren könnte?“ „Man weiß ja nie, wo das alles hinführt.“ „Moment mal: das Bundesverfassungsgericht soll beschnitten werden mit einer Maßnahme, die letztlich nicht einmal das Bundesverfassungsgericht beschließen dürfte? Wie lächerlich ist das denn?“ „Ich sage, wir müssen dieses System in seine Schranken weisen, das solche Funktionsträger hervorbringt, die mit ihrer parteipolitischen Sendung unser Gemeinwesen zugrunde richten wollen.“ „Meine Güte, jetzt machen Sie sich mal locker! So schlimm ist das doch gar nicht.“ „Nicht schlimm!?“ „Lammert setzt sich ein für ein politisches System, in dem man jemanden wie ihn formaljuristisch legal an die Wand stellen dürfte.“ „Ach so. Na, dann.“