„Merkel lügt eben nicht.“ „Aber sie hat nicht die Wahrheit gesagt.“ „Ich kann das nicht beurteilen, deshalb werde ich Ihnen auf keinen Fall widersprechen, nur: Merkel lügt nicht.“ „Sie äußert in einem fort Sachen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen.“ „Wenn Sie das so sehen, dann ist der Papst ein Lügner, aber doch nicht Merkel.“ „Sie gibt Dinge von sich, die schlicht und ergreifend…“ „Das mag sein, aber sie lügt eben nicht.“
„Ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen, aber Sie wissen doch selbst, dass das mit der NSA und dem No-Spy-Abkommen alles bloß Quatsch war.“ „Klar.“ „Sie geben das also zu?“ „Wieso sollte ich nicht? Kann ich mir etwas davon kaufen, dass ich das leugne?“ „Dann werden Sie auch zugeben müssen, dass…“ „Ich muss gar nichts.“ „Aber es ist doch…“ „Schließlich bin ich nicht Merkel.“ „Dann steht aber Ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit…“ „Eben, es ist nicht die Wirklichkeit, sondern nur die Wahrnehmung. Also Ihre.“ „Aber…“ „Noch genauer, es ist Ihre von meiner Wahrnehmung der Wirklichkeit, damit muss sich eine Bundeskanzlerin nun echt nicht mehr befassen.“ „Weil ich Sie als Kritiker im…“ „Ach was, Sie sind nur ein Bürger.“ „Hallo!? als Bürger bin ich hier ja wohl der Souverän und kann…“ „Welches Wort von Schnauze war jetzt noch mal zu kompliziert?“
„Wir fassen zusammen: Merkel hat gelogen.“ „Ihre Meinung.“ „Eben, und…“ „… und Sie werden schon sehen, was Sie davon haben. Bald gibt’s ja wieder eine ordentliche Datenspeicherung auf Vorrat, da kriegen wir jemanden wie Sie schon beseitigt.“ „Habe ich’s doch gewusst! Sie wollen damit die Bürgerrechte abschaffen!“ „Wir haben das nie bestritten. Wir sind ja nicht Merkel.“
„Merkel hat gelogen, und es gibt immer mehr Beweise dafür.“ „Jetzt machen Sie sich mal locker. Der Kanzleramtsminister hat da so Sachen erzählt.“ „Und dem glauben Sie natürlich.“ „Wie komme ich dazu? der ist schließlich auch in einer dieser Regierungsparteien.“ „Das heißt, Sie glauben der Regierung nicht?“ „Sollte ich? Die haben ja einen Grund, die Bevölkerung mit ihren Lügen einzuwickeln.“ „Und wie wollen Sie dann der Bundeskanzlerin glauben?“ „Weil sie nicht lügt. Das leuchtet doch ein.“ „Es gibt hier genug Anzeichen, dass auch die US-Regierung…“ „Und denen glauben Sie? Meine Güte, wachen Sie auf!“ „Warum sollte ich denen nicht…“ „Hallo!? die spionieren uns aus! Lesen Sie etwa keine Zeitung mehr?“ „Was zum…“ „Das ist doch das Gesprächsthema überhaupt – haben Sie sich etwa aus der öffentlichen Debatte vollkommen ausgeklinkt?“ „Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass Sie die NSA-Schnüffelei bemerkt haben und trotzdem…“ „Aber nein, ich habe da ein absolut klare Urteil gefällt. Die US-Behörden befinden sich klar im Unrecht.“ „Dann bin ich ja beruhigt, Deutschland wird nie wieder Leid geschehen.“ „Die US-Behörden befinden sich ganz klar im Unrecht. Deshalb werden wir denen wegen ihrer Grundrechtsverstöße auch keinen Glauben mehr schenken und sie nicht mehr länger unterstützen.“ „Hä!?“ „Wenn die behaupten, Merkel habe angeblich nie eine Antwort auf ihren Wunsch nach einem No-Spy-Abkommen erhalten oder aber nur Schweigen, dann werden wird das einfach nicht glauben. Das würde sich doch ein wirtschaftlich und geopolitisch schwer in Unordnung geratenes Euro-Land nie…“ „Die USA haben immer noch den Dollar.“ „Was? na, ich bin meiner Zeit eben weit voraus. Dann haben die erst recht gelogen. Und daraus folgt natürlich glasklar, dass Merkel immer die Wahrheit gesagt haben muss.“
„Haben Sie sich schon mal gefragt, was die grüne Tinte auf den Akten bedeutet?“ „Auf den Akten, die die Kanzlerin zum Lesen bekommen hat? Aber selbstverständlich.“ „Merkel hat die Akten demnach gelesen und abgezeichnet.“ „Das lässt sich nicht bestreiten.“ „Und dennoch bestreitet der Pressefuzzi…“ „Regierungssprecher. Im Westen heißt das Mietmaul Regierungssprecher.“ „Da bin ich ja noch mal beruhigt. Dann bestreitet der Regierungssprecher eben, dass die Kanzlerin…“ „Auf die Gefahr hin, dass Sie mich nicht ernst nehmen: haben Sie schon einmal einen Gedanken daran verschwendet, dass der Mann lügen könnte?“ „Warum sollte er?“ „Ach, aus den verschiedensten Gründen. Manche wollen soziales Prestige, manche haben Angst vor sich selbst, bei manchen ist es einfach kreative Realitätsgestaltung.“ „Lassen Sie diese Späßchen! Warum sollte der Regierungssprecher die Öffentlichkeit belügen?“ „Sagen Sie’s mir. Vielleicht ist der Mann ja sozialversicherungspflichtig beschäftigt und das gehört seinen Aufgaben.“ „Aber das rechtfertigt noch lange nicht, dass die Kanzlerin die Unwahrheit erzählt.“ „Tut sie ja gar nicht. Sie hat dafür schließlich ihren Pressefuzzi.“
„Die USA wollten die sicherheitspolitischen Bedenken der Bundesregierung nicht einmal anhören, und dank der Kommunikationslinie der amerikanischen Regierung hat die Bundeskanzlerin uns in massiven Misskredit gebracht. Sie hat uns wie die letzten Knalldeppen dastehen lassen, die sich alles gefallen lassen.“ „Hm, ja. Kann man durchaus so gelten lassen. Aber wo hat Merkel da gelogen?“
Satzspiegel