Gernulf Olzheimer kommentiert (CCXCIV): Elternstolz

10 07 2015
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Die Vorgänge selbst sind hinreichend bekannt, und werden sie zielgerichtet ausgeübt, so sind die Tatbeteiligten neun Monate danach in die nächsthöhere Güteklasse menschlicher Existenz aufgepoppt, eine Ebene höher, und der Verdacht liegt nahe, dass es sich nicht nur um Biochemie handelt, sondern: sie kriegen gewaltig eins an der Birne mit, sobald sie aufsteigen. Die Schäden bleiben, und wie jeder raumfordernde Prozess irgendwann die letzten Synapsen bügelt, schwappt die Masse früher oder später frei umher. Der Einsatz bordeigener Hormone macht die Sache nicht angenehmer, schon gar nicht für unschuldige Dritte, die aushalten müssen, was man nach latentem Rassenwahn, einer schizoiden Psychose beim Nachbarn mit Waffenschein oder Narzissmus in klinischen Endstadium am wenigsten erträgt. Den ungebremsten, explosionsartig sich entfaltenden Stolz der Eltern auf ihr Scheißgör.

Vermutlich haben die Gevattern und Gemütter selbst hinreichend schizoides Gedankengut in der Hirnrunde gebunkert, denn nur sie verhalten sich so widersprüchlich, dass man beim Zusehen Zahnweg kriegt. Auf der einen Seite ist der Mini schon im zarten Alter so selbstständig, er könnte glatt Formel 1 fahren – mit Stelzen auf dem Gaspedal sicher kein Ding – verzichtet jedoch aus reiner Liebe zur Umwelt auf derlei. Auf der anderen Seite wird der Spross in Bioluftpolsterfolie gestopft auf dem Silbertablett über alle Holzwege gehievt, damit er sich ja nicht die Mauken verbiegt. Sie lernen sich alle durchzusetzen, allerdings lernen sie es nur durch Imitation, wenn Mami beim Latte-macchiato-Treff mit den anderen Versagerinnen die Kellnerin anschreit, weil die im Gegensatz zur Genschleuder ihr Studium nicht abgebrochen hat und von Muttchens Cellulite noch lockere zwanzig Jahre entfernt ist. So lernt auch der Nachwuchs beizeiten, dass man gar nicht viel braucht, um seinen Status ohne Argumente zu unterstreichen. Wenngleich er das als geniale Fortsetzung der Familienlinie sicher nie wird einsetzen müssen.

Denn die anderen Blagen sind ebendies: verschludertes Genmaterial, das höchstens zum Müllmann oder als Innenministerin taugt, deutlich unterbelichtet, vollverdübelt und lernresistent, kurz, der Schmierkäse, aus dem Untertanen geschnitzt werden. Eine grausige Vorstellung, dass diese Kevins und Schantallen dereinst die Rente für Galileo Maximilian Figaro erschuften sollen, den aus anderem Holz geschwiemelten Götterliebling, man sieht es ihm zwar noch nicht an, wenn man ihn nicht kennt, aber man wird ihn kennenlernen, und wenn es das letzte sein sollte, das seine Erzeuger in dieser Inkarnation sich aus der Rübe rattern. Die anderen sind die anderen, die eigene Leibesfrucht jedoch spielt in einer vollkommen losgelösten Kategorie. Der Verdacht liegt nahe, dass dieser Absolutheitsanspruch an den perfekt gegen die Realität isolierten Blitzbirnen der Erwachsenen liegt.

Elternstolz ist eine hinlänglich hämische Form von Stellvertreterkrieg. Nicht die Hersteller leisten nennenswerte Dinge, der Sprössling wird es, unter Umständen, irgendwann tun, nach Kita und Klavierstunde, Abitur und der ersten Haftstrafe, wenn er sich vermittelst einer Machete zum Vollwaisen gemacht hat. Der güldene Glanz des Selbstgerechten jedoch, er falle möglichst auf die Alten, und paradoxerweise sieht man erst da so richtig, dass die Pausenclowns nicht viel gerissen kriegen, sich aber mit einem Genomzonk im Wagen hochprima über anderer Leute Zehen fahren lässt.

Es gibt vermutlich keinen besseren Weg, Kinder in endneurotische Arschlöcher zu verwandeln, als die elterliche Zuneigung auf nicht zu leistende bis nicht vorhandene Vorzüge zu projizieren. Das angebetete Resthäkchen erfriert auf seinem Podest, aber es sieht dabei so süß aus. Und es wird sich ein langes, verschissenes Leben lang fragen was es eigentlich hätte noch besser machen sollen, um der überzogenen Anspruchshaltung wenigstens ohne Verlustängste gerecht zu werden – es sei denn, die kindliche Person wird durch elterlichen Dauerjubel ebenfalls komplett wirklichkeitsimmun, kennt keine Kritik und kann auch nicht mit ihr umgehen. Irgendwann, wenn die Bioluftpolsterfolie weg ist und der Sachzwang seine schmierigen Finger nach dem Heranwachsenden ausstreckt, wird’s dann prekär. Aller Wahrscheinlichkeit nach leidet der Erbe sowieso unter kräftigem Narzissmus, mit etwas Glück klopft die schizoide Psychose an die Tür, ein Waffenschein ist schnell besorgt, und das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Man stelle sich vor, diese Leute bekämen irgendwann Kinder.