
Gernulf Olzheimer
Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.
Die Quelle des Fortschritts ist zwar in den seltensten Fällen zu erreichen, wenn man als Wasserleiche stromabwärts treibt, doch tut es die ökonomische Unterschicht ohne Bildung, Perspektive oder wenigstens eine belastbare Ethik, weil sie unreflektiert jedem noch so beknackten Trend folgt. Das Management, niemand sonst ist damit gemeint, häkelt sich ein wirres Weltbild zusammen, in dem der als großer Held gilt, Räder unterm Arsch oder nicht, der möglichst viel spart, vorzugsweise durch geringere Ausgaben. Noch geringere. Sehr viel geringere. Alles, was ihnen noch bleibt, ist das Verdünnen der Suppe bis zum homöopathischen Grad, an dem das Zeug ganz nach Plan plötzlich paradoxe Wirkungen entfaltet. Die Katastrophe der spätkapitalistischen Gesellschaft kommt durch das Übermaß nicht funktionierender Entwicklungsschritte. Das Mantra der Gewinnmaximierer ist der Sparzwang.
Austerität lebt vom Mitmachen. Das unter dem fadenscheinigen Deckmäntelchen der Kosteneffizienz grassierende Kaputtsparen an Mensch und Material ist Methode, marode Strukturen durch kontinuierliches Aushöhlen der Zwischendecken einsturzfähig zu machen. Da schwiemelt sich eine Rotte dümmlicher Profiteure durch Produktion und Logistik, Vertrieb und Verwaltung, immer den Rotstift im Anschlag, um die Verpackung noch einen Millimeter schmaler zu schnitzen, das Blech noch ein Femtodingenskirchen dünner zu dengeln, noch mehr Fett und Zucker in die Rezeptur beliebiger Pampe zu rühren und die gesparte Kohle aus reiner Barmherzigkeit in die eigene Tasche gleiten zu lassen. Solche Ideen, wie sie stets der Konsolidierung des Konzerns dienen, sind wohlgelitten und bringen am Ende Boni. Man ist halt verantwortungsvoll mit den Mitteln umgegangen.
Nichts anderes sagt ja die Volksweisheit, dass nur Geiz wirklich geil sei, sprich: die intellektuellen Runkelrüben der Nation, die einen Container Gammelfleisch zum Vorzugspreis schießen und dann alles in die Tonne treten, sind zufriedener als jene Mittelstandsproleten, die sich ein gutes Schnitzel zu fairem Preis kaufen und tagelang gram sind, weil sie tatsächlich niemanden haben übers Ohr hauen können. Sie, das Gegenbild der Lack schlürfenden Schwabenhausfrauen, leiden zwar unter der Tatsache, dass überhaupt minderwertiger Schrott auf den Markt quillt, doch sie leiden strikt neoliberal indoktriniert, weil sie ihre Kohle selbst zusammenhalten und folglich im Textildiscounter ihre Billigteile aus Bangladesch kaufen müssen, weil es für giftfreie Ware zum Normalpreis nicht mehr reicht. Der EVP, gepriesen sei sein Name, ist der Endgegner, an den sich kein Würstchen aus dem mittleren Management herantraut, denn sie sind Betriebswirtschaftler – eine der wenigen funktionalen Entwicklungsstörungen des Großhirns, die erworben werden kann, und zu welchem Preis.
Denn natürlich müssen Alten- und Krankenpfleger, Erzieher und andere Aufstocker das unterteuerte T-Shirt kaufen, das nach drei Wäschen bereits zum tragbaren Bettlaken mutiert, ersetzt werden muss und konsequent den Konsum am Laufen hält. Sie, die ihre Löhne und Gehälter in der Folge der Austerität im Freiflug sinken sehen, sind das logische Ergebnis der Entwicklung und zugleich die Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt durchzusetzen ist. Würde man nicht die Autos billiger und die Milch dünner machen, sondern Arbeitnehmer ausreichend bezahlen, so dass sie überhaupt in der Lage wären, ein Auto zum Normalpreis zu kaufen, die Sache würde wieder in vernünftige Bahnen gelenkt. Soll sie aber nicht, weshalb nur ein Preisgefüge interessiert, nämlich wer die fetteren Provisionen abrahmt.
Eine Umdrehung weiter leuchtet spontan ein, warum Bahner und Boten nicht streiken sollen, wenn sie sich in der falschen Gewerkschaft befinden – dass sie überhaupt in den Ausstand gehen, wird schon bemäkelt, wo sie sich doch jede Woche ein neues T-Shirt leisten. Und tonnenweise Gammelfleisch. Mit der Kujonierung der Produktivkräfte von offizieller Seite zeigt sich einmal mehr, wer in trauter Allianz an den Wunschträumen der Wirtschaft arbeitet. Es ist nicht immer die Wirtschaft selbst.
Es gibt einen Schwellenpreis nach oben, an dem sich der Kunde fragt, ob die Putzkörperchen in der Scheuermilch einzeln im versilberten Privatjet in die Fabrik geflogen kommen und mit dem Stein der Weisen umgerührt werden. Wer das kauft, hat weniger Markenbewusstsein als Snobappeal. Das setzt sich nicht durch, es sei denn als Marktsegment für miserable Manager mit zu hohen Abfindungen. Es gibt einen Schwellenpreis nach unten, an dem der Kunde ernsthaft zweifelt, wie man für ein Erzeugnis derart wenig verlangen kann, ohne auf Streckmittel, Sklavenarbeit und Subventionen zurückzugreifen. Es ekelt den Konsumenten, und er stellt die Plempe zurück ins Regal. Sie ist nicht allein. Die Politik steht da schon ein bisschen länger.
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