„Das kann man auch ein bisschen netter sagen. Gut, die Alte hat wirklich einen dicken Hintern, aber das muss man doch nicht gleich ins Internet schreiben. Wir haben dann die Arbeit damit, und die Nutzer beschweren sich. Das sind natürlich keine haltbaren Zustände, aber was wollen Sie machen, wenn die Politik das so will?
Ja, wir machen das jetzt alles selbst. Die einfach gelagerten Fälle, mal eine Beleidigung, üble Nachrede – wobei, da muss man eigentlich auch Jurist sein, um das zu unterscheiden. Der Kollege hat nach vier Wochen in unserer Abteilung immer noch Schwierigkeiten mit der Verleumdung, weil er eine Tatsachenbehauptung in manchen Fällen schon als Werturteil betrachtet und nicht die Gesetzeskonkurrenz sieht, aber der kommt auch aus der Buchhaltung. Den kann man eigentlich gar nicht bei uns einsetzen. Als Bundesminister eventuell noch, aber hier?
Das hat etwas mit dem Hausrecht zu tun. Wir als Betreiber müssen das ausüben, sagt Maas. Jetzt hatte ich immer gedacht, wenn ich jemanden bei mir zu Hause rausschmeißen will, dann kann ich mir auch selbst aussuchen, ob ich den rausschmeiße und wen ich überhaupt rausschmeiße. Und wenn der nicht verschwindet, dann kann ich immer noch die Polizei rufen, und wenn er doch verschwindet, rufe ich sie trotzdem und zeige ihnen eine Straftat an, und die kümmern sich dann darum. Dass das mit den Straftaten immer auf den Justizapparat hinausläuft, das müsste ihm mal einer verklickern. Aber ich habe doch so meine Zweifel, dass das klappt.
Gucken Sie sich mal meine Liste an. Das soll alles heute noch weg. Man kann die natürlich schon mal vorsortieren – Judenwitze, hier geht es um Islamisierung, das ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, insbesondere Abwertung von Langzeitarbeitslosen, aus organisatorischen Gründen schieben wir sämtliche Äußerungen der SPD zum Thema Arbeitsmarkt automatisch da rein – dann drücken Sie hier auf die Taste, und zack! alles weg, und der Nutzer kriegt eine automatisch generierte Mail, dass sein Beitrag nicht den Richtlinien entsprach. Aber dann bleibt doch noch der ganze Rest hier, sehen Sie?
Einerseits hat die Bundesregierung natürlich recht, man darf nicht einfach verfassungsfeindliche Sachen irgendwo äußern, es sei denn, man ist Horst Seehofer, aber das lassen wir jetzt mal weg. Einfach so zu Gewalttaten gegen Flüchtlinge aufrufen oder missliebige Politiker an den Galgen hängen wollen – geht nicht. Das muss man der Bevölkerung auch immer wieder klar machen, dass wir hier in einem Rechtsstaat leben und dass das Grundgesetz für alle gilt. Auch für sie selbst. Aber andererseits, macht sich Maas etwa die Arbeit und guckt täglich im Akkord diese Sachen durch, die von den anderen gemeldet werden?
Sie tun ja etwas für die Weiterbildung, das muss ich allerdings sagen. Neulich hatten wir so ein Seminar über das Telekommunikationsgeheimnis, sehr spannend. Konnte man eine Menge mitnehmen für den eigenen Alltag. Auch in Bezug auf das, was Maas selbst gerade veranstaltet mit der Vorratsdatenspeicherung. Wir verstehen das jetzt alles viel besser, fühlen uns staatsrechtlich sehr viel kompetenter, aber jetzt fängt das Problem ja erst an: wenn Maas in einem Posting seine eigene Position zur Vorratsdatenspeicherung verteidigt – es hat wohl gerade eine, aber fragen Sie mich bitte nicht, welche – dann muss ich das doch löschen, oder? Es könnte im Prinzip auch eine verfassungsfeindliche Meinung sein, die er da vertritt, und ich kann nicht immer nur aufs Bundesverfassungsgericht warten, das geht nicht in einem laufenden Geschäftsbetrieb. Also müsste man jetzt alle Diskussionen über diese verfassungsrechtlich umstrittenen Themen komplett aus dem Internet verbannen. Kann man verstehen, nicht unbedingt aus der Perspektive der ganzen Politik, aber was Maas angeht, dann schon. Die Leute sollen halt etwas denken, aber es nicht unbedingt auch ausdrücken. So ist der Bürger für die Regierung immer noch am bequemsten.
Aber wo wir gerade bei PEGIDA waren – das ist ja der Auslöser für diesen ganzen Schrott – wenn wir jetzt den ganzen rechten Dreck lesen, der da seit einem Jahr steht, da sehe ich ein massives Problem. Das hat sich nicht verändert, das hat schon immer gegen die Verfassung verstoßen, die Politiker haben das nur als etwas überzogene Meinungsäußerung von ein paar aufgebrachten Bürgern abgetan. Gehetzt haben die damals wie heute, und daraus ergibt sich eins der vielen rechtlichen Probleme, die Maas jetzt bekämpfen muss und die wir ohne ihn gar nicht hätten: wenn ich jetzt diese Äußerungen verbieten muss, die über ein Jahr da stehen, geht das mit einem Gesetz, das erst kürzlich in Kraft getreten ist? Sehen Sie, Maasarbeit! Und wer macht den ganzen Dreck jetzt wieder weg? Na?
Das Gute daran, wir haben endlich mal eine verbindliche Richtschnur, an die man sich immer halten kann. Das Grundgesetz ist eben das Grundgesetz und nicht eine Geschäftsbedingung, die man einfach mal so anpassen kann. Das gibt Sicherheit, und dazu ist die Verfassung wohl auch da, wenn ich das richtig verstanden hatte. Und jetzt kommt mein Vorschlag dazu: wo wir ja diese quasi objektive Richtlinie haben, die Verfassung, die uns gewisse Äußerungen in der Öffentlichkeit verbietet, ob man das Verfahren hier nicht auch auf Politiker anwenden sollte?“
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