Gernulf Olzheimer kommentiert (CCXCVII): Die schweigende Mehrheit

31 07 2015
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Wes das Großhirn übergeht, des quarrt offenbar der Ausscheidungsapparat verbalen Sondermüll in die Umgebung. Anders ist nicht zu deuten, wie die Menge an geistig überforderten Bodenturnern sich beim Sturz auf den Hinterkopf die Nase in den Cortex rammt. Der Schnalzapparat macht Aufruhr, aber en interessiert das außer den Interessierten? Die Mehrzahl der Zuhörer schluckt trocken, um keinen Anfall von Farbgähnen mit ganzen Stückchen zu erleiden, und wer nicht rechtzeitig auf dem Baum ist, wird gefressen. Die Mehrheit schwieg schon immer, und nur die Interessierten haben ein brennendes Sehnen, sie zur schweigenden Mehrheit zu machen, die man, da nicht zu vernehmen, ebenso überhören kann. Sie sagt ja nichts, sie will nur spielen.

Vielleicht spielt sie Gesellschaft, aber aus alternativlosen Zeiten wissen wir zur genüge, dass dieses Ding so gut wie nicht existiert. Wer schweigt, scheint zuzustimmen – scheint, sagt der Lateiner, aber was ist mit dem Gehör in der gleichgeschalteten Welt, in der sowieso kein Schwein dem Beknackten zuhört? Es braucht wenigstens eine gut gemachte Demokratiesimulation, um den Anschein der medialen Öffentlichkeit plus Gegenöffentlichkeit aufrecht zu erhalten. Wo die nicht ist, da schweigen alle Pfeifen.

Gerne nimmt die aktuell verwaltende Masse das Denkmuster auf und versucht sich an ihm, mehr oder weniger verzweifelt unsäglichen Kram zu verbreiten, wohl wissend, dass die Mehrheit hört, die Schlüsse zieht und weiß: weiter sich den Murks in die Birne zu schwiemeln wäre pure Zeitverschwendung, wer sich vor Zahnschmerz und Erbrechen schützt, nimmt wenig zur Kenntnis von diesem Ding namens Realität. Schweigen ist Gold, und wer würde nicht freiwillig die Klappe halten in der Aussicht, dafür endlich weniger grenzdebilen Vollschrott geprüfter Klötenkönige hören zu müssen.

Indessen reiben die Parallelexistenzen sich feixend die Hände: endlich mal wieder einer kompletten Kohorte das Maul vermauert, flockige Ruhe im Karton, keiner stört mehr den Eingriff des Dumpfsinns in die intellektuelle Ausrichtung des Seins. Die Mehrheit, die wie jede andere Mehrheit auch aus einer Überlagerung von Minderheiten besteht, denn es gibt keine Mehrheit in einer pluralistischen Gemeinschaft differenzierter Attitüden, ist nicht mehr als ein Konstrukt, das sich auf dem Weg in eine gemeinsame Sprache gründlich auf die Zunge gebissen hat.

Die Mehrheit produziert selten mehr als das Schweigen von Lämmern, die auf dem Weg zur Schlachtbank höchstens blökend die akute Befindlichkeit zu Protokoll geben, aber selten den eigenen Horizont zu transzendieren wissen – die neoliberal abgerichtete Herde infantiler Flusenlutscher, denen man argumentativ zwar noch beikommen kann, aber nicht ihren Ohrstöpseln – diese Mehrheit ist ein vorwiegend an den Kapitalinteressen ausgerichtetes Stück Abgrund mit Schleifchen. Keinen interessiert der Aufschlag.

Experten und Bescheidwisser, kurz: Mietmäuler jeglicher Schattierung pladdern ihren Seich aus allen Kanälen über den Euro, West und Ost, die soziale Frage und Steuern im Besonderen, Moral, Ethik und andere Parteirätsel, die Zukunft des Wählers und die Grundzüge einer liebevollen Umverteilung von ganz unten nach ganz oben, denn beide werden sich nicht wehren, und wen interessiert das schon? Das Medium ist die Briefmarke auf der Botschaft, die uns Wertigkeit vorturnt, wo nur eine Lobbyistenmindermeinung auf die Plomben geht. Die Mehrheit schweigt dazu, weil sie den Schmodder für keiner sinnvollen Äußerung wert erachtet, wie sie auch jeden Hund geflissentlich ignoriert, der sein Würstchen noch so kunstvoll in die Gegend setzt. Niveau ist keine Einbahnstraße.

Die schweigende Mehrheit ist der Teil der Population, er aus Gründen der Vernunft nicht dazwischenreden muss, wenn die Profilneurotiker für Geräuschkulisse sorgen. Aber wem sagt man das. Wem, der auch zuhört.