„Dann müssten Sie aber noch Chemieklos mit anliefern. Wir hatten ja gar nichts. Also bis heute. Kein Wasseranschluss, kein Strom, Türschlösser lohnen noch nicht, Sie wissen es doch – das soll hier zwar irgendwann mal der Hauptstadtflughafen gewesen geworden sein, aber für Flüchtlinge!? No way!
Das wird nicht nur extrem schwierig, das ist total unmöglich. Einerseits ist das hier noch Monate entfernt von etwas, das man Rohbau nennen kann, und dann müssen Sie sich klarmachen, die Leute sind nicht nach Europa geflohen, um hier gleich den nächsten Bürgerkrieg auszubaden. Das geht doch gar nicht. Die Heizungen stehen irgendwo im Zwischengeschoss, dafür sind die Heizkörper gar nicht erst angeliefert worden. Okay, Thermostate hängen schon an den Wänden, die Schächte für die Leitungen sind verputzt, und irgendwann werden die Leitungen dann auch mal gelegt. Muss nur noch mal alles aufgestemmt werden, Kabel in die Schlitze, und dann kann der Winter kommen. Alles paletti, oder?
Wie stellen Sie sich das vor? Ach so, Zelte. Ja, kann man schon machen. Aber auch nur bis Ende September, dann soll’s ja wieder kälter werden in der Lobby, und dann regnet es möglicherweise durchs Dach, und ab November kann es in Berlin-Brandenburg auch schneien – wussten Sie nicht? hatte den Architekten auch nicht interessiert – und dann müssten wir hier das Dach mit Planen abdichten, natürlich von innen, weil von außen wär’s ja sinnvoll und zu bezahlen, deshalb machen wir das nur provisorisch und wundern uns dann, dass die Folie unter dem Wasserdruck reißt. Doch, das muss wirklich so. Logische Konsequenzen und sinnvolles Handeln würden sich klar dem Ensemble widersetzen, meint unsere Bauingenieurin, da können wir nichts machen. Nichts Wirksames.
Also Sie mieten das ganze Areal? langfristig? Dann müssten Sie der Bundesregierung aber bitte mitteilen, dass sie ihre Außenpolitik ein bisschen modifiziert. Waffenlieferungen in Krisengebiete sind zwar gut für die Exportwirtschaft, und wir würden uns der daraus resultierenden Flüchtlinge auch sehr gerne annehmen, aber Ihnen muss auch klar sein, bis 2030 oder so muss die Lage geklärt sein. Ein paar Monate könnte man den Start des Flughafens hier noch verzögern – dann suchen wir die Bedienungsanleitungen für die Rauchmelder oder uns fällt ganz plötzlich ein, dass die Versorgungsgänge drei Zentimeter zu eng sind für die Reinigungsmaschinen, dann bauen wir das Tiefgeschoss halt doch noch mal ganz neu, für die fünfundzwanzig Milliarden hatte Dobrindt extra die Autobahnmaut erfunden – aber irgendwann muss man auch mal an die eigentliche Bestimmung des Flughafens denken. Als Bauruine? Das sagen Sie!
Ich würde Ihnen vorschlagen, dass Sie erstmal drei- bis viertausend Personen vorbeibringen, so als Probedurchlauf, und dann gucken wir mal, wie wir das Ding an besten füllen. Fläche gibt’s ja genug. Verpflegung kriegen wir hin, das wird meistens als erstes gebaut – man will sich als Bauleiter auch nicht immer Stulle mitbringen, da ist so eine warme Suppe zwischendurch ganz angenehm. Das mit der Beleuchtung, vielleicht könnten wir da Hilfe zur Selbsthilfe anwenden. Ein paar von den Leuten haben doch in ihrer Heimat bestimmt als Elektriker gearbeitet, denen drücken Sie eine Zange und einen Schraubendreher in die Hand, Kabel werden angeliefert, und dann machen die Jungs sich das hier gemütlich. Der Steuerzahler wird bestimmt nichts dagegen haben, dass unsere Gäste sich mit Eigenleistung an ihren Kosten beteiligen.
Ach, der Brandschutz? Das entzog sich bisher meiner Kenntnis, ich muss mal eben – das war in den Nachrichten? Und deshalb ist der Flughafen überhaupt auch noch nicht… Ja, wir haben keinen. Das heißt, wir haben einen, aber wenn der funktionieren würde, wäre er für den Flughafen zu klein. Oder der Flughafen für den Brandschutz zu groß. Aber gucken Sie, es wird doch nicht gleich alles brennen hier, malen Sie doch den Teufel nicht an die Wand. Sie könnten doch eine Hundertschaft hier einquartieren. Oder zwei. Wenn hier wieder kriminelle Inländer irgendwas anzünden wollen, dann ist die Polizei gleich zur Stelle und kann sofort mit der Strafverfolgung beginnen. Haben Sie nicht? keine Hundertschaft? Wie wär’s denn dann mit ein paar Videokameras? Wenn man der Innenpolitik der vergangenen Jahre glauben darf, dann machen die Dinger doch alles absolut sicher.
Wenn alles nach Plan läuft, schaffen wir hier auch ein paar Arbeitsplätze für Deutsche. Einige Jobs für Unqualifizierte sollten sich doch finden lassen, das entlastet dann auch den sächsischen Sozialhaushalt. Aber schicken Sie uns gerne ein paar besorgte Bürger vorbei. Die können hier demonstrieren, bis sie schwarz werden. Wir haben genug Platz, und ein paar mehr oder weniger fallen hier auch nicht auf.“
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