„Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe hier schon ganz andere Probleme beseitigt. Seitensprung mit dem Ex, heimliche Geliebte, uneheliche Kinder aus vorangegangenen Beziehungen, von denen der jetzige Gatte gar nichts wusste. Da werden wir doch so ein bisschen schlechte Stimmung wieder in den Griff kriegen, was? Aber ja doch! Diese Ehe werden wir retten, nicht wahr, sprechen Sie mir nach: diese Ehe werden wir retten!
Es spricht doch auch gar nichts dagegen, dass Sie eine Paarberatung aufsuchen, Frau Merkel. Nur müssen Sie dann auch mitarbeiten. Weil ja die Verhaltensweisen des einen von den Verhaltensweisen des anderen bedingt sind und diese wiederum mit bedingen, und wenn wir die systemische Gesamtwirkung dieser Prozesse… Hören Sie mir eigentlich zu, Herr Gabriel?
Man muss nämlich auch mal ein wenig zurückstecken können, Herr Gabriel. Erinnern Sie sich noch? Das Wir gewinnt? Gut, wenn ich da Ihre Gattin gewesen wäre, ich hätte mich auch gefragt, warum Sie Ihre Integration schon beim Sprachkurs in die Tonne getreten haben, aber sie wusste ja wenigstens, was auf sie zukommt. Das wusste die Partei bei Ihnen nicht.
Andererseits, Frau Merkel, Sie müssen auf den Partner auch ab und zu mal einen Schritt zugehen. Diese, hm, Neigungen, Sie haben ja da immer so ein Bauchgefühl, das muss auch gar nicht schlimm sein, aber könnten Sie sich vielleicht darüber mal ganz in Ruhe unterhalten, wie wir da eine Perspektive reinkriegen für ein vernünftiges, gemeinsames Zusammenleben? Die Ehe ist nun mal unter dem besonderen Schutz des Staates, nur muss man dann auch ein bisschen dafür arbeiten, dass sie modern und zeitgemäß ist und nicht so eine total verstaubte Angelegenheit aus dem neunzehnten Jahrhundert bleibt. Seien Sie doch auch mal offen!
Und, Frau Merkel, es zählen doch vor allem die Gemeinsamkeiten. Dass man eine gemeinsame Lösung findet, genau. Das haben Sie schön gesagt, also: beim ersten Mal klang das noch schön, inzwischen können Sie sich das reinschieben, wo die Sonne nicht scheint. Weil es ja bei Ihnen nicht um die gemeinsame Lösung geht, sondern nur darum, dass andere etwas finden. Damit Sie nichts zu tun brauchen. Das ist für Sie Gemeinsamkeit, wenn man zusammen nichts tut? Lassen Sie es mich so ausdrücken, Frau Merkel: vom Ergebnis her betrachtet muss ich Ihnen da sogar Recht geben. In Bezug auf Ihre Klimapolitik beispielsweise kann ich mir diese Sichtweise sehr gut zu eigen machen.
Denken Sie doch mal lösungsorientiert! Diese Beziehung findet doch nicht im luftleeren Raum statt – Herr Gabriel, lassen Sie jetzt bitte Ihre SPD aus dem Spiel, ja? – sondern in einer Gesellschaft, die wiederum aus Vereinbarungen besteht, aus Konsens und Konflikten und einer individuellen Interpretation der Zweisamkeit, und die konstruiert für Sie eine gemeinsame Wirklichkeit, in der Sie miteinander leben können. Sie haben sich doch für die Zukunft sehr viel vorgenommen, oder? Sie wollen die Hosen anbehalten? Gut, würde ich wohl anders formulieren, Frau Merkel, aber wenn Sie das als Zukunftsvorstellung haben, dann will ich hier auch nicht widersprechen.
Sie sollten aber aufeinander mehr Rücksicht nehmen, das wissen Sie doch? Wissen Sie um die Symmetrie in der Beziehung? Haben Sie denn überhaupt noch Hoffnung, dass Sie schaffen? Wir werden diese Ehe retten, okay?
Womit haben Sie sich denn seit Ihrer Eheschließung so beschäftigt? mit sich selbst? Da steckt ja schon viel Schönes drin, Herr Gabriel, aber ob das für eine feste Beziehung reicht? Sie haben Recht, man sollte in einer Partnerschaft vor allem gemeinsame Interessen entwickeln, aber sich mit sich selbst zu beschäftigen, während der andere auch nur vorm Spiegel steht – finden Sie das nicht ein bisschen unbefriedigend? Ach so, ja. Sie finden sonst überhaupt keine Befriedigung mehr. Ich dachte, das sei den Stones in Ihrer Partei vorbehalten. Offenbar gehören Sie auch schon zu denen.
Frau Merkel, Sie müssen das jetzt nicht tun. Ich bin ja ein unabhängiger Berater, also eine Instanz, die zwar neutrale Erkenntnisse gewinnt, die ich dann aber für Ihre inneren Angelegenheiten – wie kommen Sie gerade jetzt auf die NSA? Das ist vollkommen falsch. Ich gehe hier keine Koalition mit Ihnen ein, nur damit Sie eventuell durch unsere Zusammenarbeit entstehende Interessenkonflikte besser ignorieren können, Frau Merkel. Hören Sie mal, ich lasse mich von Ihnen doch hier nicht instrumentalisieren! Und ich verspreche Ihnen auch kein Abkommen, so war das nicht gemeint! Diese Ehe werden wir retten, aber sonst nichts, klar!?
Sie brauchen eben eine gemeinsame Ebene, verstehen Sie mich? Sie wollen diese Probleme mit genau den Mitteln lösen, die die Probleme haben entstehen lassen? Wie soll das denn funktionieren? Sie müssen sich doch auch mal abstimmen. Das Gemeinsame koordinieren. Die Zukunft in Schritte unterteilen, die sich einzeln leichter gehen lassen. Arbeiten Sie die Ziele ab, die Sie in die Zukunft führen, und gehen Sie diese Schritte gemeinsam.
Okay, Frau Merkel: Sie beseitigen den letzten Rest von Sozialstaat, und Sie, Herr Gabriel, schaffen das Streikrecht ab, und dann zerlegen Sie gemeinsam das Grundgesetz in seine Bestandteile? Sehen Sie, es geht doch! Diese Ehe werden wir retten!“
Satzspiegel