Ein Stück Heimat

28 07 2015

„Und Sie können Arabisch? also schreiben, so mit der Sprühdose? Nein, keine Angst – das zählt nicht als Beweismittel, unsere Ermittlungsbeamten kennen sich überhaupt nicht mit dem Krickelkrakel aus, das ist alles fremdes Zeugs, und Ausländer sehen ja auch alle gleich aus. Keiner wird Sie bei einem Brandanschlag erwischen, wenn Sie sich an die Anweisungen halten.

Die Hauptsache ist ja, Sie sind irgendwie muslimisch oder so, ich kenne mich jetzt auch nicht damit aus, aber bei Ihnen in der Region sind doch die meisten irgendwie Islamisten? Wie gesagt, keine Ahnung mit den Feinheiten. Wenn Sie vor dem IS geflohen sind, dann haben Sie ja wenigstens schon mal Kontakt mit Extremisten gehabt. Das ist schon viel wert. Unsere Innenminister hatten das alles nicht, und die haben natürlich viel mehr Ahnung.

Unser Deal sieht so aus: Bleiberecht, dazu eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, erstmal in Teilzeit, weil Sie als Terrorist ja meist nur in den Nachtstunden tätig sind – Bereitschaft können wir Ihnen nun mal nicht zahlen, aber da können Sie ja andere schöne Sachen machen, Beten zum Beispiel – und Sie werden von unseren Führungsoffizieren bei Ihren Anschlägen begleitet. Ganz professionell natürlich. Auch wenn Sie hier als Sachverständige für Terror arbeiten, die Befehlsgewalt bleibt bei uns. Damit Sie gleich merken, es ist Deutschland hier. Nur wenn’s schiefgeht, dann sind Sie natürlich dran. Aber das hatten Sie ja in der Stellenanzeige so gelesen, gell?

Wir versorgen Sie dann mit neuen Einsatzorten, so alle drei bis vier Tage einen, es kann aber auch mal mehr werden. Dann erhalten Sie einen Freizeitausgleich, und wir arbeiten sowieso mit Zeitkonto, das heißt, Sie könnten eventuell auch mal ein paar Tage frei haben, wenn zum Beispiel der Innenminister gerade Ihren Einsatzort bereist. Da können wir ja nicht riskieren, dass er von Ihren Splitterbomben zerfetzt wird.

Generell erkennen wir eine im Heimatland abgeschlossene Berufsausbildung an, aber wir müssen schon darauf achten, dass sie gleichwertig ist. Wenn Sie jetzt beispielweise in Sprengtechnik kein Diplom haben, das lässt sich nachholen, aber terroristische Grundkenntnisse sollten schon vorhanden sein. Und interkulturelle Kompetenz. Deshalb haben wir Ihnen ja dies Angebot gemacht: Sie als Muslim wissen am ehesten, wie man ein Asylantenheim abfackelt. Das ist doch für Sie, ich sage mal, ein Stück Heimat, nicht wahr?

Manchmal sind auch so kleine Aufträge darunter. Mal ein Auto in die Luft jagen, mal einen Politiker am Telefon bedrohen, das findet sich. Da haben Sie dann auch ausreichend Zeit für Ihre Hauptbeschäftigung.

Dass wir Sie sozialversicherungspflichtig beschäftigen, ist ja nicht aus Gutmenschentum. Wir haben nur keine Lust, dass Sie uns hier mit Ihrer ganzen Mischpoke auf der Tasche liegen – Sie können ruhig etwas tun für Ihr Geld. Und unser Koalitionspartner in Bayern ist auch sehr dafür, dass sie hier schnell in den Niedriglohnsektor integriert werden. Zumal mit einem Arbeitsplatz, den Sie keinem normalen Menschen wegnehmen. Das ist sehr wichtig. Also für die CSU. Also für die nächste Landtagswahl.

Wie schon gesagt, ein paar Kenntnisse sollten Sie schon mitbringen. Wenn Sie jetzt nicht aus dem Stand eine Kochtopfbombe bauen können, das ist nicht schlimm, aber so ein einfacher Sprengsatz mit Zeitzünder, das sieht man doch in jedem amerikanischen Actionkrimi, da treten ein paar Studenten zum Islam über und lernen im Internet Diplomterrorist, da werden Sie das ja wohl auch auf die Reihe kriegen, oder? Wir können Ihnen doch nicht alles beibringen!

Sie müssten natürlich auch mal über Ihren Schatten springen, so ist das nun mal auf dem Arbeitsmarkt. Anschläge während des Ramadan sind hier üblich, da unterscheiden wir uns nicht so von den islamistischen Organisationen – Ihr V-Mann wird sich da aber noch mal genau mit Ihnen abstimmen. Sie müssen ihm nur genau erzählen, worum es geht. Die Jungs sind meistens nicht die hellsten Lampen im Laden.

Erwarten Sie nicht, dass jeder Brandanschlag sofort in den Abendnachrichten kommt. Für Eitelkeit ist in Ihrem Job nicht viel Platz, Sie müssen schon mit ein bisschen Idealismus an die Sache rangehen. Und dann werden Sie auch sehen, dass wir sehr viel Potenzial haben, weil die Öffentlichkeit manchmal recht langsam reagiert und nicht immer so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Die Politik auch, aber das lassen Sie mal unsere Sorge sein. Sie bekommen Ihre Einsätze, dann hauen Sie da auf den Putz, und dann sehen wir schon, ob sich die Stimmung dreht. Und wie weit.

Aber egal, Sie sollen das in Eigenverantwortung regeln, dazu stellen wir Sie ja ein. Und Sie werden hier ein gutes Team finden. Lauter Leute wie Sie. Nicht alle aus Syrien, aber Leute wie Sie. Unser Innenminister vertraut Ihnen. Denn was wäre er ohne Terrorismus?“