So ziemlich am Ende

21 12 2015

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wieder einmal haben wir gemeinsam einen Jahrkreis zu Ende gebracht. Es war ein seltsames Jahr, nicht zu sagen: es war kein gutes. Der Abschiede waren genug, die Stimmung ist etwas gedämpft. Der bewegende Augenblick, als wir uns vor wenigen Tagen am Grabe des verehrten Doktor Conradi versammelten, der nach kurzer Krankheit von uns gegangen ist, hatte nun auch nicht lange angehalten, schon vor der Kapelle war Hildegard wieder in Hochform und hatte eigentlich an allem etwas auszusetzen. Der Sarg war ihr zu schlicht und der Kranz zu pompös, die Orgel zu laut – der gute Conradi hatte sich eigens etwas sehr Kompliziertes von Franck gewünscht, wohl auch, um bis ganz zuletzt jemanden auf einer Holzbank sitzend zur Verzweiflung zu treiben – sowie das Wetter ganz unmöglich für so eine Feier, das habe der alte Geschichtslehrer mit Absicht so eingefädelt, und überhaupt wisse sie nicht, was sie dort solle, sie habe ihr Abitur ganz woanders abgelegt. Tante Elsbeth, schon hoch in den Neunzigern und als die bekannt, die den späteren Pädagogen mit den Neutra der u-Deklination gepiesackt hatte, hört nicht mehr so gut, doch sie spricht zum Ausgleich deutlicher. Da es just auf die Festtage zugehe, so die alte Dame auf ihren Stock und meinen Neffen Kester gestützt, könne man doch sicher die Geschenke umtauschen. Sie nämlich wünsche sich vom Knochenmann den Doktor Conradi zurück und biete ihm dafür Hildegard als vollwertigen Ersatz. Es stockte der Trauergesellschaft der Atem, wenn auch aus mehr als einem Grund. Reinmar, mit dem ich seit Schultagen eine Freundschaft pflege, hatte das für sehr gut befunden; sobald Hildegard da angekommen wäre, wo wir alle dereinst hin müssten, würde er sich nicht mehr freiwillig bei uns blicken lassen.

Doktor Klengel war nicht minder erschüttert. Er hat sich zurückgezogen und seine hausärztliche Praxis einer jungen Kollegin übergeben. Hildegard mokiert sich über sie und hat schon angekündigt, diese Praxis nicht mehr zu betreten. „Das ist keine Ärztin“, verkündete sie, „die war doch eben noch eine Medizinstudentin!“ Auf die Frage, wie sie selbst ihr Staatsexamen überlebt hat, verweigert sie hartnäckig die Antwort.

Dass auch Horst Breschke nebst Gattin unter den Gästen waren, hatte mich zunächst überrascht, Frau Breschke erklärte mir den Grund für die Einladung. Die Herren hatten sich vor Jahren in einem Sparklub für Beamten des höheren Dienstes angefreundet, wo sie als Oberamts- beziehungsweise -studienräte die ordentliche Dosierung von Zahnpasta aus der Tube diskutierten und leere Toilettenpapierrollen als Kaminanzünder ausprobierten. Der rüstige Pensionär fragte auch gleich, ob ich ihm einen Nachruf auf den Freund für das monatliche Magazin des Klubs verfassen wolle.

Sie hatte den Geschichtslehrer zwar erst spät kennen gelernt, dennoch war Anne zugegen. Die Welt ist bekanntlich klein, und so erfuhr ich zu diesem Anlass, dass ihre Perle Sofia Asgatowna auch bei Conradis geputzt hatte. Max Hülsenbeck hatte sie diesmal nicht im Schlepptau, und sie wird ihn auch nie wieder mitnehmen. Er hat sich heimlich, still und leise verkrümelt, bei der Staatsanwaltschaft kennt man ihn nicht mehr – Husenkirchen weiß etwas, sagt aber nichts, das ist immer noch besser als andersherum – und seine ehemalige Wohnung ist längst neu vermietet. Das hat auch sein Gutes, denn seit längerer Zeit konnte ich keinen Schokoladenvorrat mehr anlegen, ohne zu sehen, wie Anne regelmäßig spätabends darin einfällt. Ich hatte schon erwogen, die Pralinen gleich bei ihr zu deponieren und die therapeutischen Gespräche telefonisch zu erledigen, aber sie ließ sich nie darauf ein. Im nächsten Jahr wird sie sich selbstständig machen und eine eigene Kanzlei gründen. Wer noch keine Kakaoaktien besitzt, sollte jetzt sein Depot großzügig aufpolstern.

Mandy Schwidarski von Trends & Friends ist in Schwierigkeiten geraten. Ob Travel-Experte Maxim oder der Kollege Minnichkeit ihr noch länger die Treue halten? Beiden ist sie inzwischen je drei Monatsgehälter schuldig, ich bekomme noch eine hübsche Summe für eine Titelgeschichte, und ihre Telefonnummer wird inzwischen von einer etwas desinteressierten Automatenstimme beantwortet.

Mit Siebels, der grauen Eminenz der deutschen Fernsehlandschaft, hatte ich schon lange kein Wort mehr gesprochen. Er rief mich vor ein paar Tagen an und teilte mir mit, dass er wie gewöhnlich noch einmal dreizehn Folgen einer TV-Schmonzette abreißen würde – Nonnen in der Karibik, dazu ein Krankenhaus, in dem gleichzeitig eine jugendliche Reporterin sitzt, die die große Liebe sucht und dazu nach Bad Sülze zieht – um die Reste aus dem Gebührentopf durch den Ausguss zu jagen. Er hat sich vor längerer Zeit das Rauchen abgewöhnt und wird nun langsam zum Hypochonder. Vielleicht umgibt er sich ja deshalb seit Jahren mit TV-Ärzten.

Sigune, die ich gerne ebenso wenig gesehen und gehört hätte, beschäftigt sich inzwischen mit den Unterschieden zwischen Vollmond- und Neumondwasser. Vermutlich hat das eine total andere Dinge im Gedächtnis als das andere, ich kann mich nur gerade nicht erinnern, welches. Sie hat es mir in einem länglichen, wirren Vortrag erklärt, ich aber war bereits nach der Hälfte vollständig paralysiert und fragte mich, wie ich der Lage möglichst ungesehen würde entfliehen können. Eine gefühlte Stunde später – die Nachbarin hatte mich schon über die Vorteile der Planetentonschalen für eine natürliche Verdauung aufgeklärt – klingelte unvermittelt ihr Telefon und erlöste mich aus einer Muskelstarre, von der ich mich erst Tage später wieder erholen sollte. Vielleicht hätte ich Sigune fragen wollen, ob eine tibetische Teppichfliese dabei hilfreich gewesen wäre. Man weiß ja nie.

Dies ist in knappen Worten die Stimmung, in der wir am Weihnachtstag nun in kleiner Runde in Bücklers Landgasthof das Fest feiern werden bei Ente und Hecht. Einige Flaschen vom 1995-er Wupperburger Brüllaffen und 1993-er Gurbesheimer Knarrtreppchen sind dabei, Bruno, Fürst Bückler und seine rechte Hand Petermann haben schon Einzelheiten durchblicken lassen, Hansi weiht nach Jahren ein neues Service ein, und da er zum Geburtstag seiner Cousine Sofia Asgatowna gekommen ist, wird auch Gennadi Jefimowitsch sich nützlich machen. Als langjähriger Pâtissier eines französischen Hotels wird er die Küche auf die eine oder andere neue Idee bringen.

Mein Großneffe Kester trägt seit wenigen Wochen den Doktorgrad und hat mir genau erklärt, warum ich das nicht verstehe. Er hält Gluonen für berechenbar wegen einer Antisymmetrielücke, die in der Wellenfunktion der Baryonen auftritt. Damit könnten in drei bis siebzehn Generationen Grundannahmen der Stringtheorie experimentell überprüfbar sein. Ein beruhigendes Gefühl, wenn man immer etwas zu tun hat. Mein Patenkind Maja ist mit dem Studium ausgelastet und sucht nach einer Eingebung, um den Satz von Kronecker-Weber auf beliebige Zahlkörper zu verallgemeinern. Da sage noch jemand, mit Mathematik könne man im täglichen Leben nichts anfangen.

Eine gute Nachricht immerhin habe ich auch fürs kommende Jahr, denn der allgemein geschätzte Freund und Kollege Gernulf Olzheimer, der mich am Freitag zu vertreten pflegt, hat nach einer längeren wie lauten Wutrede auf das deutsche Gesundheitssystem, bei der er einen schweren Kristallascher durch die gläserne Terrassentür des Friedhofscafés schmiss – ich vergaß zu erwähnen, dass auch er dem alten Conradi das letzte Geleit gegeben hatte – angekündigt, auch weiterhin regelmäßig und pünktlich seine Kommentare bei mir abzuliefern. Außerdem habe ich immer einen vernünftigen Cognac vorrätig.

Die Schachpartie am dritten Festtag steht fest, ich habe ein ganzes Jahr lang geübt, ein Gambit abzulehnen. Möglicherweise ist das lehrreich, nicht nur fürs Schachspiel. Der mir seit Kindertagen vertraute Freund wird jedenfalls schweigen, und das ist auch gut so.

Nun habe ich fast alles verraten, abgesehen von den Präsenten, daher hier noch einmal vor Zeugen: dieses Jahr schenken wir uns nichts. (Das Muranoschälchen für Anne und die Uhr für Hildegard tun hier nichts zur Sache.) Es war ein seltsames Jahr, nicht zu sagen: es war ein anstrengendes. Wie in den Jahren zuvor werde ich mich ein bisschen zurückziehen, und am Montag, den 4. Januar 2016, geht es weiter.

Allen Leserinnen und Lesern, die dies Blog fast oder fast ganz immer und regelmäßiger als unregelmäßig oder doch nur manchmal oder aus Versehen gelesen, kommentiert oder weiterempfohlen haben, danke ich für ihre Treue und Aufmerksamkeit und wünsche, je nach Gusto, ein fröhliches, turbulentes, besinnliches, heiteres, genüssliches, entspanntes, friedvolles und ansonsten schönes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und ein gesundes, glückliches Neues Jahr.

Beste Grüße und Aufwiederlesen

bee





Von Herzen

20 12 2015

Man soll ja, was man selbst, auch schenken,
und wenn man opfert, was man liebt,
wird der Beschenkte also denken,
dass man sein Herz ihm selber gibt.

Ich gab Paulinen, jenem Mädchen,
das wie kein Ding das Grüne hasst,
das grünste Schürzchen, das im Städtchen
man sah, und das zu Grün nur passt.

Ein grünes Häubchen, fein aus Seide,
nicht einmal edel, eher schlicht,
es geht so hübsch zum grünen Kleide,
und grüner nur ist ihr Gesicht.

Pauline wird es nicht vergessen.
Sie weint, bis ihr das Blut gerinnt.
Daran mag jeder wohl ermessen,
wie herzlich meine Gaben sind.





In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCLXXIII)

19 12 2015

Es grantelte Stuart in Shap,
zum Fest sei er wieder der Depp.
„Sie kauft schon seit Stunden,
hat sie was gefunden,
weiß sie, dass ich auch das noch schlepp!“

Man ahnte, dass Joss in Grise Fiord
zu tun hätte mit einem Mord.
Er raucht, wo’s verboten,
Zigarren des Toten,
die er bei ihm sonst immer schnorrt.

Es fühlte sich Matt in St. Bees
beim Turnen seit Tagen recht mies.
Zum Hockey, zum Tauchen
kann man ihn nicht brauchen –
er litt an der Schwellung des Knies.

Es jammert Prudent, der in Brecht
den Führerschein los ward, denn schlecht,
ja fürchterlich fuhr er.
Er moserte nur, er
fuhr besser als Jean. Ungerecht!

Man sah Hugh und Gordon in Skelton,
die oft Frühstückseier sich pellten,
und zwar gegenseitig.
Der Rest war unstreitig
getrennt. Aber das sah man selten.

Nasrullah in Qala-i-Naw
war war von seinen Fechtkünsten baff.
„Ich hielt’s nicht für möglich,
trotz Fechtstunden – täglich –
dass ich eine Meisterschaft schaff!“

Beim Schwimmen hat Andrew in Boot
mal mehr und mal weniger Mut.
Er fürchtet, die Haube
taucht ab. So sein Glaube.
Man kennt ihn als Schwimmer mit Hut.





Gernulf Olzheimer kommentiert (CCCXVI): Möchtegernökos

18 12 2015
Gernulf Olzheimer

Gernulf Olzheimer

Mein Name ist Gernulf Olzheimer und dies ist das Weblog aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten.

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Großen Vorsitzenden der richtigen Partei ausging, dass alle Welt sich schnellstens einen Distinktionsgewinn suchte, und jedermann ging, so er nicht gerade SUV fuhr oder in die Karibik flog, auf dass er sich ein Renommiergewissen um den Hals hinge, und siehe, es war gut so.

Glückselig wie jüngst bekehrte Konvertiten, die eine satanistisch-stalinistisch geprägte Jugend in Stumpfsinn und Nöten verbracht haben, jetzt aber das Angesicht der heiligen Kuh erblickten und jene in paradiesischem Licht mit sich umhertragen, so lächeln sie einen nieder. Freuet Euch, schwiemeln sie jedem ins Ohr, der sich nicht rechtzeitig vor einen einfahrenden Zug schmeißt, freuet Euch, wir möchten Euch auf den Sack gehen jetzt und immerdar. Mit der Sensibilität eines nordkoreanischen Nachrichtensprechers schlagen sie Widerhaken in die Schwarte, bevor sie zum Sermon ansetzen. Hat man zunächst noch die Abwehrschirme auf Standby geschaltet, weil die Horde der Protzbrocken wie tausend andere von ihrem Veganertum berichten, so ist es im nächsten Augenblick schon zu spät. Ja, sie haben auch keinen Fernseher mehr, ja, sie lassen jetzt immer das Auto stehen und fahren die zwei Minuten bis zum Office gerne mal auf dem Liegerad. Sie trinken nur noch europäische Weine und fair gehandelten Kaffee, den sie von Hand aufbrühen, jawollja, und dazu gibt’s ganz viel Schokolade, aber nur die ohne Kinderarbeit.

Die Möchtegernökos haben inzwischen eine Art missionarische Kampfsportreligion gegründet, bei der Bonuspunkte einsammelt, wer möglichst oft und penetrant seinen Mitmenschen auf die Plomben geht. Als Monstranz des doppelplusguten Lebens trägt der Hohlschwätzer den Jutebeutel vor sich her, jenen erhabenen Fetzen des Doppelstandards, der aus demselben Textilgulag stammt, in dem von Pflanzenvernichtungsmitteln benebelte Frauen zum Hungerlohn Designerfummel zusammenklöppeln. Aber die Demos liegen halt immer so ungünstig, und man muss ja noch gegen Atomkraft auf die Straße.

Von tatsächlichem Umweltschutz im Alltag verstehen diese verseiften Weichstapler meist nicht die Bohne. Die Pinkeltaste gehört zum guten Ton auf dem WG-Klo, ansonsten waschen sie gerne ihre Terpentinquasten im Waschbecken aus und kippen die Kippen in die Kanalisation. Nein, sie sind strikt gegen Kaffee in Aluhütchen, wickeln aber jeden Quadratzentimeter Industriekäse in Metallfolie, statt ihn im Mehrzweckgefäß zwischenzulagern. Wenn Mammi zu Besuch kommt, wienern sie die Küchenspüle mit Zellstoff von der Rolle, bevor sie das Ding trocken fönen. Nicht zu erwähnen, dass der selbst ernannte Naturbursche seine Nestwärme mit einer ungeregelt rußenden Holzabfallheizung erzeugt oder, wenn die Kohle anderswo lagert, auf Bioethanol umsteigt. Aber dafür muss ja keiner die Wälder umklappen, wenigstens nicht in Europa.

Ansonsten fliegen sie alle weiterhin fröhlich in die Karibik, gerne auch zweimal im Jahr, um die Tourismusbranche in den Entwicklungsländern zu stärken, sie brettern alle drei Tage zum Biobauern auf dem platten Land, um sich die alten Obstsorten direkt vom Erzeuger zu kaufen, und sie kaufen Flugmango und mit bestem Andengletscherwasser gezogenen Spargel (erntefrisch aus dem TK-Sortiment) nur dann, wenn sie repressionsfrei und ohne Kunstdünger produziert worden sind. Klar, sie verzehrten auch argentinisches Rind, aber das war schon tot und musste schnellstens verstoffwechselt werden, sonst wäre ja alles voll umsonst gewesen. Ab und an, wenn sie sich auf einem kurzen Ausflug in die gewissenlose Welt der Turbokapitalisten wieder Karmapunkte reinpfeifen wollen, dann rüsten sie ihren SUV auf Biodiesel um und erlösen mit ihren Palmölpanzern jede Menge Säuglinge in einem Land voller Kuffnucken, dermaleinst als Jugendliche auf dem Mittelmeer abzusaufen. So viel Güte!

Der kleine Umweltschützer weiß, wie er sich zum Heiland der Schranzen hochrutscht. Eine fein laminierte Spendenquittung in der Jackentasche hilft der Mutti mit dem wirr bebatikten Leinensack auf die Bettkante, denn darauf kommt es an: die repressionsfreie Vermehrung der Suppenkasper in natürlichem Habitat. Der Umwelt ist es ja wumpe, ob sich mehr oder weniger geistig zermarmelte Primaten in ihr herumtreiben; sie hat Kopffüßler, Knochenfische und Dinosaurier ertragen, mit den Säugern ist sie noch nicht ganz fertig, und sollte das diesmal mit den Menschen schief gehen – keine hunderttausend Jahre, dann ist dieser ganze Schmadder vergessen.

Ja, es gibt Hilfe gegen das Gute, man wird sie los. Überall, auch im schmucken Stadtwäldchen, gibt es noch einen kleinen Platz, wo man das verbuddeln kann, sogar grundwasserneutral und im Einklang mit Fauna und Flora. Wenn man nur den Jutebeutel separat im Sondermüll entsorgt.





Beschränkt

17 12 2015

„Also keine Obergrenze.“ „Keine Obergrenze.“ „Wir müssen aber gleichzeitig auch ein Stück weit klar machen, dass wir als Union die…“ „Keine Obergrenze.“ „Jetzt lassen Sie mich doch mal zu Wort kommen, das ist ein ernstes Thema! Die Bundeskanzlerin hat doch selbst…“ „Deshalb ja, keine Obergrenze.“ „Verdammt, Sie arbeiten doch für die Opposition!“ „Dann hätte ich erheblich weniger Probleme.“

„Wenn wir ein nationales Belastungslimit für die…“ „Muss ich Ihnen das schriftlich geben?“ „Was wollen Sie denn, ich habe das Wort doch gar nicht benutzt!“ „Das ist mir egal, wir wollen es auch gar nicht benutzen, also lassen Sie das bitte.“ „Meine Güte! Früher hat die CDU bei ‚Hartz IV‘ oder ‚Vorratsdatenspeicherung‘ herumgezickt, aber das hier ist ja wohl langsam paranoid.“ „Sorry, aber ich mache die Regeln nicht.“ „Unsere Belastung kann aber doch nicht endlos ausgeweitet werden.“ „Da gebe ich Ihnen ja auch sofort recht.“ „Also würden Sie sich auch für ein Limit aussprechen?“ „Man könnte zumindest einmal über so eine Art davon diskutieren, ja.“ „Aha, dann sind Sie also auch für ein nationales…“ „Nein. Und ich rede auch nicht mit Ihnen über so eine Idee, das ist nämlich nicht im Sinne der Bundeskanzlerin.“ „Also entschuldigen Sie mal, Sie haben doch eben gerade noch gesagt, Sie wollten…“ „Da müssen Sie mich falsch verstanden haben.“ „Nur, weil es jetzt um eine nationale…“ „Ich würde auch eine nicht nationale Lösung dieser Art keinesfalls befürworten.“ „Aber die können Sie doch nicht einfach so beschließen.“ „Das kommt ja noch hinzu.“

„Dann sollten wir es mal mit einer Strategie der reduzierten…“ „Nein.“ „Aber die Bundeskanzlerin spricht doch selbst davon, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren.“ „Das mag ja durchaus sein, aber Sie verstehen etwas ganze anderes darunter.“ „Das können Sie ja gar nicht wissen.“ „Was macht denn die Strategie in Ihrer Bezeichnung?“ „Handelt denn die Bundeskanzlerin nicht strategisch?“ „Das tut doch hier gar nichts zur Sache.“

„Mit Vermeidung kann man aber doch nichts falsch machen.“ „Haben Sie sich so gedacht.“ „Ja, so habe ich mir das gedacht. Irgendwelche Einwände?“ „Man kann Menschen nicht vermeiden. Das geht höchstens durch Verhütung, aber das ist wohl nicht Ihre Intention.“ „Jetzt werden Sie albern.“ „Sie sind also der Ansicht, man könne Menschen einfach so aus der Welt schaffen?“ „Sie haben doch nicht alle Tassen im Schrank!“ „Neonazi sind Sie aber keiner, oder?“ „Sie haben wirklich nicht alle…“ „Interessant, und jetzt verlieren Sie auch noch die Nerven.“ „Das ist doch lächerlich!“ „Sagen Sie. Und so einem sollen wir Migrationspolitik anvertrauen? Sagen Sie selbst!“

„Ich wäre dann für eine verstärkte Verringerung.“ „Das klingt bekloppt.“ „Dann erfüllt es ja schon mal einen Zweck, es passt perfekt zur aktuellen Regierungspolitik.“ „Ihr Aggressionslevel sollte Ihnen schon zu denken geben.“ „Ach!?“ „Und Sie können Flüchtlinge auch nicht einfach so verringern. Das würde auch ihre Menschenrechte beschneiden.“ „Bitte: eine Konstanthaltung der aktuellen…“ „Sie koppeln Flüchtlinge also mehr oder weniger bewusst von der Entwicklung des sozialen Mainstreams ab? und dann wundern Sie sich hinterher, wenn Parallelgesellschaften entstehen?“ „Habe ich hier mit einem Wort…“ „Man könnte wirklich auf den Gedanken kommen.“

„Eine Eindämmung des…“ „Krankheiten werden eingedämmt, aber nicht Migranten.“ „Das ist doch nicht zu fassen! Kann man denn hier gar nichts mehr sagen!?“ „Jedenfalls nichts, das irgendwas mit Obergrenzen zu tun hat.“

„Und wenn wir uns jetzt auf eine Absenkung der…“ „Nein.“ „Einen Rückgang des…“ „Und gerne noch einmal auf Deutsch: nein!“ „Aber es geht hier schließlich um einen verringerten…“ „Bitte, ich will doch nur die Ermäßigung des…“ „Das klingt ja schon billig.“ „Meine Güte, wie kann man nur so beschränkt…“ „Gutes Stichwort, aber auch das lassen Sie bitte sein.“ „Das war ja klar. Sie sind wohl in Wirklichkeit eine Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung.“ „Ach guck mal an. BRD GmbH, so einer sind Sie also.“ „Nein!“ „Dann ist ja alles klar. Machen Sie nur so weiter mit Ihren spinnerten Ideen. Uns werden Sie damit nicht ins Bockshorn jagen.“

„Also jetzt mal ehrlich: wie soll man den Sachverhalt denn sonst ausdrücken?“ „Es gibt diesen, wie Sie es nennen, diesen Sachverhalt, den gibt es gar nicht. Und Sie werden das auch nicht als Obergrenze bezeichnen.“ „Ich will das gar nicht als Obergrenze bezeichnen, aber irgendwie müssen wir das doch…“ „Müssen wir das? Sie müssen das wohl, aber wir?“ „Die Helfer pfeifen auf dem letzten Loch, die kommunalen Behörden sind total überfordert, die Zivilgesellschaft ist am Rande ihrer logistischen Möglichkeiten und hat schon keine freie Zeit mehr für die Menschen, denen hier geholfen werden muss.“ „Das ist ja alles richtig, aber es gibt halt keine Obergrenze.“ „Aber in dieser Lage und mit diesem kolossalen Staatsversagen, jawohl: Staatsversagen, können wir einfach nicht so weitermachen, verstehen Sie das denn nicht?“ „Sie wollen also ab sofort sämtliche Flüchtlinge wieder rausschmeißen, habe ich das richtig verstanden?“ „Nein, verdammt noch mal! Sie drehen mir ja hier das Wort im Mund um, es hat doch keiner gesagt, dass das Boot voll…“ „Das Boot ist voll? Sagen Sie das doch gleich. Damit kann die CDU doch leben, zumindest der größte Teil.“





Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen

16 12 2015

„Und dann habe ich hier eine Reihe aufgestellt.“ Die mit Leitungswasser gefüllten Senfgläser gaben der adventlich geschmückten Stube einen ganz eigenen Reiz. Breschke wiegte sich stolz in der Hüfte. Keiner Feuersbrunst würde sein Haus zum Opfer fallen.

„Man muss nämlich sofort etwas zum Löschen griffbereit haben“, belehrte mich der Hausherr. „Wenn Sie erst in die Küche laufen müssen, ist es meistens schon zu spät.“ Neben dem Bäumchen auf dem Papppodest, letzteres in ein rotgoldenes Geschenkpapier geklebt, stand ordentlich ein Zinkeimer mit zehn Litern Wasser. „Der ist aber nur für die großen Brände, man muss ja nicht gleich an das Schlimmste denken.“ Ich hatte trotzdem den Verdacht, der alte Herr würde den Eimer nicht in die Höhe heben können, wenn es denn wirklich einmal brannte. Aber vielleicht täuschte ich mich auch, denn Horst Breschke hatte für diese Weihnachten die Sicherheitsbestimmungen klar verschärft. „Nur noch Wachskerzen“, verkündete er im Brustton der Überzeugung. „Dieses künstliche Zeugs kommt mir nicht mehr ins Haus.“

So unberechtigt war seine Sorge nicht. Die drei Lichterketten, die Breschkes im vergangenen Jahr in ihr schmuckes Bäumchen gewickelt hatten, sahen zwar in der orientalisch-bunten Verpackung noch einigermaßen vertrauenerweckend aus, doch schwand der Eindruck zusehends, als das leichte Flirren, das die winzigen, aber erstaunlich hellen Lämpchen beständig von sich gaben, sich zu einem unrhythmischen Blinken ausweitete. Wie nun die Dame des Hauses eines ihrer bronzenen Engelchen an den Zweig vor der stotternden Birne hängen wollte, zuckte sie empfindlich getroffen zurück; der zu erwartende Kurzschluss, der ein elektrisches System hätte sichernd abschalten müssen, er trat indes nicht ein. So merkte sie erst einige Minuten später wieder auf, als brenzliger Geruch die Stube durchzog. Das Wollfädchen, daran der Bronzeengel hing, kokelte schon munter vor sich hin und hätte um ein Haar Feuer gefangen an der viel zu heißen Lampe, die laut Schachtel Füer dem christ Baumm geeignet war, auch Ganz tagen leuchtende an, und obwohl sich Produkt und Beschreibung wie ein Weltfrieden versprechender ost-östlicher Divan lasen, wäre die ganze Sache fast in einer Katastrophe geendet. Breschkes Tochter hatte die Leuchtapparaturen aus zweifelhafter Quelle irgendwo im zolltechnischen Niemandsland zwischen Frankfurt und Singapur erstanden, ohne Preis oder Prüfsiegel. Mehr musste man im Prinzip nicht wissen.

„Wir haben sie entstaubt, und jetzt hängen sie wieder.“ Der pensionierte Finanzbeamte zupfte die bleiernen Kerzenhalter zurecht. Stilisierte Glocken beschwerten die kleinem Metallkelche, die die Zweige bedenklich nach unten zogen. „Deshalb brauchen wir auch die Löschvorrichtungen, denn man muss ja gerüstet sein.“ Wenigstens saßen die roten Stearinkerzen fest in den Halterungen; sie stammten aus dem Supermarkt, waren noch keine zehn Jahre alt und aus hiesiger Produktion. Man muss ja irgendwo mit den Sicherheitsmaßnahmen anfangen. „Stecken Sie schon mal die obere Reihe ein“, bat Breschke mich, „ich hole eben schnell die Übertöpfe.“

Tatsächlich hatte er ein halbes Dutzend Töpfe, in denen sonst Alpenveilchen auf ihren jähen Tod warteten, mit Wasser gefüllt. „Nehmen Sie mir mal das Tablett ab“, ächzte er. Ich stelle sie dann auf das Rauchtischen. Dabei handelte es sich um ein nierenförmiges Möbel, so hässlich wie halbhoch, das in der Ecke zwischen Sofa und Wand klemmte und sich ansonsten nicht blicken ließ. Hier aber sollten es eine tragende Rolle übernehmen. „Ich würde die ganzen Töpfe erst mal auf den…“ Doch ich kam gar nicht zu Wort. „Hier hat man sie besser zur Hand“, befand Horst Breschke. „Meine Frau sitzt meist am Tisch, oder sie liest da drüben im Sessel, aber hier habe ich nun mal den besten Zugriff. Wenn es wirklich einmal brennen sollte, kann man sich keine Verzögerung erlauben.“

Die anderen Gemüsegläser – Breschkes mussten sich wochenlang von Rotkohl ernährt haben – standen sorgsam aufgereiht an der Fußleiste. Zur Probe beugte ich mich nach unten, erwischte gerade eben ein Glas mit der Hand, bevor ich fast das Gleichgewicht verlor. Aber im Ernstfall würde das sicherlich viel schneller gehen.

Da passierte es. Knapp unter der Spitze bekam eine Kerze jäh Schlagseite, kippte gefährlich und tropfte ihre flüssige Last nach unten auf die Wachsdecke. Wie vom Blitz getroffen sprang Breschke auf, hievte den Blecheimer mit zitternden Fingern aus der Ecke und packe mit der flachen Hand auf den Boden des blechernen Kübels. „Jetzt warten Sie doch“, rief ich, „die Kerze kann man doch mit dem…“ Doch es war zu spät. Schnaufend stieß Breschke das Gefäß hoch, verhakte sich mit dem Pantoffel in der Teppichkante – das Zimmer schien den Brandschutzrichtlinien nicht ganz zu entsprechen – und landete nach einer Halbdrehung rücklings im Sessel, der nach hinten kippte. Ein gutes Dutzend Senfgläser polterte klirrend auf ihn herunter.

„Guter Preis“, meinte Frau Breschke. „Zwanzig Euro pro Lichterkette, das nenne ich einen guten Preis, und die haben ein TÜV-Siegel. Nehmen Sie noch ein paar von den Zimtsternen mit, aber wo wir schon einmal dabei sind: ob Sie mir den Kübel eben mit Sand füllen, unten im Keller? Man weiß ja nie.“





Engelmacher

15 12 2015

„… es derzeit nur Gabriel gebe könne. Der Bundesvorsitzende habe zwar betont, dass er im Grundsatz bereit sei für eine Kanzlerkandidatur, sich aber verbindlich erst nach dem…“

„… um eine schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankung gehandelt habe. Der ehemalige Bundesfinanzminister Steinbrück hinterlasse eine Frau und…“

„… nicht mit dem entgegenkommenden Zug gerechnet hätten. Tiefensee sei auf der Stelle…“

„… während eines Besuchs der Dresdner Altstadt an einem Montagabend geschehen. Rechtsradikal besorgte Bürger hätten mit Brandsätzen, die eigentlich für eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Pirna mitgeführt worden sein sollen, die Wehrlose anzuzünden versucht und sie dann mit einer zufällig mitgeführten Faustfeuerwaffe erschossen. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft gab Schwesig indirekt eine Mitschuld, da sie sich als nicht genehmigte Besucherin einer völkischen Willensbekundung…“

„… versehentlich für einen Stadtstreicher gehalten, da Beck sich mehrere Tage lang nicht rasiert und geduscht hatte. Die schweren Kopfverletzungen seien innerhalb kürzester Zeit…“

„… habe die Obduktion weder Alkohol noch Drogen nachweisen können. Nahles habe offenbar bei ihrem Sturz vom Dach des Bundesministeriums für Verteidigung außer einer blonden Perücke keine weiteren…“

„… seinen Hausausweis vergessen habe. Schily sei streng nach den Richtlinien seiner ehemaligen Dienststelle von den Bediensteten mit einer einstweiligen Erschießung…“

„… dass an der Temperatursteuerung der Sauna keine Manipulation nachzuweisen sei. Da Hendricks durch einen technisch bedingten Anstieg der…“

„… noch wenige Wochen zuvor bekräftigt habe, er sei im Gegensatz zu den anderen Ministern immer regelmäßig zum Arzt gegangen und fordere dies ganz entschieden auch von allen Mitgliedern der Regierungsfraktionen. Maas sei nun nach langer, schwerer Krankheit in einem parteinahen Hospiz im Beisein aller beider politischen Freunde…“

„… zu Beatmungsstörungen kommen könne, wenn Fremdkörper hartnäckig festsäßen. Ein internationales Spezialistenteam habe in einer mehrstündigen Operation versucht, den in Däubler-Gmelin festsitzenden Hitlervergleich zu entfernen, was sich jedoch angesichts der enormen Komplikationen als nicht mehr…“

„… möglicherweise in einem Kellerraum eingeschlossen worden sei. Schäfer-Gümbels Verschwinden sei erst einige Wochen später…“

„… unter großer Anteilnahme der Fraktion beigesetzt worden sei. Mitglieder der Bundestagsfraktion hätten bereits am nächsten Tag geklagt, Ulla Schmidt sei nach wie vor jeden Morgen in die…“

„… erhebliche Mengen, die normalerweise nur von austrainierten Partygängern, Apothekern oder Krankenhausärzten überlebt würden. Der Berliner Senat habe sich daraufhin entschlossen, Wowereit als Sondermüll zu…“

„… für große Überraschung gesorgt, da die meisten Genossen der Meinung gewesen seien, Müntefering sei längst…“

„… an einer Wurstvergiftung verstorben sei. Kraft habe zuvor mehrmals Weihnachtsmärkte in Nordrhein-Westfalen mit dem…“

„… und friedlich im Tiefschlaf das Zeitliche gesegnet habe. Die Tatsache, dass Scharping dies auf dem Rad im…“

„… von der griechischen Öffentlichkeit mit Befriedigung zur Kenntnis genommen worden sei. Schulz sei unweit des Syntagma-Platzes von Heckenschützen…“

„… möglicherweise eine Zigarre verschluckt habe. Schröder sei kurz nach der Abreise der russischen Delegation in seinem…“

„… den Außenminister gewarnt habe, nicht an einem inoffiziellen Atomwaffentest in Saudi-Arabien teilzunehmen. Steinmeier habe bereits auf seiner Ankunft in Katar beklagt, er wolle die Baustellen nicht mehr…“

„… Stegner beim Herauslehnen aus dem Fenster gegen einen Mast geprallt sei, der sich geweigert habe, auf Beschluss der Landtagsfraktion beiseite zu…“

„… Thierses Bart eine Stunde lang gebrannt haben solle. Keiner der Genossen hätte es für nötig gehalten, den…“

„… man erst mehrere Minuten lang gewartet habe. Erst als allen klar geworden sei, dass Lauterbach seinen Satz nicht mehr zu Ende sprechen wolle, habe man einen Notarzt…“

„… in der Ecke vorgefunden habe, wo Scholz offensichtlich vertrocknet sei. Der Hamburger Oberbürgermeister habe dort bereits seit der Olympia-Abstimmung…“

„… wie aus dem knappen Abschiedsbrief ersichtlich gewesen sei. Der Vizekanzler habe keinen Ausweg mehr gesehen und sich in der Toilette des Willy-Brandt-Hauses an einer Damenstrumpfhose…“





Schuld und Bühne

14 12 2015

„Kein Stress, machen Sie sich bloß keinen Stress! Wir wollen ja nicht, dass Ihnen nach der emotional so schwierigen Aussage jetzt eine posttraumatische Belastungsstörung droht. Das müssen auch die Anwälte der Personen aus den Fremdvölkern mal einsehen, dass wir so nicht weiterkommen. Dann wären nämlich die schuld, wenn dieser Prozess ohne Ergebnis bleibt, und nicht Sie.

Sie dürfen auf gar keinen Fall Schuldgefühle entwickeln. Wenn sich Ausländer hier erschießen lassen, dann muss man zuerst bei ihnen nach der Schuld suchen, das haben auch profilierte Politiker christlicher Parteien immer wieder betont. Wenn so ein Ausländer nicht hierherkommt, dann kann er hier auch nicht erschossen werden. Vergessen Sie das bitte niemals: Sie haben keine Schuld. Sie sind das Opfer.

Sie müssen sich auch immer vor Augen führen, dass wir hier quasi auf verlorenem Posten stehen. Wenn man mal von Deutschland absieht, dann gibt es ja quasi nur Ausländer. Überall Ausländer! sogar hier in Europa! Und dann wollen sie uns auch noch unsere nationale Identität wegnehmen und erzählen uns, dass diese ganzen Ausländer Europa sind und wir dazugehören! Fühlen Sie sich da nicht total depressiv? nicht? Gut, daran müssen wir dann auch noch arbeiten.

Natürlich sind Sie dumm, das steht außer Frage. Und wenn ich so aussehen würde wie Sie, ich meine, da können Sie schon froh sein, wenn Sie überhaupt einen Mann abkriegen. Oder zwei. Aber Sie dürfen da jetzt keine Schuldgefühle aufbauen. Dafür sind die Ausländer verantwortlich. Und natürlich die vielen Gutmenschen, die solche Ausländer teilweise wie Menschen behandeln. Sie müssen das nämlich im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang sehen. Die vielen Gutmenschen sind so furchtbar intelligent, und deshalb erst sind Sie im Vergleich so unglaublich blöd. Das dürfen Sie nicht vergessen, letztlich sind die Ausländer an allem schuld!

Das mit dem Sprengstoff in der Garage müssen Sie auch ganz schnell wieder verdrängen. Nicht vergessen, das geht ja leider nicht, wie bei der Geschichte, aber verdrängen, das kann man. Sie schaffen das ganz bestimmt. Sie werden sich irgendwann sagen, Sie hätten das mal am Rande mitgekriegt, dass Ihre beiden Uwes da ein paar Fremdrassige weggebombt haben, und da sei Ihnen wieder eingefallen, dass der Sprengstoff in der Garage nicht mehr da war, aber dann lernen Sie es zu verdrängen. Da ist dann in Ihrer Erinnerung der Sprengstoff… nein, anders: Sie haben gar keine Erinnerungen mehr an den Sprengstoff in der Garage, und deshalb können Sie gar nicht an die Bombenattentate gedacht haben. Logisch, oder? Und wenn Sie sich das jetzt fragen lassen müssen, warum Sie von den Anschlägen nichts wussten – na? Sehr gut, Sie haben das Prinzip begriffen!

Vor allem die vielen Einschränkungen der Meinungsfreiheit dürfen Sie nicht persönlich nehmen. Dass man zum Beispiel in Deutschland nicht einmal in einer Menge von Gleichgesinnten einen Hitlergruß zeigen darf, das sollte nicht dazu führen, dass Sie sich davon persönlich unterdrückt fühlen. Mehr so als Teil des Systems. Und naja, unterdrückt schon, aber jetzt nicht im Sinne von Schuldgefühlen, weil das ja gleichzeitig bedeuten würde, dass ein Hitlergruß falsch wäre.

Doch, ein bisschen Kreativität müssen Sie schon entwickeln. Das mit den Ausländern in Europa, das hatten wir ja schon. Denken Sie mal ein bisschen weiter. Richtig, Europa ist nicht deutsch. Da haben uns die bösen Ausländer alles weggenommen, was wir damals erobern wollten. Das müssen Sie dann richtig auf sich wirken lassen! Nein, das mit dem Holocaust vergessen Sie mal ganz schnell wieder, das macht nur juristischen Ärger, und die meisten Deutschen leugnen den auch nicht. Sie müssen das aus der anderen Perspektive sehen: die Juden wollen Deutschland nur unterdrücken, denen kam Auschwitz schon ganz recht.

So ganz ohne die Paradoxien, wie man sie aus religiösen Glaubenssystemen kennt, werden Sie leider nicht auskommen. Deutschland ist eben die einzig wahre Nation mit einer Herrenrasse, die die anderen Untermenschen wegbombt und vergast und abschlachtet, und darum ist Deutschland auch so schwach und schutzlos und wird von den anderen minderwertigen Kulturen am Boden zertreten. Das muss man eben glauben. Aber Sie schaffen das, für Logik sind Sie ja glücklicherweise zu dämlich.

Sie entwickeln also Schuldgefühle, die sie aber nicht auf sich beziehen dürfen. Damit können Sie dann auch als Nazi auftreten und gleichzeitig die, die Ihnen Rechtsextremismus vorwerfen, als Nazis bezeichnen. Sind Sie eventuell auch vertrieben? Wissen Sie nicht? Dann würde ich das jetzt mal nicht ausschließen. Die meisten Volksgenossen mussten ja irgendwann mal Krieg und Vertreibung erdulden und waren dann gezwungen, in endlosen Flüchtlingstrecks quer über den ganzen Kontinent zu ziehen, und dann hat man sie wegen ihrer Volkszugehörigkeit nicht aufnehmen wollen und hat sie beschimpft, diskriminiert und als Schmarotzer bezeichnet, die an ihrem Schicksal schließlich selbst schuld gewesen sind, weil sie zwar nichts dafür können, wenn ihre Diktatoren einen sinnlosen Krieg anfangen, aber irgendwer muss es dann ja ausbaden, oder?

Dann haben wir es auch schon wieder geschafft. Sie machen wieder Ihre Entspannungsübungen, und dann sehen wir uns nächste Woche wieder, ja? Gut, Sie finden selbst hinaus, nein, die hier. Ganz rechts. Da kommt schon der nächste Patient. Haben Sie Ihre Fahne dabei? Den braunen Sessel, Herr Höcke, und machen Sie sich bloß keinen Stress.“





Halbkrankenschein

13 12 2015

Dass der Sozialstaat noch genug Materie zum Aushöhlen besitzt, zeigt sich in den jüngsten Vorschlägen zum Arbeitsrecht. So sehen die Kassen es als legitim, nicht arbeitsfähige Arbeitnehmer in der Zeit ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit zur Arbeit im Home Office zu nötigen. Was an arbeitsunfähig zu hohe intellektuelle Ansprüche stellt, erschließt sich sofort, ebenso, dass die ansteigende Quote psychischer Erkrankungen die Arbeitgeber so wenig interessiert wie die Gesundheitspolitik. Vor allem jedoch zeigt das Beispiel des mäßig verschnupften Sachbearbeiters in Krankenkassen- und Ministerialverwaltung, der von zu Hause aus seinen Job erledigt, dass Berufe wie Krankenschwester oder Dachdecker von den Büroversagern gar nicht erst in Betracht gezogen werden. Möglich, dass sie beim Halbtotenschein wieder interessant werden. Alle anderen Anzeichen, dass dieser Sozialstaat nicht nur halb krank ist, wie immer in den Suchmaschinentreffern der vergangenen 14 Tage.

  • ich hab polizei: Aufpassen, wenn Sie sich unter Nazis bewegen, landen Sie vielleicht selbst mal in einer Rasterfahndung. Obwohl…
  • zehn kleine engellein lied: Taugt nix, nur Jägermeister tut’s noch.
  • glücksbärchis häkeln anleitungs zeitschrift: Sind schon wieder Strickwochen im Spiegel?
  • porzer ferkelchen: Ich würde Ihr Verhältnis zur katholischen Kirche ja als leicht angespannt bezeichnen.




In fünf Zeilen um die Welt. Limericks (CCLXXII)

12 12 2015

MacArthur, der Richter in Cobb,
belegt die Stadt mit Zuzugsstopp.
Ihr stört nicht, dass Neuen
verwehrt wird ihr Freuen,
ihn stört nur der dummrechte Mob.

Dass Nadschi sein Haus in Katif
verschloss und dann tagelang schlief,
schien anfangs zu stören.
Doch dann war zu hören
von offenen Fenstern – und Mief.

Talitha befand, dass in Butternut
man Fenster und Türen gern matter hat
und dick: für die Ohren,
da laute Motoren
sie stören. Man hat das Geknatter satt.

Dass Ādolfs beschließt in Babīte,
man solle, wer noch wohnt zur Miete,
das Haus kaufen lassen,
ist bei knappen Kassen
recht dumm. Fragt sich nur, wer’s verbiete.

Rebecca versuchte in Cylon
sich aus dem Gefängnis zu feilen.
Schon nahten die Wärter.
Die Gitter sind härter
als sonst. Jetzt muss sie sich beeilen.

Es sammelt der Reno in Ballens
gern Peitschen. Nicht um des Gefallens,
das Schnalzer und Reiter
und ebenso weiter
dran haben, nur wegen des Knallens.

Es schnitt Philomena in Dresser
sich Äpfel auf mit einem Messer,
das stumpf war und drückte.
Nur Apfelmus glückte
damit, nur mit Gurken ging’s besser.